Mülheim. Ein Treffen mit Carl Lewis, ein K.o. nach 45 Sekunden oder ein lautes Fluchen beim vierten Platz – sieben Olympioniken schildern ihre Erlebnisse.

275 Tage sind es noch bis zur Eröffnung der Olympischen Spiele in Tokio. Auch im kommenden Jahr haben Sportler aus Mülheim Chancen, beim weltweit größten und bedeutendsten Sportevent dabei zu sein. Das war schon immer so, schließlich stellt Mülheim seit 1936 Olympia-Teilnehmer. Sieben von ihnen brachte der Mülheimer Sportförderkreis im Rahmen seiner Mitgliederversammlung zusammen. In einer Talkrunde erzählten sie ihre Geschichte.

Helmut Nonn

Helmut Nonn mit Enkel Henry (li.) und Sohn Wolf (Mitte).
Helmut Nonn mit Enkel Henry (li.) und Sohn Wolf (Mitte). © WAZ FotoPool | Carsten Walden

„Wir sollten damals erst gar nicht fliegen dürfen, es war zu teuer“, sagt der frühere Hockeyspieler, der 1956 in Melbourne mit seinem Bruder Wolfgang in fünf Spielen auf dem Platz stand. Am Ende gab es die Bronzemedaille. „Davon gab es auch nur elf Stück, wir haben auch mit genau elf Mann durchgespielt“, erinnert sich Nonn. Um den Hals gehangen, wie heute, bekamen die Spieler das Edelmetall damals nicht. „Wir hatten den Schläger in der einen und die Medaille in der anderen Hand und dann sollten wir auch noch die Hand schütteln.“

Werner Schäfer

Muhammad Ali war das große Vorbild des Boxers. „Aber ich konnte besser tanzen“, lacht Schäfer. 648 Kämpfe hat er in seiner aktiven Zeit bestritten. „Also offiziell“, schmunzelt er. Seine Mutter hat litt in der ersten Reihe mit. 1972 nahm Schäfer in München an den olympischen Boxkämpfen im Bantamgewicht teil. Sein Highlight aber war ein K.o.-Sieg gegen René Weller in der früheren Carl-Diem-Halle. „Nach 45 Sekunden, die Halle stand Kopf“, erinnert sich der Boxer und ergänzt: „Wenn der in meine Faust rein läuft, kann ich ja nichts dafür.“ Auch als Trainer und Kampfrichter hat Schäfer aufgehört. Er sagt: „Ich bin mittlerweile soundsoviel Jahre alt – aber ich sehe noch gut aus, oder?“

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Irene Pepinghege

Irene Pepinghege (re.) mit ihrem Schützling Johanna Schimanskl.
Irene Pepinghege (re.) mit ihrem Schützling Johanna Schimanskl. © Mülheimer KV

Die gebürtige Holländerin kam als Kanutin in ihrer Heimat nicht weiter und fand im Ruhrgebiet eine neue Herausforderung. Zwei Jahre nachdem sie die deutsche Staatsbürgerschaft erhielt, scheiterte sie in einem Ausscheidungsrennen für Olympia 1968 und war in Mexiko nur als Ersatzfrau dabei. „1972 war eigentlich am schönsten“, erzählt sie. Obwohl sie als Vierte knapp an der Medaille vorbeischrammte. „Ich habe im Ziel auch laut geflucht“, sagt Pepinghege. Heute ist sie Trainerin beim Mülheimer Kanusportverein. Ihr größtes Talent ist Johanna Schimanski.

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Tina Bachmann

Nicht ihr Vater, 108-facher Nationalspieler, sondern die Mutter brachte die heute 41-Jährige einst zum Hockey. „Ich sehe mich immer noch als Fünfjährige im Waldstadion an der Seitenlinie stehen“, erzählt die Olympiasiegerin von 2004. „Ich musste überall bitten und betteln, dass Klausuren verschoben werden“, erinnert sich Bachmann an ihre Jugend. Damit es heutige Talente besser haben, ist sie seit vier Jahren Lehrerin einer Sportklasse an der Hölterschule. Dass sie 2014 für zwei Jahre Trainerin der Uhlenhorster Herren wurde, sorgte deutschlandweit für Aufsehen. „Es war eine tolle Herausforderung und ich bin immer noch dankbar dafür“, so Bachmann.

Lars Lürig

Mülheims einziger Teilnehmer an den Paralympics (1992 bis 2000) hat nur lobende Worte für seine Heimatstadt übrig. „Mülheim hat schnell aufgehört Unterschiede zu machen“, erinnert sich der frühere Schwimmer. Vielleicht kehrte er deshalb (und der Liebe wegen) nach 15 Jahren in Münster nach Mülheim zurück. Zwischen 1994 und 1998 war er auf seiner Paradestrecke, den 200 Metern Freistil, ungeschlagen. In dieser Zeit lag auch seine Goldmedaille inklusive Weltrekord in Atlanta. „Das Kachelzählen vermisse ich nicht“, gesteht Lürig, der heute an der Luisenschule Englisch und Sozialwissenschaften unterrichtet.

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Thilo Stralkowski

1992 stand er selbst als kleiner Junge mit dem Hockeyschläger Spalier, als die Uhlenhorster mit der Goldmedaille aus Barcelona zurückkehrten. 20 Jahre später stand er in London auf dem Platz und gewann selbst die Goldmedaille. „Das war natürlich das Highlight“, sagt Stralkowski, der im vergangenen Jahr nach dem Titelgewinn mit dem HTCU seine Karriere beendete. „Der Entschluss ist über die Saison gereift und an den Bildern habe ich hinterher erkannt, dass auch meine Mitspieler wussten, dass das Finale mein letztes Spiel sein würde“, so der 32-Jährige. Er wäre ein „absoluter Befürworter“ von Olympischen Spielen in NRW.

Medaillengewinner unter sich: Carsten Fischer (li., Gold 1992) und Thilo Stralkowski (re., Gold 2012) empfingen im Sommer 2016 den Bronzemedaillengewinner Timm Herzbruch.
Medaillengewinner unter sich: Carsten Fischer (li., Gold 1992) und Thilo Stralkowski (re., Gold 2012) empfingen im Sommer 2016 den Bronzemedaillengewinner Timm Herzbruch. © WAZ | Marcel Dronia

Carsten Fischer

Vier Olympische Spiele erlebte „Calle“ Fischer von 1984 bis 1996. Trotz der Goldmedaille ‘92 blieb ihm seine Olympiapremiere in Los Angeles am meisten in Erinnerung. „Man war einfach noch nah dran“, erzählt der Hockeyspieler und erinnert sich, wie er den berühmten Sprinter Carl Lewis beim Training beobachtete und aus Spaß nach ihm rief. „Ich hatte ja immer schon eine große Schnauze.“ Doch Lewis kam wirklich an den Zaun. „What do you want?“ brüllte der Amerikaner. Plötzlich wurde Fischer ganz kleinlaut. „I only want to see you.“ Dr. Carsten Fischer ist heute als Oberarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie am Elisabeth-Krankenhaus in Dorsten tätig.

Die nächste Generation

Selin Hübsch saß ganz Außen während der Talkrunde und hörte sich interessiert die Olympia-Erlebnisse der ehemaligen Sportler an. „Ich hoffe natürlich, irgendwann selbst bei Olympia zu spielen“, sagt die 14-jährige Badmintonspielerin des TSV Heimaterde.

Beim sportmotorischen Test der zweiten Klassen wurde sie einst als besonders begabt eingestuft. Danach ging es in ihrer noch jungen Karriere bereits steil nach oben. Bei der „Medl-Nacht der Sieger“ wurde sie im März zum Talent des Jahres gekürt. „Mein Trainer Christian Schröder hat mich dort vorgeschlagen, ich wusste erst gar nichts davon.“

Mittlerweile besucht Selin Hübsch die Luisenschule. „Es ist eine sehr gute Schule im Sport, wir bekommen sehr viel Unterstützung“, sagt Hübsch, die unter der Woche neun Einheiten zu je eineinhalb bis zwei Stunden absolviert.