Mülheim. Das Olympia-Attentat von 1972 jährt sich zum 50. Mal. Ein sportbegeisterter Mülheimer erinnert sich – auch daran, wie er doch an Karten kam.
Sommer 1972. Vor 50 Jahren ist auch der 27-jährige Mülheimer Manfred Rixecker im Olympia-Fieber. Der sportbegeisterte Ex-Amateurfußballer vom VfB Speldorf und Broich 85, damals nebenberuflich für die lokale Sportredaktion dieser Zeitung tätig, erinnert sich an die Olympischen Spiele und das Attentat vor 50 Jahren.
Bis zum 5. September 1972 erlebten Manfred Rixecker und seine Ehefrau Maria-Luise, mit der er damals seit einem Jahr verheiratet war, „die heiteren Spiele von München“ wie Millionen andere Sportfans als Fernsehzuschauer. „Ich hatte vergeblich an einer Fernsehlotterie teilgenommen, bei der damals Eintrittskarten für die Olympischen Spiele verlost wurden, die zwischen zehn und 40 D-Mark kosteten. Denn Sport war schon immer meine Leidenschaft“, erzählt Rixecker.
Mülheimer sah schon die Schlagzeile: „Israelische Geiseln im Land des Holocaust“
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Dann kam der 5. September 1972, der auch bei ihm die Begeisterung dem Entsetzen weichen ließ. Palästinensische Terroristen nahmen im Olympischen Dorf, das polizeilich weitgehend ungesichert und für alle Olympia-Besucher offen zugänglich war, israelische Sportler als Geiseln. „Ich sah schon die Schlagzeilen auf uns zukommen: ,Israelische Geiseln im Land des Holocaust’“, erinnert sich Rixecker. Nicht nur er wunderte sich darüber, dass die ersten Befreiungsversuche der Polizei damals vor laufenden Fernsehkameras unternommen wurden, so dass nicht nur die Rixeckers und Millionen Fernsehzuschauer, sondern auch die palästinensischen Terroristen im Bilde waren, wo die Polizei stand und was sie plante.
„Später hörten wir, alle israelischen Sportler seien von der Polizei aus der Hand ihrer palästinensischen Geiselnehmer befreit worden. Doch eine Stunde später kam die Wahrheit zutage. Alle israelischen Geiseln und ein Polizist waren bei einem Befreiungsversuch durch die Polizei auf dem Flugplatz Fürstenfeldbruck ums Leben gekommen“, lässt Rixecker die dramatischen Stunden des 5. September 1972 Revue passieren. „Unter dem Eindruck der Olympischen Spiele 1936 in Berlin wollte sich die Bundesrepublik im Sommer 1972 auf keinen Fall als Polizeistaat, sondern als weltoffenes und gastfreundliches Land präsentieren“, schildert Rixecker den olympischen Geist von München.
Mülheimer Manfred Rixecker ist weiter sehr interessiert an Israels Entwicklung
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1973 bekam die Bundesrepublik unter dem Eindruck des Münchener Olympia-Attentates mit der Grenzschutzgruppe 9 eine professionelle Spezialeinheit, die 1977 die Passagiere der von palästinensischen Terroristen entführten Lufthansa-Maschine „Landshut“ unverletzt befreien konnte.
Noch heute erscheint es Rixecker, der Israels Entwicklung interessiert und mit Sympathie verfolgt und mehrfach in der Partnerstadt Kfar Saba zu Gast war, wie eine bittere Ironie des Schicksals, „dass ich am Tag nach dem Olympia-Attentat bei einem Heißener Mitbürger für 280 Mark die Olympia-Eintrittskarten kaufen konnte, die ich vorher nicht hatte bekommen können.“ Denn am 6. September 1972 veröffentlichte die Lokalausgabe dieser Zeitung zahlreiche Angebote von Mülheimern, die ihre Tickets unter dem Eindruck des Olympia-Attentats schnellstmöglich verkaufen wollten, koste es, was es wolle.
In München das Gold für die Staffel mit Schlussläuferin Heide Rosendahl live miterlebt
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Die Rixeckers aber hielten es mit dem damaligen IOC-Präsidenten, Avery Brundage, der nach dem Attentat am 6. September feststellte: „Die Spiele müssen weitergehen!“ Am 7. September 1972 erreichten die Rixeckers mit ihrem Auto um 18 Uhr die bayerische Landeshauptstadt. „Wir haben uns bei einer Zimmerbörse des Münchener Verkehrsvereins ein 13 Quadratmeter großes Zimmer besorgt, das uns ein Ehepaar an der Gartenstraße in München-Trudering-Riem als Nachtquartier vermietete. Wir haben nachts kaum ein Auge zugetan, weil unsere Gastgeber in Flughafennähe wohnten,“ erinnern sich Maria-Luise und Manfred Rixecker.
An den folgenden Olympia-Tagen erlebten sie bis zum 11. September zum Beispiel den Olympia-Kampf des damals für den BC Ringfrei Mülheim kämpfenden Boxers Peter Hussing, die 2:3-Viertelfinal-Niederlage der Bundesrepublik im Fußball gegen die Auswahl der DDR, die deutschen Goldmedaillen-Gewinne im Reiten, im Hockey und in der Staffel mit der Schlussläuferin Heide Rosendahl sowie die aufgrund des Olympia-Attentats bewusst klein und ruhig gehaltene Abschlussfeier.
Später noch Reisen mit den Söhnen zu den Spielen in Barcelona, Athen und Peking
„Die Faszination, sportliche Höchstleistungen junger Athleten live und in Farbe aus nächster Nähe zu beobachten, verbunden mit der Möglichkeit, mit seinen Nebenleuten im Stadion und auch Sportlern ins Gespräch zu kommen, hat mich seitdem nicht mehr losgelassen. Deshalb bin ich später auch mit meinen beiden Söhnen Manuel und Stefan zu weiteren Olympischen Spielen nach Barcelona 1992, nach Athen 2004, nach Peking 2008 und nach London 2012 gefahren“, so Rixecker.
Aber eine so ungezwungene und offene Begeisterung, wie in München 1972, habe er nie wieder erlebt, bilanziert Sport- und Olympia-Fan Manfred Rixecker. Und wenn er heute auf seinen bunten Stoffdackel schaut, den er sich 1972 als Maskottchen von den Olympischen Spielen mit nach Hause brachte, wundert er sich selbst darüber, welche Blüten die Kommerzialisierung des Sportes inzwischen getrieben hat, wenn er sieht, dass dieser schlichte Stoffdackel im Internet inzwischen für 250 Euro gehandelt wird.