Mülheim. Fahrradfreundliches Bauprojekt in Mülheim: ein Studentenwohnheim auf Stelzen, direkt am RS1. Doch eine Nachbarin „kriegt Horror beim Gedanken“.
Es ist wohl eines der innovativsten Bauprojekte, die in Mülheim ernsthaft verfolgt werden: das Studentenwohnheim auf Stelzen direkt am Radschnellweg Ruhr (RS1). Vor rund anderthalb Jahren, im Dezember 2020, wurden der Mülheimer Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit erste Entwürfe vorgestellt. Die Daumen gingen hoch, angesichts dieser vielversprechenden Idee.
In der unmittelbaren Nachbarschaft allerdings wachsen seither die Bedenken. Dorothea Diercks, die in der Auerstraße wohnt, „kriegt Horror bei dem Gedanken“, dass dort ein 17 Meter hohes Studentenwohnheim errichtet werden soll. Sie und ihr Mann seien beunruhigt, „weil man nicht weiß, was auf einen zukommt“. Einige Grundzüge sind indessen schon bekannt.
Geplant: Mülheimer Studentenwohnheim mit direkter RS1-Anbindung
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Das Projekt wird von der Wegner Immobilien GmbH aus Hamburg finanziert, der auch das Grundstück gehört - der Parkplatz des Mülheimer Bürgeramtes an der Löhstraße. Dieser soll aber nicht zugebaut werden, vielmehr ist geplant, dort ein viergeschossiges Gebäude auf Betonstelzen zu setzen. Auf Höhe des Radschnellwegs soll ein Parkdeck für bis zu 100 Fahrräder entstehen, mit einer Rampe hinab zur Löhstraße und einer direkten Anbindung zum RS 1.
Die Projektentwicklung und Planung liegt beim Architektenbüro Smyk Fischer in Mülheim-Saarn, auf dessen Website auch eine erste Skizze des Studentenwohnheims zu finden ist. Einige ergänzende Details hatte Architekt Martin Smyk im Dezember erläutert: Danach soll das Wohnheim auf vier Stockwerken über eine Gesamtfläche von 2500 Quadratmetern verfügen, aufgeteilt in 56 Einzelzimmer plus vier Fünfer-WGs. Insgesamt könnten an der Löhstraße also 76 Studierende einziehen.
Radwegführung und Entwässerung müssen noch geklärt werden
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Wie der Architekt jetzt auf Anfrage mitteilt, sind die Pläne unverändert gültig. Das Ganze befinde sich im behördlichen Genehmigungsverfahren, „aktuell gibt es noch eine letzte Abstimmung hinsichtlich der Radwegführung“, so Smyk. Von Seiten der Stadt Mülheim heißt es: Beim Bauordnungsamt gingen gerade letzte Stellungnahmen der zuständigen Fachämter ein. „Die Entwässerung wird noch geprüft, es fehlt ein Gutachten für die Versickerung des Regenwassers. Danach geht das Genehmigungsverfahren in die Schlussphase.“
Dorothea Diercks hat nach eigener Auskunft vor etwa einem Jahr mehr zufällig von den Planungen erfahren. Da ihr Gartengrundstück direkt an den Parkplatz des Bürgeramtes grenzt, kann sie beobachten, was sich dort tut. Bislang wenig, doch seien bereits Bodenproben entnommen worden. Ihr Ehemann habe sich auch schon persönlich im Mülheimer Bauamt über die Entwürfe informiert und dort gehört: So lange sich die Höhe des Neubaus mit der umgebender Häuser decke, stehe einer Baugenehmigung nichts entgegen. „Wir haben also keine rechtliche Handhabe“, stellt die Mülheimerin fest.
Nachbarn befürchten Lärmbelästigung, auch laute Partys
Doch die Aussicht auf lebhafte Nachbarschaft in einem Haus mit großer Dachterrasse gefällt dem Paar gar nicht. „Wir befürchten, dass eine enorme Lärmbelästigung auf uns zukommen wird“, sagt Dorothea Diercks. Die Ecke Bahnstraße sei sowieso schon sehr laut, „und das hier wird ein großes Haus, in dem viele Menschen leben. Wir haben auch Bedenken, dass die Studenten viel Party machen.“ Tatsächlich gab es solche Probleme im vergangenen Jahr an der Bülowstraße in Broich, wo sich Nachbarn über rücksichtslose Partynächte einer Gruppe junger Leute beschwerten.
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Doch am meisten Sorgen macht den Haus- und Gartenbesitzern die anvisierte Höhe des neuen Wohnheims, mit Blick auf die Licht- und Luftverhältnisse. Ihr Mann wohne bereits seit 30 Jahren an der Auerstraße, berichtet Dorothea Diercks, „seitdem hat sich da sehr vieles sehr nachteilig verändert“. Ob auch andere aus dem Viertel das Studentenwohnheim ablehnen, bleibt offen. Eine unmittelbare Nachbarin habe ihr Haus inzwischen verkauft - „ich weiß auch nicht, ob die Pläne jedem hier bekannt und bewusst sind“.
Falls sie umgesetzt werden, entsteht ein Projekt, auf das viele in der Stadt schauen werden - mit Wohlwollen und Hoffnung. So soll das Gebäude barrierefrei konzipiert sein. Der Mülheimer Planungsamtsleiter hatte das Stichwort „Verkehrswende“ genannt, denn hier steht das Radfahren im Fokus. Auch eine Belebung der Innenstadt durch den Zuzug junger Leute könnten die Planer sich vorstellen. Genau diese Vorstellung erschreckt die Nachbarn.