Mülheim. Ein leerer Wohnblock in Mülheim-Dümpten wird umgebaut. Geplant: eine betreute Jugend-WG. Nachbarn wissen nichts Genaues, sind aber „stinksauer“.
In Unterdümpten rückt das Ende eines jahrelangen Leerstands in Sicht. Das dreistöckige, rötlich verkleidete, leicht heruntergekommene Haus an der Mellinghofer Straße 282 gehört nicht mehr der städtischen Wohnungsbaugesellschaft SWB, sondern hat eine neue Eigentümerin: die ISF Familienhilfe. Handwerker sind dort zugange, und in einigen Monaten soll sich das Gebäude wieder mit Leben füllen.
Doch Anwohner, die ausdauernd über den Verfall der Immobilie geschimpft haben, sind nicht zufrieden. Im Gegenteil. Seit eine Nachbarin die Handwerker gefragt hat, wie es an der Ecke weitergeht, brodelt die Gerüchteküche. Denn angeblich sollen hier „schwer erziehbare Jugendliche“ einziehen, angeblich sollen sie nur bis 17 Uhr betreut werden, danach auf sich alleine gestellt sein.
Anwohner in Mülheim-Dümpten: „Dieses Gemauschel ärgert uns“
„Wir sind alle stinksauer“, sagt ein Mann, der in der Nachbarschaft ein Haus besitzt, doch seinen Namen nicht veröffentlicht sehen möchte. Er selber schimpft insbesondere auf die SWB, die den Verkauf und die künftige Nutzung des leer stehenden Gebäudes nicht offen kommuniziert habe. Er unterstellt dem Wohnungsunternehmen sogar: „Die haben uns absichtlich nichts gesagt, weil sie wussten, dass die Nachbarn auf die Barrikaden gehen. Dieses Gemauschel ärgert uns.“
Ein anderer Dümptener, der direkt gegenüber wohnt und ebenfalls anonym bleiben möchte, äußert Sorge um seine Kinder, die oft draußen spielen. „Da kann alles Mögliche passieren“, fürchtet der Familienvater. Denn er habe gehört, dass an der Mellinghofer Straße 282 bald Jugendliche betreut würden, „die keine gute Vergangenheit haben. Gucken wir mal ...“
SWB-Chef: „Es wird nichts Schlimmes, sondern eine soziale Einrichtung“
SWB-Geschäftsführer Andreas Timmerkamp bestätigt, dass die ISF Familienhilfe das Gebäude erworben hat, in dem bis vor zwei Jahren geflüchtete Familien lebten. Drei Interessenten habe es für das Objekt gegeben, man habe sich für ISF entschieden, „weil wir deren Konzept für das beste halten“.
Wenig Verständnis hat Timmerkamp für die Aufregung einiger Anwohner, allein auf Grundlage einer Plauderei mit Handwerkern. Der SWB-Chef stellt klar: „Ganz sicher kommt kein Heim für schwer erziehbare Kinder. Das ist eine Mär.“ Zu Details könne und wolle er sich aber nicht äußern, da die ISF Familienhilfe noch in Verhandlungen stehe. „Aber es wird sicher nichts Schlimmes, sondern eine soziale Einrichtung. Eine gute Sache, die wir gebrauchen können.“
Laut Jugendamt soll ein betreutes Wohnangebot mit zwei Plätzen entstehen
Der Inhaber und Leiter der ISF Familienhilfe, Rachid Garnaoui, ist derzeit – urlaubsbedingt – für nähere Informationen nicht erreichbar. Doch das Mülheimer Jugendamt wurde bereits über das Projekt informiert. Nach Auskunft von Amtsleiterin Lydia Schallwig soll eine sozialpädagogisch betreute Wohnform für junge Menschen ab 16 Jahren (gem. SGB VIII) angeboten werden, mit zwei Plätzen. Diese Hilfe könne auch nach Eintritt der Volljährigkeit genutzt werden. „Ziel dieser Jugendhilfemaßnahme ist die Verselbstständigung zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung“, so Schallwig.
Der ISF als freier Träger der Jugendhilfe müsse mit dem Jugendamt Vereinbarungen treffen, über Leistungen, Entgelte, Qualitätsentwicklung und in diesem Fall auch eine Betriebserlaubnis beim Landesjugendamt beantragen. Aktuell liefen noch Gespräche zwischen Jugendamt und Träger, so die Amtsleiterin.
SPD-Politikerin Hawig fordert: Haus und Umfeld ansprechender gestalten
Auch Ratsfrau Gabi Hawig, Vorsitzende der SPD Dümpten, hat die Gerüchte um den Neubezug des Hauses vernommen und bereits versucht, bei der ISF-Leitung Näheres zu erfahren. Nach ihrer Kenntnis sollen in der Immobilie Büros eingerichtet werden, in denen sozialpädagogische Fachkräfte ansprechbar sind. Ohne dass das Projekt schon im Einzelnen bekannt ist, meint die engagierte Ortspolitikern: „Leerstand ist das Schlechteste. Für mich ist dies erst mal eine Sache, die ich begrüße. Wenn Sozialpädagogen vor Ort sind, die sich kümmern, ist das gut für die ganze Gegend. Allerdings müssten das Haus und das Wohnumfeld noch ansprechender gestaltet werden“, findet Hawig.
Darum kümmert sich die SWB. „Im Kaufvertrag sind Umbauarbeiten vereinbart, die wir erledigen“, sagt Geschäftsführer Timmerkamp. „Das geht noch auf unsere Kosten.“ Sofern alles planmäßig läuft, sollen die Arbeiten im September fertiggestellt sein, die ISF Familienhilfe das Gebäude dann übernehmen.
Alle Kupferleitungen aus dem leerstehenden Gebäude gestohlen
Allerdings räumt Timmerkamp gewisse Unwägbarkeiten ein: „Beispielsweise hatten wir das große Pech, dass die kompletten Kupferleitungen aus dem leerstehenden Haus geklaut wurden. Alles wird erneuert, das dauert seine Zeit. Auch wir bekommen nicht immer sofort die Handwerker, die wir brauchen.“ Doch bislang sei man absolut im Zeitplan.
Hilfe für Familien, Kinder, Jugendliche
Die Interkulturelle Sozialpädagogische Familienhilfe (ISF) ist seit knapp zehn Jahren in Mülheim tätig. Sie wurde am 1. Oktober 2012 vom Diplom-Sozialarbeiter und -Sozialpädagogen Rachid Garnaoui gegründet.Das von Garnaoui geleitete Team unterstützt Familien, Kinder und Jugendliche bei vielfältigen Problemen und kooperiert, laut eigener Website, „eng mit dem Jugendamt und dem Kommunalen Sozialen Dienst“ in Mülheim.Die ISF Familienhilfe hat ihren Sitz an der Leineweberstraße in der Innenstadt. Nähere Infos auf www.isf-mh.de.
Für die ISF Familienhilfe wäre es nicht das erste Jugend-Wohnprojekt in Mülheim. Nach Auskunft des Jugendamtes hat der Träger schon in den Jahren 2015 bis 2017 sozialpädagogische Wohngemeinschaften für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge angeboten. Seinerzeit hatte SWB der Stadt Mülheim mehrere Wohnungen für geflüchtete Familien zur Verfügung gestellt. In einem Haus am Frohnhauser Weg wurde eine WG für geflüchtete Jugendliche eingerichtet, rund um die Uhr betreut von Mitarbeitenden der ISF. „Dieses Wohnprojekt verlief äußerst erfolgreich und verlässlich in der Kooperation“, sagt Jugendamtsleiterin Lydia Schallwig im Rückblick.