Mülheim. Kioske fahren wegen des Coronavirus Verluste von bis zu 50 Prozent ein. Homeoffice heißt: keine Schüler, Bürohengste und Malocher unterwegs.
„Kommen Sie ruhig ran, aber nur einzeln“ – Renaldo Braun von der Trinkhalle „An ne Bude“ winkt von der Malerleiter aus. Er streicht den Innenraum des Kiosk an der Aktienstraße im frischen Weiß. Rein kommt derzeit sowieso niemand – wegen Corona. Und viel ist nicht los, meint der 57-Jährige. Warum also nicht die Zeit nutzen für den Frühjahrsputz?
Die Corona-Krise – auch an Mülheimer Büdchen kennt man sie. Obwohl „An ne Bude“ schon die starke Pole-Position direkt an der Straßenbahnhaltestelle Aktienstraße hält. Nur fahren viele Kunden nicht mehr. Homeoffice heißt: keine Schüler, keine Bürohengste und Malocher, die hier ihre erste Schrippe und den Kaffee auf die Hand nehmen. Die ‘ne Cola trinken, auch das Bier. Brötchen schmieren lohnt aktuell nicht. „Zigaretten gehen immer noch“, lächelt Braun. Nur die Marge für Glimmstangen …
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50 Prozent Einbußen bei Mülheimer Kiosk wegen Corona-Krise
90 Prozent Lebensmittel verkauft Braun in der Regel. 50 Prozent Einbußen hat er deshalb gerade zu verkraften. Fünf Mitarbeiter wechseln sich auf den 35 Quadratmetern ab, davon eine feste Kraft, ansonsten Familie. Inzwischen handelt er auch kostbare Papierwaren, dreilagig. Gehamstert? „Aber klar“, raunt Braun. Die Rollen werden heiß gehandelt – aber nicht teurer als aktuell im Supermarkt, verspricht er, weil er große Mengen kauft. „Manchmal sogar billiger.“
Draußen die frische Blumendeko links und rechts vom Eingang. Graues Klebebandviereck auf dem Boden sichert den Abstand zum nächsten Kunden. Vorbereitet für den Verkauf. Es kommen noch die Älteren, die nicht am Supermarkt lange in der Menschenkette anstehen wollen. Oder können.
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Bei der Trinkhalle in Dümpten läuft das Geschäft
Im „Kiosk am Kaiser“ in der Stadtmitte ist es nicht viel anders. „Kaum was los“, heißt es. Ein Schild mit dem Hinweis „Western Union“ klebt an der Scheibe. Womit man sich etwas über Wasser hält, sind Transaktionen ins Ausland.
Dagegen scheint es im Königreich Dümpten zu brummen. „Keine Zeit zu reden, muss Waren bestellen“, winkt Inhaber Brockerhoff ab. „Die Trinkhalle“ an der Mellinghofer Straße hat offenbar alle Hände voll zu tun. Draußen aber die Warnung als holpriger Paarreim: „Husten, Schnupfen, Fieber? Bitte komme ein anderes Mal wieder.“
Wie gut es tatsächlich läuft, ist kaum zu sagen. „Die Trinkhalle“ wäre wohl auch eine Ausnahme. „Weil die Leute nicht rausgehen“, stellt Thomas Kähler ernüchtert fest. Draußen am Broicher „Nachtkiosk“ mit seinen charakteristischen Bögen prangt deshalb kein blumiger Reim sondern klare Worte: „Auf Grund völlig bescheuerter Reaktion auf bestimmte Viren bitten wir Sie trotzdem einen Abstand von ca. 75 Zentimeter zur Luke zu halten.“
Auch Mülheimer Nachtkiosk von Einbußen betroffen
30 bis 50 Prozent weniger Umsatz hat auch das Nachtkiosk an der Duisburger Straße, selbst wenn es mit Öffnungszeiten bis 1 Uhr ein dickes Pfund bietet für alle, die es nicht bis 22 Uhr in den Supermarkt geschafft haben. Von April bis September ist hier normalerweise Hochsaison. Nur bleiben in Virenzeiten auch die Nachtschwärmer weg.
„Ich kaufe aber bewusst hier ein“, meint eine „Bude-istin“, die kurz mit dem Wagen stoppt. Zigaretten, Brötchen, Zeitung, Eis – gäbe es auch im Lebensmittelladen, „aber ich will bewusst das Kiosk unterstützen. Das ist einfach Kindheitserinnerung.“ Solidarität ist immer persönlich.