Mülheim. SPD wünscht einen mobilen Service des Bürgeramts samt Hausbesuch für wenig mobile Personen. Die Mülheimer Behörde setzt auf ein anderes Vorgehen.

Wie können ältere oder nicht mehr mobile Bürgerinnen und Bürger Amtsgeschäfte im Bürgeramt erledigen? Die SPD-Fraktion hält die Einführung eines so genannten „Bürgerkoffers“ für sinnvoll: Mit einem solchen mobilen Bürgerservice könnten Mitarbeitende des Bürgeramtes gebrechliche Senioren zu Hause aufsuchen, wenn diese etwa einen neuen Ausweis benötigen. Das Mülheimer Bürgeramt praktiziert ein anderes Verfahren.

Im Ausschuss für Bürgerangelegenheiten, Sicherheit und Ordnung (BSO) soll das Thema „Bürgerkoffer“ Mitte Mai auf Antrag der SPD diskutiert werden. Gerade in Mülheim, in einer Stadt mit einem hohen Durchschnittsalter, wäre es sinnvoll, Senioren oder eingeschränkt beweglichen Menschen Meldeangelegenheiten oder sonstige Dienste des Bürgeramtes zu erleichtern, so die SPD.

Der Außendienst des Mülheimer Ordnungsamtes sucht die Bürger zu Hause auf

Das Bürgeramt kennt die Problematik und setzt auf die Hilfe Angehöriger oder Freunde. „Personen, die aufgrund ihres Gesundheitszustandes dauerhaft nicht in der Lage sind das Bürgeramt aufzusuchen, können Dritte mit der Beantragung der Ausweisdokumente beauftragen“, erklärt Mera Kabashaj, die am 1. Mai die Amtsleitung übernimmt. Dauerhaft bedeute, dass es sich um eine gebrechliche Person handelt. Menschen, die gerade ein Gipsbein haben, seien nicht gemeint, betont Kabashaj. Die Beauftragten müssten dann alle für den Antrag nötigen Unterlagen, unter anderem ein neues biometrisches Foto, im Bürgeramt vorlegen und auch die Gebühren bezahlen.

Der Antrag wird dann dem Kommunalen Außendienst (KOD) des Ordnungsamtes übermittelt, welcher dann die Identitätsüberprüfung übernimmt, so Mera Kabashaj,. „Bei einem Hausbesuch gleicht der KOD das Foto ab und holt, wenn physisch möglich, eine Unterschrift ein.“ Den fertigen Ausweis könne eine bevollmächtigte Person dann nach etwa drei Wochen abholen. Das zusätzliche Prozedere koste keine Extra-Gebühren, so die designierte Amtsleiterin.

So werde in Mülheim bereits seit mehreren Jahren in Kooperation mit dem Ordnungsamt gehandelt, sagt Mera Kabashaj: „Das ist in Mülheim gängige Praxis.“ Im Jahr 2019 wurden etwa 71 Anträge, im Jahr 2020 schon 101 und in 2021 insgesamt 106 Anträge auf diese Weise bearbeitet. Schwer pflegebedürftige Menschen können sich aber auch von der geltenden Ausweispflicht befreien lassen, sagt Kabashaj. Hierzu könne man im Bürgeramt einen Antrag auf Befreiung unter der Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung stellen. Den Antrag, der keine Gebühr kostet, könnten Angehörige oder Bevollmächtigte stellen. „Zurzeit sind 92 Mülheimerinnen und Mülheimer von der Ausweispflicht befreit“, so Kabashaj.

Bürgerkoffer: Der mobile Service gilt in Recklinghausen für viele Meldeangelegenheiten

Die SPD argumentiert, dass sich das Konzept des „Bürgerkoffers“, ausgestattet mit Notebook, Scanner und Drucker, bereits in einigen Städten und Kommunen bewähre und nennt als Beispiel die Stadt Recklinghausen. Den mobilen Bürgerservice („Bürgerkoffer“) gibt es in Recklinghausen seit 2014. Der Service wird in drei Stadtteilen an drei festen Standorten jeweils in einem Seniorenheim angeboten und sei für alle Bürgerinnen und Bürger nutzbar, betont Pressesprecher Hermann Böckmann.

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Dieser mobile Service gilt in Recklinghausen beispielsweise für An- und Ummeldungen, für die Beantragung eines Personalausweises, für Auskünfte aus dem Melderegister, für Lebens-, Melde-, Aufenthaltsbescheinigungen oder für die Verlängerung von Schwerbehindertenausweisen.

Auch für individuelle Hausbesuche können in Recklinghausen Termine vereinbart werden, wenn ein Bürger nicht mehr mobil ist – wegen seines Alters oder einer Behinderung. In der Coronapandemie wird der mobile Bürgerservice allerdings nicht angeboten, um die Ansteckungsgefahr zu minimieren, so Pressesprecher Böckmann.

Derzeit herrscht im Mülheimer Bürgeramt Hochbetrieb, weil viele Bürger erst kurz vor Beginn der Ferien gemerkt haben, dass der Pass/Ausweis abgelaufen ist. Mera Kabashaj empfiehlt daher Mülheimern mit nicht so eiligen Anliegen, erst nach den Ferien zu kommen oder einen Termin zu buchen: „Reise- und Ausweisdokumente fallen unter die Kategorie der Dienstleitungen, deren Beantragungen langfristig planbar sind.“