Mülheim/Duisburg. Die Ölverschmutzung der Ruhr von Mülheim bis Duisburg war keine Straftat. Siemens Energy musste den Feuerwehreinsatz zahlen – und Bußgeld droht.
Die riesige Umweltkatastrophe an der Oder, das massenhafte Sterben von Fischen im Fluss schockiert viele Menschen auch in Mülheim. Die Lokalpolitikerin und Aktivistin Sabine Schweizerhof, Organisatorin der Mülheimer Montagsdemo, nimmt dies zum Anlass, an einen Vorfall aus dem vergangenen Frühsommer zu erinnern: den zunächst rätselhaften Ölfilm auf der Ruhr, der sich bis nach Duisburg zog und erst nach hartnäckiger Suche auf ein Problem bei Siemens Energy zurückführen ließ.
Schweizerhof spricht hier von einem „Umweltskandal“, bei dem die Öffentlichkeit nach wie vor auf Aufklärung warte. Tatsächlich hat sich in der Sache kürzlich etwas getan: Die Staatsanwaltschaft Duisburg, die gegen Siemens Energy ermittelte, hat das Verfahren eingestellt.
Keine Umweltstraftat: Verfahren gegen Siemens Energy in Mülheim eingestellt
Dies teilt die Stadt Mülheim jetzt auf Anfrage mit und ergänzt zur Begründung: „Der Verdacht einer Umweltstraftat konnte nicht nachgewiesen werden.“ Doch das Unternehmen ist damit nicht aus dem Schneider. Der Störfall könnte als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
Im Frühsommer vergangenen Jahres hatte der Zwischenfall bei Siemens Energy im Mülheimer Hafen die Ruhr großflächig verschmutzt und etliche Einsatzkräfte ausgiebig beschäftigt. Am 7. Juni 2021 waren ölig-bläuliche Schlieren auf dem Fluss entdeckt worden, die sich bis nach Duisburg zogen. Verursacher? Zunächst unbekannt. Fast vier Tage lang suchten Feuerwehrleute, inklusive Tauchern, dazu Vertreter des Umweltamtes und Helfer der DLRG an und in der Ruhr nach dem Ursprung der Verschmutzung. Dann kam heraus, dass ein zunächst unbemerktes Leck an einem Generatorenprüffeld von Siemens Energy ursächlich war. In einem Kühlsystem hatten sich offenbar synthetisches Öl und Wasser miteinander vermischt. Rund 300 Liter Schmierstoff, verdünnt mit Wasser, flossen in die Ruhr.
Feuerwehr bewertete den Schadstoff als „schwach gefährdend“
Auch interessant
Die Feuerwehr hatte den Schadstoff seinerzeit in die Wassergefährdungsklasse 1 (von dreien) eingeordnet: „schwach gefährdend“. Nicht so giftig, dass Fische oder Vögel verenden, aber riskant für Mikroorganismen und Kleinstlebewesen.
Siemens Energy hatte die Anlage damals nach eigener Auskunft stillgelegt und eine Untersuchung in Auftrag gegeben - in enger Zusammenarbeit mit den Behörden, wie es hieß. Zum Ergebnis dieser Untersuchung, zur genauen Ursache des Störfalls schweigt das Unternehmen. Wo genau lag der Fehler? Eine Sprecherin von Siemens Energy teilte jetzt auf Anfrage mit, zu diesen Fragen werde man keine Aussagen machen.
Siemens Energy äußert sich nicht zur Ursache des Störfalls
Sie bestätigt immerhin, dass das strafrechtliche Verfahren bei der Staatsanwaltschaft eingestellt wurde. Jetzt ist die Stadt Mülheim am Zuge. Sie wollte zunächst die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abwarten, bevor sie selber gegen Siemens Energy vorgeht. Nun kündigt Stadtsprecher Volker Wiebels an: „Die Untere Wasserbehörde wird die Angelegenheit jetzt als Ordnungswidrigkeit verfolgen und ein Bußgeldverfahren einleiten. Die nötigen Schritte werden gerade vorbereitet.“
Sabine Schweizerhof und ihre Mitstreiterinnen bei der Montagsdemo haben in der Sache nicht locker gelassen. Sie wollen nach wie vor wissen: „Handelt es sich zumindest um grobe Fahrlässigkeit? Oder wurden Wartungsintervalle aus Kostengründen gestreckt?“ Auf jeden Fall müsse alles aufgeklärt werden und Siemens Energy - nicht die Steuerzahler - für die Reinigungskosten aufkommen.
Stadt Mülheim kündigt Bußgeldverfahren an
Auch interessant
Mit einer Bürgerbeschwerde zum „Leck bei Siemens“ war Schweizerhof im März 2022 auch im Umweltausschuss zu Gast. Dort verwies die Verwaltung auf das schwebende Ermittlungsverfahren, das abgewartet werden müsse, ehe die Stadt tätig werden könne. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen. Ein Verfahren nach § 103, Abs. 1, Ziffer 2 WHG (Wasserhaushaltsgesetz) soll nach Auskunft des Umweltamtes „zeitnah“ eröffnet werden. Geprüft werde, ob bei der Einleitung von Kühlwasser in den Schifffahrtskanal vorsätzlich oder fahrlässig gegen Auflagen verstoßen wurde. In diesem Fall droht ein Bußgeld in Höhe von 1000 bis 50.000 Euro.
Eine Forderung hat das Unternehmen bereits erfüllt: „Siemens Energy hat die Kosten für den Feuerwehreinsatz beglichen“, teilt eine Sprecherin mit.
Unternehmen zahlte rund 20.000 Euro für den Feuerwehreinsatz
Der Leiter der Mülheimer Berufsfeuerwehr, Sven Werner, bestätigt das und nennt auch eine Summe: „circa 20.000 Euro.“ Das Unternehmen habe diese Kosten nicht freiwillig getragen, sondern sei nach § 52 des NRW-Gesetzes über den Brandschutz, die Hilfeleistung und den Katastrophenschutz (BHKG) dazu verpflichtet gewesen, ergänzt der Feuerwehrchef.
Nach diesem Gesetz gelten besondere Regeln etwa für den Betrieb gefährlicher Anlagen (Gefährdungshaftung), den Umgang mit Gefahrstoffen oder Stoffen, die das Wasser gefährden. Kommunen können dann Kostenersatz verlangen, ohne dass Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen sind.