Mülheim. Musik, Theater und gemischte Tüten. Der Tag der Trinkhallen huldigt am 6. August der alten Ruhrgebiets-Kultur. Was die Mülheimer Buden anbieten.

Kiosk, Bude, Trinkhalle – egal wie man sie nennt, sie sind fester Bestandteil der Kultur des Ruhrgebiets. Wo sonst gibt es abends um 23 Uhr noch eine gemischte Tüte, ein loses Zigarettchen oder zwei Eier? 2021 wurden die Trinkhallen des Ruhrgebiets sogar zum immateriellen Kulturerbe erklärt.

Deshalb findet am Samstag, 6. August, bereits zum dritten Mal der Tag der Trinkhallen statt. An 50 Programm-Buden revierweit gibt es ein Gemisch aus Musik, Theater, Fußball und mehr. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Kioske, die sich mit eigenen Aktionen beteiligen. Auch in Mülheim gibt es zahlreiche Buden, die zum Stadtbild dazu gehören. Drei von ihnen sind am Tag der Trinkhallen dabei.

Mülheims Trinkhallen: Kiosk am Kaiser

Denis Atasci ist ein alter Hase im Kioskgeschäft. „Ich mache das schon seit gut 15 Jahren und hatte schon Kioske an verschiedenen Standorten in Mülheim“, erzählt Atasci. Seit 2014 betreibt er den Kiosk am Kaiser, derzeit sein einziges Geschäft. „Weil ich auch hier an der Kaiserstraße wohne“, erklärt er lachend. Atasci sieht seinen Laden wie einen Mini-Markt. „Wir haben alles Mögliche, auch Eier und Tomatenmark. Die Leute können Geld transferieren und ihre Pakete abgeben“, führt er aus, mehrere Tausend Stück seien das pro Monat.

Denis Atasci im Mülheimer Kiosk am Kaiser.
Denis Atasci im Mülheimer Kiosk am Kaiser. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

All das bewältigt Atasci mit einem weiteren Mitarbeiter. „Leider bleibt die Zeit mit der Familie auf der Strecke.“ Trotzdem gefällt ihm der Job. „Es macht Spaß, neue Gesichter zu sehen und neue Leute kennenzulernen.“ Durch die Lage in der Nähe des katholischen Krankenhauses und die langen Öffnungszeiten werden immer wieder neue Leute in den Kiosk am Kaiser gespült. „Sie kommen extra mit dem Auto aus anderen Stadtteilen, um hier abends einzukaufen.“ Obwohl er die Auswirkungen der Inflation spürt, bemüht sich Atasci um moderate Preise. „Die Leute sagen jetzt immer, ich koste nur ein paar Cent mehr als im Supermarkt.“

Öffnungszeiten: Montag bis Samstag von 7 Uhr bis 1 Uhr, Sonntag von 8 Uhr bis Mitternacht an der Kaiserstraße 55.

Tag der Trinkhallen in Mülheim: Der Kiosk am Kaiser bietet ab sieben Uhr ein kostenloses türkisches Frühstück an. „Meine Frau bereitet Börek zu – hausgemacht.“

Tag der Trinkhallen in Mülheim: Kiosk Aslaner

Die Trinkhalle an der Duisburger Straße, die Faruk Aslaner betreibt, gibt es seit mehr als 45 Jahren, so der Essener. Vor gut dreieinhalb Jahren, im Februar 2019, hat er den Laden übernommen. Seitdem stehen entweder er, seine Frau oder manchmal auch sein Bruder im Laden. „Ich wollte mich schon immer selbstständig machen“, sagt der gelernte Tischler und ehemalige Maschinenführer. Als Kioskbesitzer sieht er sich unter anderem auch als Seelsorger. „Die Leute kommen gerne hierher, um Geschichten zu erzählen.“

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Generell sei die Arbeit sehr abwechslungsreich, „aber manchmal gibt es auch Stress“. Zu Beginn der Übernahme tauchte zum Beispiel regelmäßig der Sohn eines konkurrierenden Geschäfts im Laden auf und betrieb Wirtschaftsspionage. „Er schaute sich ständig um und kaufte Kleinigkeiten. Ich wusste nicht, wer er war, bis ein Kunde es mir sagte“, erinnert sich Aslaner. Er erteilte dem Spion Hausverbot, und das reichte. Auch Diebstähle hat der Jungunternehmer mit seiner Kamera beobachten können. Doch wegen der aktuellen Renovierungsarbeiten ist im Moment nur der Thekenverkauf möglich, „so habe ich alles besser im Blick“.

Faruk Aslaner vom Kiosk Aslaner an der Duisburger Straße in Mülheim.
Faruk Aslaner vom Kiosk Aslaner an der Duisburger Straße in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Die Renovierung hatte auch Hinweise auf das Alter des Gebäudes geliefert. „Es gab Zeitungsausschnitte aus dem Jahr 1945, alle noch in altdeutscher Sprache.“

Und was ist das Beste an dem Job? „Ich mag die Unabhängigkeit. Ich kann über meine Zeit frei verfügen und bin niemandem Rechenschaft schuldig.“ Aslaner hält einen Moment inne und korrigiert sich. „Manchmal fragen mich die Kunden am nächsten Tag, warum ich eine Stunde früher zugemacht habe“, sagt er und lacht.

Die Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 9 bis 23 Uhr, an den Wochenenden von 10 bis 22 Uhr an der Duisburger Straße 194.

Tag der Trinkhallen in Mülheim: Vor dem Aslaner Kiosk werden Sitzgelegenheiten aufgebaut und es wird gegrillt. Neugierige können sich eine gratis Bratwurst im Brötchen holen.

Mülheims Trinkhallen: Büdchen 73

Mustafa Ali betreibt das Büdchen 73 seit Februar 2020, „aber den Kiosk gibt es schon seit über 40 Jahren an der Aktienstraße. Alle Leute im Viertel kennen ihn“, sagt Ali. Eine Übernahme kurz vor der Pandemie, keine einfache Zeit für eine Geschäftsgründung. Auf dem Höhepunkt der Pandemie wurden die Produkte nur über den Ladentisch verkauft. „Die Leute konnten nicht sehen, was es damals gab.“ Schade, denn neben dem klassischen Budenangebot will Ali im Büdchen 73 auch mit ausgewählten arabischen Produkten überzeugen. „Dann müssen die Leute nicht für Kleinigkeiten in den Supermarkt in der Stadt gehen.“

Mustafa Ali im Büdchen 73 an der Aktienstraße in Mülheim.
Mustafa Ali im Büdchen 73 an der Aktienstraße in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Das Mülheimer Büdchen ist seine erste Erfahrung als Geschäftsmann. „In Syrien habe ich zuletzt als Schneider gearbeitet.“ Seit Ali 2014 nach Mülheim kam, hat er sich sozial engagiert. Er arbeitete als Flüchtlingsbetreuer für das Deutsche Rote Kreuz und die Malteser, war an der Gründung von Willkommen in Mülheim beteiligt, arbeitet immer noch in Teilzeit als Übersetzer an Mülheimer Schulen und ist Teil des Integrationsrates. „Manchmal kommen Bekannte von früher zu mir an den Kiosk, wenn sie Probleme mit Formularen haben“, sagt Ali. „Jetzt wissen sie immer, wo sie mich finden.“

Mustafa Ali ist auch im Mülheimer Integrationsrat

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Heute hat er ein eigenes Geschäft, ein gutes Netzwerk und seit April dieses Jahres auch einen deutschen Pass. Alles Freiheiten, die er sich als Angehöriger der größten ethnischen Minderheit in Syrien noch vor wenigen Jahren nicht hätte vorstellen können. „Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich einmal in einem Rathaus sitzen würde.“ Und obwohl die langen Öffnungszeiten zermürbend sind, hat Mustafa Ali Gefallen an seinem neuen Job gefunden. „Viele Leute kommen nur hierher, um zu reden.“ Auch über die vielen jungen Kunden aus den umliegenden Schulen freut er sich. „Sie kaufen hier ihre Süßigkeiten und wenn sie rausgehen, sind sie glücklich“, schildert Ali.

Die Öffnungszeiten: Montag bis Freitag von 6 Uhr bis 23 Uhr, am Wochenende von 8 Uhr bis 23 Uhr an der Aktienstraße 265.

Tag der Trinkhallen in Mülheim: Im Büdchen 73 gibt es von 10 bis 22 Uhr arabische Spezialitäten, Köstlichkeiten vom Grill und kühle Getränke.