Mülheim. Das Theater an der Ruhr zeigt Ibsens „Die Frau vom Meer“ auf dem Raffelbergteich/Mülheim. Acht Aufführungen während der Weißen Nächte sind gepant.

Ein junger Mann sitzt in einem kleinen Ruderboot. Er steuert auf eine Insel auf dem Raffelberg-See zu, auf der ein Haus aus Spiegeln steht. Es ist Hans Lyngstrand (Leonhard Hugger), der der Arztgattin Ellida Wangel (Petra von der Beek), einen Besuch abstatten möchte. Die Szene stammt aus dem Schauspiel „Die Frau vom Meer“ von Henrik Ibsen, das am kommenden Freitag, 19. August, im Rahmen der Weißen Nächte im Theater an der Ruhr Premiere hat.

Jeden Abend probt das Ensemble derzeit auf der temporären Seebühne. Regisseur Philipp Preuss und Dramaturg Helmut Schäfer sitzen auf der Tribüne auf dem „Festland“ - ausgerüstet mit Kopfhörern - verfolgen das Geschehen und geben Anweisungen. Auf den Stufen der Zuschauerränge stehen Wasserflaschen und Kaffeebecher, auch Mückenarmbänder für die Schauspieler liegen bereit. In der Dämmerung, wenn die Sonne hinter den hohen alten Parkbäumen versinkt, spendet die Feuchtigkeit Kühle, es rücken auch einige kleine Blutsauger an.

Einige Mülheimer Schauspieler mussten das Rudern erlernen

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Auf einem großen Floß werden immer wieder Requisiten rüber zur Insel gebracht. Auch Bühnenbildnerin Ramallah Aubrecht ist vor Ort, prüft, wie der szenische Raum wirkt. Gleich drei Ruderboote gehören zur Inszenierung. „Das Rudern haben einige Schauspieler erst lernen müssen“, berichtet Helmut Schäfer. Leo Hugger hat damit kein Problem, sein Monolog kommt jedoch noch nicht richtig rüber, spricht die Kollegin irgendwie nicht an. Die Szene muss also wiederholt werden. Kleine Texthänger, verpasste Einsätze und falsche Bewegungen auf der Bühne gehören jetzt - ein paar Tage vor der Generalprobe - allerdings auch einfach noch dazu.

Während das Ensemble eifrig übt, sieht man im Hintergrund Radfahrer und Gassigänger vorbeiziehen. Als es dunkel wird, reflektiert sich das Scheinwerferlicht auf der Wasseroberfläche und in den Spiegelwänden des Hauses. Eine magische Atmosphäre entsteht. In die dunklen Baumkronen sollen später auch noch Videosequenzen hineinprojiziert werden. Doch auch bei der Technik hakt es noch ein wenig: „Blinkt da was?“, fragt ein Techniker vom Ufer aus die Schauspieler. Und tatsächlich spielt eine Lampe verrückt.

An den Wänden des Hauses spiegeln sich Dinge aus der Umgebung. Abends ergeben sich tolle Lichteffekte.
An den Wänden des Hauses spiegeln sich Dinge aus der Umgebung. Abends ergeben sich tolle Lichteffekte. © FUNKE Foto Services | Ant Palmer

„Es ist eine Herausforderung, dass niemand ins Wasser fällt!“

Die Idee, auf dem Wasser zu spielen, hängt eng mit der Konzeption der Weißen Nächte zusammen. „Die Weißen Nächte stehen auch diesmal wieder unter dem Motto „Natur Retour“. „Wir wollten die Natur und das Element Wasser einbeziehen und nutzen als Spielfläche daher diese rund acht mal neun Meter große Seebühne“, erläutert Philipp Preuss. Und er erinnert augenzwinkernd daran, dass er selbst aus Bregenz stammt, wo die Festspiele auf dem Bodensee eine lange Tradition haben.

Am Raffelberg wird manchmal aber auch an Land oder auf einem Floß gespielt. Aufpassen müssen die Darsteller hier draußen viel mehr als vorher, als einzelne Szenen noch auf der Probebühne einstudiert wurden. „Es ist eine Herausforderung, dass niemand ins Wasser fällt“, sagt Helmut Schäfer schmunzelnd. Das weiß auch Klaus Herzog, der das Faktotum Ballestedt spielt, und rückwärts die Treppe zum Teich hinunter gehen muss. Ein Schritt zu viel wäre fatal. Einen ersten „Unfall“ hat es aber bereits gegeben: Regieassistent Toby Stöttner machte mit dem kühlen Nass Bekannschaft. Als Erster und als Einziger?

Mülheimer Theaterleuten geht es um das Verhältnis Mensch-Tier-Natur

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Warum Ibsen? Warum dieses relativ selten gespielte Stück? „Ibsen hat hier Phänomene aufgegriffen, die damals noch nicht Gegenstand der Literatur waren“, erwidert der Regisseur. Es gehe um das Verhältnis Mensch-Tier-Natur. „Und um die Fragen, welche symbiotischen Welten Mensch und Natur bilden könnten, und wie eine Rettung für unseren Planeten ausschauen könnte.“ Also um eine Thematik, die aktueller denn je ist. „Die Figuren bei Ibsen kreisen um sich selbst, auf der Suche nach der eigenen Natur, nach ihrer Bestimmung und nach Sicherheit und Freiheit“, heißt es in der Ankündigung des Theaters.

Der Originaltext von Ibsen ist bearbeitet und durch Textsequenzen von anderen Autoren - vor allem der Naturwissenschaftshistorikerin und Feministin Donna Haraway - ergänzt worden. „Sie entwirft die Vorstellung einer umfassend vereinigten Natur, in der Pflanzen, Tiere und Menschen verschmelzen“, erklären die Theatermacher.

300 Zuschauer finden auf Open-Air-Tribüne in Mülheim Platz

300 Zuschauer finden im Open-Air-Theater hinter dem Theatergebäude Platz. Das Stück hat am Freitag Premiere, aber auch an sieben weiteren Tagen im August werden die acht Darsteller im Einsatz sein, um über Ellida Wangel, die Tochter eines Leuchtturmwächters, und ihre Sehnsucht nach dem Meer zu erzählen (siehe Info-Box). Ob bei Generalprobe am Donnerstag alles funktionieren wird? Regisseur Philipp Preuss ist zuversichtlich, aber er weiß auch aus Erfahrung: „Am Ende wird es immer knapp mit den Proben.“ Die Spannung steigt.

Karten können auf der Homepage des Theaters gekauft werden. Es handelt sich um Tagestickets für die „Weißen Nächte“ nach dem Prinzip „Zahle, was du kannst“ (mindestens 8,50 Euro, maximal 50 Euro) Damit hat man auch Zugang zu den anderen Veranstaltungen des Tages hat.