Mülheim. Ein Problemhaus an der Feldstraße in Mülheim stört die Nachbarn schon lange. Jetzt gab es dort eine Razzia. Das Ergebnis wird nicht alle freuen.
Es wurde als Nacht-und-Nebel-Aktion durchgezogen. Am frühen Mittwochmorgen haben Einsatzkräfte des Mülheimer Ordnungsamtes mit Unterstützung der Polizei ein Haus an der Feldstraße in Styrum kontrolliert. Speziell ging es um die Zustände in einer Wohnung.
Mülheimer Ordnungsamt vermutet, dass eine Wohnung als Massenunterkunft dient
Das Ordnungsamt hat den Verdacht, dass die Wohnung auf illegale Weise überbelegt ist, dass sie als Massenunterkunft für Arbeiter genutzt wird, die möglicherweise nicht gemeldet sind. Beim Einsatz seien auch Mitarbeitende der Ausländerbehörde dabei gewesen, berichtet Ordnungsamtsleiterin Kerstin Kunadt. Die Bewohner sollten überrascht werden, ehe sie zu ihren Arbeitsstellen fahren.
Sechs Männer wurden angetroffen, die alle aus südosteuropäischen Ländern stammen, ausnahmslos EU-Staaten. Kerstin Kunadt sagt: „Unser Verdacht hat sich erst einmal nicht bestätigt.“ Drei Personen würden noch näher überprüft.
Stadt hat momentan keine Handhabe gegen das vergammelte Haus
Die Wohnungen im Haus gehören unterschiedlichen Personen – es läuft als Eigentümergemeinschaft. Teilweise sind dort ausländische Arbeiter untergebracht. „Das ist ein Geschäftsmodell“, erläutert die Leiterin des Ordnungsamtes, doch nicht per se illegal. „Natürlich können EU-Bürger nach Deutschland kommen und hier arbeiten.“ Gegen das äußerlich vergammelte Haus sieht die Stadt vorerst keine Handhabe. Die baurechtlichen Voraussetzungen, um es als Schrottimmobilie sofort zu räumen, lägen nicht vor.
Einen solchen Großeinsatz gab es vor rund zwei Jahren direkt an der Ecke, an der Oberhausener Straße 188. Ob Bewohner aus diesem geräumten Gebäude damals in das Haus an der Feldstraße gezogen sind, kann die Stadt nicht sagen. Einige Anwohner vermuten dies, und sie werden mit dem Ergebnis der frühmorgendlichen Razzia sicher nicht zufrieden sein.
Nachbarn beschweren sich schon lange über Lärm und Müll
Allen voran Michael B. Der 59-Jährige besitzt ein Eigenheim an der Moltkestraße und macht seit Jahren mobil gegen die Zustände in seiner Nachbarschaft. Auf das Problemhaus an der Feldstraße blickt er aus seinem Garten, er berichtet über Krach zu jeder Tages- und Nachtzeit, der aus offenen Fenstern dringt, er fotografiert Müll, der sich vor dem Eingang stapelt. Acht Klingelschilder gibt es neben der aufgerissenen Haustür, auf einige sind Namen gekritzelt.
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Kürzlich hat B. einen Rundgang durch das Viertel organisiert, um Missstände aufzuzeigen und kritische Stimmen zu sammeln. Drei Nachbarn haben sich angeschlossen, allesamt Hausbesitzer, zwei von ihnen mit Migrationshintergrund. Alle betonen: Es geht nicht nur um dieses eine Haus. „Laufen Sie mal herum – hier liegt überall Müll.“
Gerhard P., Eigentümer eines Hauses an der Moltkestraße, beschwert sich über die Mieter nebenan. Aus den Fenstern werde Abfall und Glas auf sein Grundstück geworfen. Erhan A. gehört ein Mietshaus an der Feldstraße, er beklagt sich über Müll vor der Tür und ständigen Lärm: „Wenn ich von der Nachtschicht nach Hause komme, kann ich nicht schlafen.“ Die Anwohner sorgen sich auch um die Oberhausener Straße, „die verkommt“, um Kinder, die in chaotischen Verhältnissen aufwüchsen. „Keiner weiß, wie viele Familien hier wohnen.“
Anwohner fürchtet: „Styrum ist auf dem Weg, die Bronx von Mülheim zu werden“
Michael B. hat sich bereits im Sommer 2020 an den Bezirksbürgermeister für Styrum und Dümpten gewandt, SPD-Mann Heinz-Werner Czeczatka-Simon, der explizit als „Kümmerer“ für seinen Bereich auftritt. Im Zuge des Mülheimer OB-Wahlkampfes klinkte sich der Hauseigentümer auch bei einem Stadtteilrundgang mit SPD-Kandidatin Monika Griefahn ein, um die politischen Akteure auf wunde Punkte hinzuweisen, die ihn umtreiben: Abstieg der Oberhausener Straße und ihrer Nebenstraßen, Lärm, Schmutz, „Verwahrlosung ganzer Häuser“, Wettbuden in Nähe der Gesamtschule. Und generell: ungleiche Verteilung von Sozialwohnungen und sozial benachteiligten Menschen über das Stadtgebiet.
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„Wenn nicht zeitnah umgesteuert wird, ist Styrum auf dem Weg, die Bronx von Mülheim zu werden“, so schimpfte Michael B. Anfang August 2020 in einer Mail an bekannte Mülheimer SDP-Vertreter. Einen Monat später hakte er nach. Czeczatka-Simon antwortete, er habe das Ordnungsamt informiert. Dort würde geprüft, was im Problemhaus an der Feldstraße unternommen werden kann. Danach hat der Bürger nichts mehr gehört.
Bezirksbürgermeister: „Ich verstehe die Anwohner in Styrum, aber...“
Nun, nach der Razzia, erklärt Czeczatka-Simon auf Anfrage: „Ich verstehe die Anwohner in Styrum, aber wir sind zum Glück in einem Rechtsstaat und brauchen eine objektive Grundlage, um einzugreifen.“ Wohnung und Privatsphäre seien laut Grundgesetz ein hohes Gut, „es gibt hohe gesetzliche Hürden, ehe Behörden in Immobilien reingehen können“.
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„Für den Bezirksbürgermeister stellt sich eher folgende Frage: „Wie können wir Menschen erreichen, die andere Werte und Regeln kennen, als wir sie hier pflegen? Denen Wohnverhältnisse, die wir als schlecht empfinden, fast als luxuriös erscheinen?“ Hier prallen Welten aufeinander, meint Czeczatka-Simon und beobachtet, dass sich ähnliche Konflikte auch andernorts in der Stadt aufschaukeln.
„Der Integrationsprozess geschieht oft erst über Generationen“, ergänzt der Bezirksbürgermeister und verweist auf vielversprechende Projekte, beispielsweise betreute Angebote für Kinder im Sportpark Styrum. Auch das lange überfällige Integrierte Handlungskonzept für Styrum könnte neue Lösungsansätze bringen, um das Miteinander zu verbessern – „aber es hängt leider in der Verwaltung fest“. Czeczatka-Simon verspricht erneut: „Wir arbeiten dran.“ Mit Michael B. und anderen Verärgerten werde er persönlich sprechen.