Mülheim. Vom Ehrenamt, durch den NS-Widerstand bis hin zur Stadtspitze: Heinrich Thöne und Max Kölges einte ein bewegtes Leben – über die Arbeit hinaus.

Sicher sind Sie schon mal über die Max-Kölges-Straße gegangen, haben die Heinrich-Thöne-Volkshochschule besucht oder sind mit der „Heinrich Thöne“ der Weißen Flotte über die Ruhr gefahren. Es lohnt sich, den Oberbürgermeister Heinrich Thöne und den Bürgermeister Max Kölges gemeinsam zu betrachten. Beide waren Teil einer Generation, die zwei Weltkriege, eine Revolution, eine Hyperinflation, eine Weltwirtschaftskrise und eine Diktatur überleben mussten.

Nachrichten aus Mülheim – lesen Sie auch:

Max Kölges wurde 1880 geboren.
Max Kölges wurde 1880 geboren. © WAZ | Stadtarchiv

Der 1890 geborene Sozialdemokrat Thöne und der 1880 geborene Christdemokrat Kölges ließen sich als ehrenamtliche Kommunalpolitiker während der Nachkriegszeit in die Pflicht, um die moralischen und materiellen Kriegsfolgen zu überwinden. Weil sie auch in der Zeit der Not, die auch ihre eigene war, Politik mit und für ihre Mitbürger machten, wurde ihnen Anfang der 1960er Jahre mit der Ehrenbürgerschaft gedankt.

Um 1900 kamen der Niederrheiner Kölges und der Münsterländer Thöne an die Ruhr, um als Friseurmeister und als Metallarbeiter in der Friedrich-Wilhelm-Hütte zu arbeiten und den Lebensunterhalt für ihre Familien zu verdienen. Kölges war Vater von neun Kindern. Er und Heinrich Thöne hatten einen wachen Geist und einen scharfen Blick für die sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse und Unebenheiten der Gesellschaft, die sie als Zeitgenossen nicht nur erlebten, sondern zum Besseren verändern wollten. Deshalb engagierten sich beide kommunal und sozialpolitisch: Max Kölges als Zentrums- und CDU-Stadtverordneter, als Kreishandwerksmeister, Landtagsabgeordneter und als Vorstand der Handwerkskammer; Heinrich Thöne als Gewerkschafter, SPD-Stadtverordneter und Direktor der Allgemeinen Ortskrankenkasse. Kölges gründete in den wirtschaftlich schwierigen 1920er Jahren handwerkliche Selbsthilfeorganisationen, zu denen Sozialversicherungen, eine Einkaufsgenossenschaft, ein Erholungsheim und auch das 1925 errichtete Haus der Kreishandwerkerschaft an der Zunftmeisterstraße zählen.

Als Ratsherrn verweigerten Thöne und Kölges 1933 den Nationalsozialisten die Gefolgschaft. Beide lehnten eine Vorlage der NSDAP ab, wonach jüdische Unternehmer von städtischen Aufträgen ausgeschlossen werden sollten. Beide verweigerten auch ihre Zustimmung zur Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Reichspräsident Paul von Hindenburg und an den von ihm zum Reichskanzler ernannten Adolf Hitler. Repressalien und eine Boykott-Kampagne, die in ein existenzgefährdendes Berufsverbot und zwischenzeitlich sogar in eine Haft mündeten, waren der hohe Preis, den die Demokraten Thöne und Kölges in den 1930er Jahren zu bezahlen hatten.

Berühmte Mülheimer – weitere Teile unserer Serie:

Kölges musste seine Familie als Hypotheken- und Grundstücksmakler durchbringen. Thöne hielt seine Familie als Gastwirt und Fuhrunternehmer über Wasser. Es spricht für die Persönlichkeit und die Charakterstärke der beiden Mülheimer, dass sie die Drangsal der NS-Zeit und die überwältigende Not der ersten Nachkriegsjahre überstanden. Beide erlebten den Einmarsch amerikanischer Truppen am 11. April 1945 und wurden als Mitglieder der von der britischen Militärregierung ernannten Stadtvertretung schon früh zurate gezogen und ab 1946 von ihren Mitbürgern immer wieder ins Stadtparlament gewählt. Beide Kommunalpolitiker hielten stets die Stadtgesellschaft und ihren Bedarf an Wohnraum, Arbeit, Freizeit, Pflege und Kultur generationsübergreifend und ganzheitlich im Blick.

Sein Lebensmut, frei nach Katharina von Siena, wonach „nicht das Beginnen, sondern das Durchhalten belohnt wird“, wurde Thöne in der Zeit nach 1945 mit der vollständigen gesellschaftlichen und politischen Rehabilitation gedankt. Beide Männer durften noch bis Ende der 1960er Jahre eine aktive und gestaltende Rolle im Leben ihrer wieder aufgebauten und wohlhabenden Heimatstadt spielen, getragen von der generationsübergreifenden Anerkennung und Zuneigung ihrer Mitbürger. Der Oberbürgermeister und Oberstadtdirektor brachte seine Haltung auf den Punkt, als er 1969 feststellte: „Viele haben ihre Sorgen als die Seinigen gewusst.“

Landesinnenminister Willi Weyer verlieh Heinrich Thöne 1966 das Bundesverdienstkreuz.
Landesinnenminister Willi Weyer verlieh Heinrich Thöne 1966 das Bundesverdienstkreuz. © Stadtarchiv

Als sich Heinrich Thöne und Max Kölges 1971 und 1973 von dieser Welt verabschieden mussten, konnten sie in dem Bewusstsein gehen, eine Stadt zu hinterlassen, die vom Krieg gezeichnet blieb, aber einen wirtschaftlichen Wohlstand, eine soziale Stabilität und eine kulturelle Vielfalt gewonnen hatte, von der die Mülheimer 1945 nicht zu träumen gewagt hätten.

>>> Reden und Nachrufe

  • In seiner Antrittsrede als ehrenamtlicher Oberbürgermeister sagte Heinrich Thöne am 18. November 1948: „Jeder Bürger unserer Stadtgemeinde, ob niedrig oder hoch, hat das Anrecht, von den Dienststellen der Verwaltung anständig und zuvorkommend behandelt zu werden.“ Bei seinem Abschied aus dem Rat sagte Thöne 1969: „Ich habe erlebt, dass nur in einem vernünftigen Miteinander, Nebeneinander und Füreinander wirklich Großes zu erreichen ist. Man darf dem politischen Gegner deshalb nie feind sein!“
  • Als Vorsitzender der CDU-Fraktion sagte Max Kölges in der konstituierenden Sitzung des am 13. Oktober 1946 gewählten ersten Nachkriegs-Stadtrates am 4. November 1946: „Ich kann Ihnen sagen, dass das Ergebnis der Wahl mich mit neuer Hoffnung und mit einem neuen Willen erfüllt hat. Denn es hat eine klare Linie gezeigt, abseits von allem Radikalismus. Wir sind mit dem Ergebnis der Wahl zufrieden. Denn sie hat uns auch gezeigt, dass das, was wir wollen, Verständnis und Vertrauen bei einem großen Teil der Bevölkerung gefunden hat.“
  • Im Nachruf auf Max Kölges hieß es im Januar 1973 in dieser Zeitung: „Dem Wohl des Volkes der Stadt und den Mülheimer Bürgern zu dienen, das war das Ziel des Mannes, der über sechs Jahrzehnte im Dienst des öffentlichen Lebens stand. Angesichts seines hohen Alters, seines Erfolges im Beruf, in öffentlichen Ämtern und Aufgaben kann bei ihm wahrhaft von einem erfüllten Leben gesprochen werden.“