Mülheim. Die „Weißen Nächte“ sind eröffnet: An elf Tagen gibt es am Mülheimer Theater an der Ruhr ein reiches Kulturprogramm. Wie der erste Abend lief.

Das nennt man Glück. Die Wettervorhersage trifft nicht ein, die Gewitter bleiben aus. Die Eröffnung der „Weißen Nächte 2022“ im Raffelbergpark kann also doch bei bestem Sommerwetter über die Bühne gehen. Ausstellung, Musik, Theaterpremiere – der laue Abend verspricht abwechslungsreich zu werden.

Die Seebühne auf dem Raffelberg-Teich fällt jedem Besucher sogleich ins Auge. Zunächst aber steht ein Rundgang durch die Open-Air-Ausstellung „Animal Mirrors“ an. An sieben Stationen kann man Kunstwerke anschauen, die sich dem Verhältnis Tier-Mensch-Natur widmen. Philipp Preuss, Mitglied der künstlerischen Leitung am Theater an der Ruhr, hat die kleine, aber feine Schau kuratiert.

Videokunst in Mülheimer Park: Interessante Themen aufgegriffen

Besucherinnen betrachten Videokunst bei den „Weißen Nächten“ in Mülheim.
Besucherinnen betrachten Videokunst bei den „Weißen Nächten“ in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Ein Tipp für alle, die die Weißen Nächte (bis 4. September) besuchen wollen: Man sollte Zeit mitbringen, um sich die Ausstellung anzuschauen. Ein Großteil der Ausstellungsstücke sind Videokunstwerke, man muss sich hinsetzen und auch schon einmal zehn Minuten konzentriert zuschauen. Die kleinen Zuschauerecken befinden sich mitten in der Natur – im Unterholz unter hohen alten Bäumen.

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Wer sich auf die Filme einlässt, die zum Teil auf renommierten Festivals gezeigt wurden, stößt auf hochinteressante Themen. In „Primaten-Fernsehen“ von Rachel Mayeri beispielsweise geht es um das Verhalten und die Wahrnehmung von Schimpansen. Das Video „Der Fisch“ berichtet von den Bewohnern eines brasilianischen Dorfes, die die Fische, die sie gefangen haben, zärtlich umarmen. „Der lange Abschied“ von Alisa Hecke und Julian Rauter lässt eine Haustierpräparatorin zu Worte kommen. Ein ästhetisches Vergnügen: „Divine Memory“, ein Video von Monira Al Qadiri, bei dem die Kamera den Kraken im Meer folgt.

Sanfte und melancholische Musik von belgischem Trio am Raffelberg

Auf einer schwimmenden Bühne spielt das Theater an der Ruhr bei den „Weißen Nächten“. Im Bild: der Schauspieler Felix Römer als Dr. Wangel in Ibsens „Die Frau vom Meer“.
Auf einer schwimmenden Bühne spielt das Theater an der Ruhr bei den „Weißen Nächten“. Im Bild: der Schauspieler Felix Römer als Dr. Wangel in Ibsens „Die Frau vom Meer“. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Auf den Kunstgenuss folgt die Musik. Am Eröffnungstag spielt auf der kleinen Bühne das belgische Trio „Las Lloronas“ – Weltmusik. Selbstgeschriebene Songs mit sehr persönlichen deutschen, englischen, französischen Texten, die melancholisch daherkommen. Mit Gitarre, Ukulele und auch Klarinette begleiten sich die drei Sängerinnen, deren Stimmen ganz wunderbar miteinander harmonieren. Technisch ausgefeilt, mit ungewöhnlichen Rhythmen und viel Emotion – ein sanfter Einstieg in das Festival.

Die Besucher schlendern herum, genießen ein Gläschen Wein oder probieren die internationalen Spezialitäten, die es am Refugee-Foodtruck gibt. Als es dämmert, wird die Tribüne vor dem Teich eröffnet, das Theater beginnt. „Die Frau vom Meer“ von Henrik Ibsen wird auf der Seebühne in einer Inszenierung von Philipp Preuss (Dramaturg: Helmut Schäfer) gezeigt.

Rund 300 Zuschauer verfolgen mit Funkkopfhörern den Auftakt der „Weißen Nächte“ im Raffelbergpark.
Rund 300 Zuschauer verfolgen mit Funkkopfhörern den Auftakt der „Weißen Nächte“ im Raffelbergpark. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Theaterstück ist keine leichte Kost zu später Stunde

Die rund 300 Zuschauer sind mit blau leuchtenden Kopfhörern ausgestattet. Sie sind nur ein technisches Mittel von vielen, die an diesem Abend zum Einsatz kommen und gut funktionieren. Lichteffekte und Projektionen lassen die Baumkronen rund um den Teich lebendig werden, schaffen faszinierende, pulsierende Bilder. Mancher Zuschauer hätte sich allerdings auch ein Fernglas gewünscht, denn die Mimik der Schauspieler vor dem mal spiegelnden, mal transparenten Glashaus auf der Bühne oder in den hübschen Ruderbooten auf dem Teich kann man aus der Entfernung allerhöchstens erahnen.

Theaterpremiere in Mülheim- Aufregende Proben auf SeebühneLeichte Kost zu später Stunde ist der Ibsen wahrlich nicht – vor allem auch die eingestreuten Textpassagen anderer Autoren fordern das Publikum heraus. Es reagiert am Ende verhalten, mancher ist etwas ratlos. Ist das Stück vielleicht ein wenig zu ernst für ein unterhaltsames Theatervolksfest? Nach zweistündigem Stillsitzen ist wieder Bewegung angesagt. DJ Alfa legt auf, nun soll gut gelaunt gefeiert und getanzt werden. Regnen tut es auch weiterhin nicht.

Eine ausführliche Rezension zur Theaterpremiere lesen Sie auf unserer überregionalen Kulturseite oder auf www.waz.de/kultur