Mülheim. Zehn Minuten Verspätung – Geld zurück. So lautet das Pünktlichkeitsversprechen der Ruhrbahn in Mülheim. Doch nun ist es auf Eis gelegt. Warum?

Die Mitteilung auf der Internetseite der Ruhrbahn ist kurz: „Das Pünktlichkeitsversprechen ist bis auf Weiteres ausgesetzt.“ Die Folgen aber sind weitreichend: Kunden des Mülheimer Verkehrsunternehmens können bei Verspätungen von mehr als zehn Minuten derzeit ihren Ticketpreis nicht erstattet bekommen. Verständlich? Mancher ärgert sich – allerdings mehr über den Ton als über die Sache selbst.

Zehn Minuten Verspätung – Geld zurück: So lautet das Versprechen, das einige Verkehrsbetriebe im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) seit einigen Jahren abgegeben haben. Als freiwillige Kulanz. Die Fahrpreiserstattung kann man über ein Online-Portal, bei einigen Betrieben sogar per Telefon oder am Kundencenter innerhalb von drei Monaten abwickeln.

Einige Verkehrsunternehmen halten noch am Pünktlichkeitsversprechen fest

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Diese Garantie geben auch weiterhin Verkehrsunternehmen in anderen Ruhrgebietsstädten wie Oberhausen, Bochum, Gelsenkirchen, Herne, Castrop-Rauxel und Dortmund. In Mülheim und Essen hingegen gilt sie nicht mehr. Die Gründe?

„Die Ruhrbahn nennt offiziell keine Gründe und auch keinen Zeitraum“, fühlt sich Kunde Berthold K. kundenunfreundlich abgespeist. „Man könnte als Nutzer ja vieles verstehen: Personalmangel, Corona, mangelnde Wirtschaftlichkeit wegen des 9-Euro-Tickets. Ist dies das klammheimliche Eingeständnis, dass man einen pünktlichen Betrieb nicht mehr gewährleisten kann?“

Mit einer Vermutung liegt der Kunde zumindest nicht falsch: „Die Ruhrbahn hat zum Verkaufsstart des 9-Euro-Tickets entschieden, das Pünktlichkeitsversprechen aufgrund des erhöhten Aufwands während der Phase auszusetzen“, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit.

Pünktlichkeit der Ruhrbahn in Mülheim lag im Halbjahr bei 80 Prozent

Immer wieder ist die Pünktlichkeit von Bus und Bahn ein Thema in der Stadt. Dass die Ruhrbahn jedoch über die Maßen unpünktlich geworden sei, weist diese deutlich zurück: „Die Gesamtpünktlichkeit über alle Verkehrsmittel Bus, Tram und U-Bahn liegt für die Monate Januar bis Mai 2022 bei 80 Prozent“, heißt es. Damit erfülle man die Zielvorgaben der Stadt Mülheim gemäß den Qualitätsvereinbarungen im Rahmen des Nahverkehrsplans.

Allerdings sei die Pünktlichkeit wegen der oftmals gemeinsamen Nutzung der Straßen mit dem Autoverkehr auch abhängig von den Verkehrsbehinderungen. Baustellen und Umleitungen wirkten sich direkt auf die Pünktlichkeit aus.

Verspätungen von mehr als 15 Minuten sollen eine große Ausnahme sein

Die eigene Pünktlichkeitsstatistik zeichnet Verspätungen ab drei Minuten bis zu 15 Minuten auf. Auffällig unpünktlich seien aber keine bestimmten Linien, so die Ruhrbahn. Verspätungen, die länger als 15 Minuten dauern, werden in einer Verfügbarkeitsstatistik ausgewertet. Die Verfügbarkeit habe in den Monaten Januar bis Mai 2022 rund 99 Prozent betragen. Demnach soll sich nur äußerst selten ein Bus oder eine Bahn länger als 15 Minuten verspätet haben.

Auch der Vorsitzende des Mülheimer Mobilitätsausschusses Timo Spors (Die Grünen) sieht bei der Pünktlichkeit aktuell wenig Grund für Beschwerden und „eine Verschlechterung in den vergangenen Monaten kann ich nicht erkennen“. Auch in anderen Städten sind Qualitätsvereinbarungen mit Spielraum, zum Beispiel bei der Pünktlichkeit wie in Mülheim, durchaus üblich.

Unpünktliche Busse und Bahnen? Welche Möglichkeit Kunden noch haben

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Können die Kunden im Nahverkehr bei Verspätungen also keinerlei Kulanz mehr erwarten, so lange das 9-Euro-Ticket gilt? Nicht ganz.

Denn nach wie vor gilt die Mobilitätsgarantie im Verkehrsverbund – und damit auch bei der Ruhrbahn. Allerdings greift die erst, wenn sich die Abfahrt einer Bus- oder Bahnlinie um 20 Minuten verspätet. Der Kunde kann in diesem Fall einen Fernverkehrszug (IC/EC/ICE), ein Taxi oder ein Sharing-Angebot, etwa für einen On-Demand-Verkehr, ein Auto, Fahrrad oder einen Tretroller beanspruchen. Jedoch nicht immer muss das die Kosten für ein Taxi oder Sharing-Angebot decken: Pro Person werden tagsüber bis zu 30 Euro, nachts ab 20 Uhr bis zu 60 Euro erstattet.