Mülheim. Das Restaurant „Am Kamin“ in Mülheim-Styrum gehört wieder Familie Ivanović. Der frühere Wirt starb an Corona. Seine Frau will das Lokal retten.

Es waren sparsame, sachliche Zeilen, mit denen sich die Styrumer Wirtin auf Facebook zurückmeldete. „Ab dem 07.04.22 wird unser Familienbetrieb von Cvjetko Ivanović wieder wie gewohnt von Slavica und Stevo Ivanović weitergeführt.“ Man muss die Vorgeschichte kennen, um zu ermessen, welches Unglück sich hinter dieser Nachricht verbirgt.

Es geht um das Restaurant „Am Kamin“ an der Oberhausener Straße in Styrum. Ein schlichtes Backsteinhaus mit blendend weißen Türen. Der Eingang zur Terrasse liegt gleich daneben: ein gebogenes Schild über dem Tor, Tische unter ausladenden Schirmen, Geranienkästen. Hier brettert die Straßenbahn direkt vor der Tür entlang, hier produziert der Durchgangsverkehr Dauergeräusche im Biergarten, hier kann man mitten im Stadtteil auf ein Bier oder einen Pfefferspieß einkehren. Hier stand Slavica Ivanović schon früher viele Jahre in der Küche – und ihr Ehemann Cvjetko als Chef hinter der Theke.

Mülheimer Gastronom zog sich zurück und starb wenig später an Corona

Jetzt erinnert an ihn nur noch ein großformatiges Foto in der Gaststube. Seine 49-jährige Frau ist Witwe – und Wirtin. Wohl oder übel, nahezu alleine. „Ich weiß nicht, wie lange ich das durchhalte“, sagt Slavica Ivanović nach den ersten beiden Monaten ihrer Rückkehr ins Gastro-Geschäft.

Rund 16 Jahre lang habe sie das Restaurant gemeinsam mit Cvjetko geführt. Im vergangenen Herbst hätten sie sich zurückgezogen – ihr Mann schon mit Blick auf den Ruhestand, er ist bereits 65. Das Paar mit Wurzeln in Bosnien-Herzegowina verpachtete das Lokal, behielt aber das Haus an der Oberhausener Straße, in dem die Familie auch wohnt. „Am 7. Dezember ist mein Mann dann an Corona gestorben“, sagt Slavica Ivanović. Pläne für gemeinsame, ruhigere Jahre waren hinfällig.

Slavica Ivanović im Biergarten ihres Restaurants „Am Kamin
Slavica Ivanović im Biergarten ihres Restaurants „Am Kamin", der etwa 50 Plätze bietet. Die Gastronomin selber kommt momentan selten zum Ausruhen und Durchatmen. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Auch aus einem anderen Grund: Die neuen Betreiber hätten das Lokal „völlig heruntergewirtschaftet“, klagt die Gastronomin. Sie selber wohnten ja nur eine Etage höher. „Wir haben gesehen, dass es nicht gut läuft.“ Sie hätten auch Leute auf der Straße getroffen, ehemalige Stammgäste, die gesagt hätten, sie gingen nicht mehr hin. Darüber hinaus seien die Nachfolger „Am Kamin“ auch Mietzahlungen schuldig geblieben, sagt jedenfalls Slavica Ivanović und deutet verschiedene unschöne Vorfälle an. Wie auch immer. „Ich habe einen Aufhebungsvertrag gemacht.“

Sohn Stevo (22) neben der Ausbildung im Familienbetrieb

Sie wagte die Neueröffnung, ermutigt von Freunden, die sagten: „Mach das“, von treuen Gästen, die meinten: „Wir brauchen Sie hier.“ Obwohl Slavica Ivanović die Mühen dieser Branche kennt, die ausufernden Arbeitszeiten. Obwohl ihr klar ist: „Eigentlich kann ich das Restaurant alleine gar nicht führen.“ Seit zwei Monaten versucht sie es, unterstützt von einer Mitarbeiterin und ihrem 22-jährigen Sohn Stevo, der in der Ausbildung zum Industriemechaniker steht.

Auch interessant

Die Ankündigung der Wiedereröffnung auf Facebook wurde lebhaft begrüßt. „Wir freuen uns auf die Cevapcici.“ Doch die muss erst mal jemand zubereiten, ebenso wie das Zanderfilet, den Spieß „Styrum“, die Weinbergschnecken, die „original argentinischen Steaks“ vom Lavasteingrill. Jemand muss Bier zapfen, frühmorgens zum Großmarkt fahren, die Räume putzen.

Styrumer Wirtin: „Ich weiß nicht, wie lange meine Kraft reicht“

Innen sind rund 40 Plätze zu bewirtschaften, im Biergarten rund 50 Plätze. Slavica Ivanović hat neue Barhocker gekauft und aufgestellt („für die Styrumer, die hier nur ein Bierchen trinken wollen“), hat die Öffnungszeiten zurückgefahren. Früher ging es „Am Kamin“ schon mittags los, jetzt öffnet sie erst um 16 Uhr. Ausgenommen sind Sonn- und Feiertage, da stemmt die Wirtin schon das Mittagsgeschäft, ab 11.30 Uhr.

Toplokal trägt den selben Namen

Noch ein weiteres Restaurant in Mülheim trägt den Namen „Am Kamin“: das Feinschmeckerlokal von Gastronomin Heike Nöthel-Stöckmann am Striepensweg 62 in Winkhausen.

Das Team um Küchenchef Hans Robert Lange Rodriguez hofft auf seinen ersten Michelin-Stern. Vor rund zwei Jahren musste das Restaurant seinen Stern abgeben.

Gelegentlich gebe es Verwechslungen, berichtet Slavica Ivanović, Chefin des bodenständigen Styrumer Lokals „Am Kamin“.

Sie nimmt’s mit Humor: „Wenn Leute anrufen und fragen: ,Sind Sie das Sterne-Restaurant?’, sage ich: ,Wir sind besser.’“

Sie schuftet, aber sie sucht dringend Personal, eine festangestellte, zuverlässige Kraft. „Ich weiß nicht, wie lange meine Kraft reicht“, sagt die 49-Jährige. „Wenn ich niemanden finde, muss ich zumachen.“