Mülheim. Eine Mülheimerin (17) wird von einer Ex-Mitschülerin angegriffen. Jugendliche helfen, es gibt Verletzte. Höhepunkt einer langen Feindschaft?
Eine jahrelange Feindschaft zwischen zwei Mädchen, fortgesetzte Attacken der einen gegen die andere, sind am Sonntagabend in Mülheim-Dümpten offenbar eskaliert. Eine 17-Jährige wurde an der Bushaltestelle Sellerbeckstraße angegriffen und verletzt.
Ihre Mutter meldete sich wenig später in einer Mülheimer Facebook-Gruppe und dankte von ganzem Herzen den Ersthelfern, die ihrer Tochter beigestanden hätten, als sie angegriffen wurde, als sie bewusstlos wurde. Die selber bei der Attacke verletzt worden seien.
Mülheimer Mutter schildert die Vorgeschichte – jahrelanges Mobbing
Was war geschehen? Im Gespräch mit dieser Redaktion schildert die Mutter, die anonym bleiben möchte, den Vorfall als aggressiven Höhepunkt einer langen Geschichte, bei dem ihre Tochter – 17 Jahre – auf eine Provokation einging und unterlag. Die Angreiferin, auch erst 18, sei eine ehemalige Mitschülerin von der Gustav-Heinemann-Gesamtschule. Die Mädchen hätten früher dieselbe Klasse besucht.
Auch interessant
Die Ältere habe ihre Tochter gemobbt, „ihr das Leben zur Hölle gemacht“, berichtet die Mülheimerin, und vor zwei, drei Jahren auch schon einmal körperlich angegriffen. „Damals habe ich nach einem Gespräch mit den Eltern von einer Anzeige abgesehen – unter der Voraussetzung, dass Ruhe ist.“ Die relative Ruhe zwischen den beiden Teenagern habe dann in „schiefen Blicken“ bestanden, fiesen Nachrichten und Beleidigungen, physische Gewalt habe es aber nicht gegeben. „Sie hat meine Tochter aber auch nie alleine getroffen, immer nur in Begleitung einer Freundin.“
Bis zum Sonntagabend. Ihre Tochter sei unterwegs gewesen und um 22 Uhr am Mülheimer Hauptbahnhof in den Bus Nr. 124 gestiegen, um nach Hause zu fahren, nach Dümpten. Den Bus nehme sie häufig, so die Mutter, sei dann regelmäßig um kurz vor halb elf daheim. Dieses Mal nicht. Denn besagtes Mädchen stand ebenfalls am Bahnhof, stieg ein.
„Schlampe, steig aus, wenn du mutig bist!“
Ihre Tochter habe sich schon bewusst auf einen der vorderen Plätze gesetzt, berichtet die Mutter, nahe beim Fahrer. Die 18-Jährige sei an der Sellerbeckstraße ausgestiegen, habe an die Fensterscheibe des Busses geklopft und in etwa gesagt: „,Schlampe, steig aus, wenn du mutig bist!’ Das hat meine Tochter dann leider getan ...“
Auch interessant
Direkt an der Haltestelle sei die 17-Jährige attackiert worden, an den Haaren gerissen, sie habe das Bewusstsein verloren, nachdem die ehemalige Mitschülerin ihr Reizgas direkt ins Gesicht sprühte. Als sie auf dem Boden lag, habe die Angreiferin zugetreten, mehrfach. Ein Arzt habe später Blutergüsse, Schwellungen, Prellungen am ganzen Körper diagnostiziert, berichtet die Mutter, auch Rippenprellungen, und der Arzt habe gesagt: „Sie können froh sein, dass nichts gebrochen ist.“
Polizei bestätigt Auseinandersetzung zwischen Jugendlichen an der Haltestelle
Die Polizei bestätigt, dass sie am Sonntagabend an der Dümptener Bushaltestelle im Einsatz war, wegen einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen Jugendlichen: Eine 18-Jährige habe gegen eine 17-Jährige Tierabwehrspray eingesetzt, dabei seien beide verletzt worden. Und dann, so eine Polizeisprecherin weiter, seien zwei andere Mädchen (14 bzw. 17 Jahre alt) eingeschritten, „um die beiden jungen Mädchen voneinander zu trennen. Als sie zur Hilfe eilten, wurden auch sie durch den Reizstoff verletzt.“
Mehr Gewaltkriminalität in Mülheim
Laut polizeilicher Kriminalitätsstatistik ist die Zahl der Gewaltdelikte in Mülheim 2021 gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen: um 38 Fälle, das entspricht rund 11,6 Prozent.
Von insgesamt 369 Tatverdächtigen waren 102 Personen (gut 27 Prozent) jünger als 21 Jahre. Insgesamt knapp ein Fünftel der Tatverdächtigen war weiblich.
Unter den Opfern von Gewaltkriminalität in Mülheim waren im vergangenen Jahr 111 Kinder, Jugendliche oder Heranwachsense (gut 24 Prozent). Insgesamt knapp 36 Prozent der Betroffenen war weiblich.
Anschließend hätten zwei männliche Jugendliche, 15 und 17 Jahre, die 18-Jährige körperlich attackiert, zu Boden gebracht und verletzt, berichtet die Polizei weiter. „Durch hinzueilende Zeugen konnte die körperliche Auseinandersetzung beendet werden.“ Drei Personen, die durch das Reizgas verletzt wurden, seien im Krankenhaus ambulant behandelt worden.
Die Mutter der 17-Jährigen ist überzeugt: Dass ihre Tochter nicht noch schwerer verletzt wurde, sei den jungen Leuten zu verdanken, die mutig eingegriffen haben. „Sie haben Erste Hilfe geleistet, Polizei und Krankenwagen gerufen.“ Die Mutter hatte ihre Tochter, die sonst immer pünktlich nach Hause kam, zu dem Zeitpunkt schon vermisst. Sie rief auf dem Handy der 17-Jährigen an, hörte sie nur weinen und schreien. Hörte dann eine männliche Stimme, jemanden, der das Handy übernommen hatte: „Ihre Tochter wurde zusammengeschlagen ...“
Auch interessant
Als die Mutter zum Tatort gehetzt war, standen dort zwei Rettungswagen. „Die Sanitäter wollten meine Tochter ins Krankenhaus bringen, aber ich habe sie mitgenommen. Sie konnte sich kaum bewegen.“ Die Familie habe die 18-Jährige angezeigt. Laut Polizei wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Hintergründe des Vorfalls seien noch unklar. Die Polizei prüfe, ob ein Bekanntenverhältnis zwischen den Personen vorliegt.
Betroffenes Mädchen berichtet von Atemnot und Angstzuständen
Während die Polizei aber von einer Auseinandersetzung zwischen der 18-Jährigen und einer „Personengruppe“ spricht, versichert das attackierte Mädchen gegenüber dieser Redaktion, sie sei alleine unterwegs gewesen. Die anderen Jugendlichen hätten an der Haltestelle Sellerbeckstraße gestanden und ihr spontan geholfen. Die Verletzte wird noch einige Zeit brauchen, um sich zu erholen. „Mir tut alles weh“, sagte die 17-Jährige am Donnerstag. Atemprobleme habe sie auch noch, durch das Gas - „und Angstzustände“.