Mülheim. Ab in die Mitte! Im Untergeschoss des Forum Mülheim plant der SVLS ein neues Jugendzentrum plus Beratungsstelle. Doch noch fehlen 95.600 Euro.

„Out of the closet!“ So sind die neuesten Nachrichten des Mülheimer Vereins SVLS überschrieben. Der englische Begriff bezeichnet das Outing von Menschen, die sich zu ihrer sexuellen Identität offen bekennen. Auch den SVLS drängt es noch stärker in die Öffentlichkeit, er verlegt sein Zentrum von der Altstadt in die Mülheimer City: ins Forum-Gebäude. Zentraler geht es in der Stadt kaum.

Mit dem geplanten Umzug will der SVLS auch ein Signal setzen: „Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans- und Inter-Personen haben einen Platz in der Mitte der Gesellschaft“, sagt Torsten Schrodt, Vorstand und Geschäftsführer des SVLS. Die Regenbogen-Community (abgekürzt: LSBT*I*) setzt auf verstärkte Sichtbarkeit und Akzeptanz. Geplant ist daher, laut Projektskizze, „ein zentrales, sichtbares, engagiertes und buntes Jugend-, Kultur-, Beratungs- und Begegnungszentrum“, auch für Familien, Freundinnen und Freunde.

Neues Zentrum des Mülheimer SVLS entsteht am Hans-Böckler-Platz

Seit rund acht Jahren befindet sich der Jugendtreff des Vereins, „together“, in einem früheren Ladenlokal an der Teinerstraße. Gerade mal 65 qm stehen dort zur Verfügung. Anlaufstelle für Erwachsene ist die Lebenslust-Beratungsstelle, sie sitzt in der vierte Etage eines Ärztehauses an der Friedrichstraße. Beide LSBT*I*-Zentren sollen jetzt auf rund 330 qm Fläche zusammengeführt werden, jedoch mit zwei getrennten Eingängen für Jugendliche und Erwachsene.

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Das neue Zentrum wird nur von der Straße aus erreichbar sein (Hans-Böckler-Platz), der Weg dorthin führt nicht durch das Einkaufszentrum, das bald auch Gesundheitscenter werden soll. Ein Zugang von innen wäre auch „ungünstig, wegen der Schließzeiten des Forums“, erläutert Torsten Schrodt, und weil es sich abends in eine „tote Mall“ verwandele. Die Nähe zum Hauptbahnhof findet der SVLS dagegen perfekt. Beim aufwendigen Umbau der Räume solle großer Wert auf Barrierefreiheit gelegt werden, sagt Schrodt, „dadurch möchten wir auch neue Zielgruppen erreichen“. Generationenübergreifend soll das Zentrum werden.

Schrodt: Vor allem Jugendliche erleben im Alltag noch Anfeindungen

Dabei begibt sich der SVLS auf eine Gratwanderung. Denn seine Anlaufstellen und Angebote haben - das wird in Schilderungen der Aktiven deutlich - ihre Funktion als schützende Räume auch im Jahr 2022 noch nicht verloren. Speziell Jugendliche müssten im Alltag oft noch Feindseligkeiten oder Mobbing fürchten, sagt Schrodt: „Wenn ich höre, was sie teilweise an Ausgrenzung erleben, etwa in der Schule, fühle ich mich an meine eigene Jugend erinnert.“

Viele junge Leute, aus dem gesamten Ruhrgebiet, träfen dann im „together“ zum ersten Mal bewusst Menschen, die ähnlich fühlen wie sie. Wenn ihr Treffpunkt jetzt mitten in der City liegt, „besteht natürlich weiterhin die Sorge vor Anfeindungen“, schreibt der SVLS. „Wir glauben allerdings: Es ist an der Zeit. Wir hoffen, dass höhere Sichtbarkeit sich auch auf wachsende Akzeptanz auswirkt.“ Daher sollen die neuen Räume künftig auch anderen Gruppen und Initiativen zur Verfügung stehen.

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Allerdings müssen die rund 330 Quadratmeter komplett saniert werden, der SVLS rechnet dafür („selbst bei ehrenamtlichem Einsatz und sehr wirtschaftlicher Mittelverwendung“) mit Gesamtkosten von rund 241.600 Euro. Das sei „ein Wagnis“ für den kleinen Verein. Durch bisherige Zusagen und eigene Mittel seien bereits 146.000 Euro gedeckt. Die Vermieter, bei denen es sich übrigens nicht um die Eigentümer des Forums handelt, seien ihnen sehr entgegengekommen, berichtet Schrodt

Finanzierungslücke von 95.600 Euro - Verein hofft auf Spenden

Außerdem erhöht sich der jährliche Betriebskostenzuschuss der Stadt Mülheim für die Jugendeinrichtung „together“. Sie wurde 2021 laut Schrodt mit 160.093 Euro gefördert - Bemessungsgrundlage sind die förderfähigen Gesamtkosten, insbesondere Miete und Nebenkosten, die sich durch die räumliche Vergrößerung des Zentrums (rund 240 qm allein für die Jugendeinrichtung) bald deutlich erhöhen. Bleibt eine Finanzierungslücke von rund 95.600 Euro, für die der SVLS nun auf Spendengelder hofft.

Verein besteht seit 1998

Der gemeinnützige Verein SVLS e.V. hat sich 1998 in Mülheim gegründet - aus einer Beratungsinitiative, einer Jugendgruppe und einem Präventionsprojekt, wie es auf der Website heißt.

Seit mehr als 20 Jahren wird er durch die Stadt Mülheim gefördert, seit rund zehn Jahren ist er verstärkt auch Anlaufstelle nicht nur für Schwule, Lesben und Bisexuelle, sondern auch für Trans- und Interpersonen.

Unter dem Dach des SVLS läuft außerdem die landesweite Fachberatungsstelle für sexuelle Vielfalt und Jugendarbeit, „gerne anders“. Die komplette Verwaltung zieht in Kürze ebenfalls um, allerdings nicht ins Forum, sondern gleich gegenüber ins Haus Eppinghofer Straße 1-3.

Kontakt und ausführliche weitere Infos gibt es im Netz auf www.svls.de.

Das Projekt sei in trockenen Tüchern, versichert Schrodt. Vom verfügbaren Geld hänge aber ab, welche Ausstattung machbar sei, auch welches Maß an Barrierefreiheit. Schon Anfang Juli sollen die Umbauarbeiten beginnen, und dann hofft die Mülheimer Regenbogen-Community, dass sie zum Jahresende ihr neues Zentrum mit Leben füllen kann.