Mülheim. Spitzenpolitiker zu Gast bei Spitzenforschern: Ministerpräsident Wüst lobt Ben List. „18 Millionen NRW-Bürger sind unglaublich stolz auf Sie.“
Der Krieg in der Ukraine überschattet derzeit alles. Und so war er auch Thema, als NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) am Freitagnachmittag das Mülheimer Max-Planck-Institut (MPI) für Kohlenforschung besuchten. Die Weltpolitik stehe in diesen Tagen fraglos im Vordergrund, sagte Wüst – und doch gebe es auch viele gute Gründe, sich aktuell mit Spitzenforschung zu beschäftigen. „Es gibt noch andere große Herausforderungen unserer Zeit. Und hier am MPI kann man wunderbar sehen, dass die Ideen zur Lösung dieser Probleme niemals ausgehen.“
Die Stippvisite war Teil der Forschungsreise „#möglichmacher“, auf der Pfeiffer-Poensgen sich derzeit befindet, um unterschiedliche NRW-Spitzenforscher und ihre Arbeitsplätze kennenzulernen. Bislang war sie allein unterwegs – zum besonderen Termin in Mülheim aber, zur spannenden Begegnung mit dem Chemie-Nobelpreisträger Prof. Dr. Benjamin List, begleitete sie der Ministerpräsident gern.
Mülheimer MPI-Direktor Ferdi Schüth hieß die Gäste aus Düsseldorf willkommen
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Vor dem Haupteingang an der Lembkestraße begrüßte der geschäftsführende Direktor des Instituts, Ferdi Schüth, das Duo zeitgemäß mit der Corona-Faust. Die Politiker aus Düsseldorf trugen Masken mit NRW-Wappen und nahmen Platz zwischen List und seinen Kollegen aus dem MPI-Direktorium. Wie sich die Katalyseforschung auf dem Kahlenberg entwickelt hat und was sie heute ausmacht, beschrieb Schüth in kurzen Worten.
Er erwähnte die Anfangstage 1914 als Kaiser-Wilhelm-Institut, den Übergang zur Max-Planck-Gesellschaft 1948, und verwies auf große Errungenschaften: das Fischer-Tropsch-System zum Beispiel und die Ziegler Polymerisation. Daraus sei eines der wertvollsten Patente Deutschlands hervorgegangen, „rund eine Milliarde Euro an Lizenzgebühren“ habe dieses erbracht. Knapp 400 Mitarbeiter aus 34 Nationen hat die Forschungsstätte aktuell, und dass aus den Mülheimer Reihen schon zwei Nobelpreisträger auserkoren wurden, sei wahrlich ein Zeichen von Spitzenforschung. Das MPI sei weltweit mittlerweile so bekannt, dass kaum einer noch den Titel des Instituts übersetze, so Schüth. „Man spricht überall von Kohlenforschung. Das ist schon ein Markenname.“
„Große Herausforderungen der Menschheit lassen sich nur mit Hilfe der Katalyse lösen“
Für Ben List ist die Katalyse „die Grundlage allen Lebens“. Sie sei eine Schlüsseltechnologie für die Menschheit, die zu einem Drittel des Weltbruttosozialproduktes beitrage. Egal, ob im Bereich Ernährung, Gesundheit, Energie, Transport oder Klima: „Die großen Herausforderungen der Menschheit lassen sich nur mit Hilfe der Katalyse lösen.“ Schon acht Nobelpreisträger vor ihm seien wegen Entdeckungen in diesem Bereich ausgezeichnet worden, so List. Lange sei es dabei nur um Metallkatalyse gegangen. Mittlerweile aber sei auch die Organokatalyse ein riesiges Forschungsgebiet. Sein Anteil an dieser Entwicklung ist riesig.
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Die Besucher aus der Landeshauptstadt sahen sich in Lists Labor um, hörte aufmerksam zu. „Die Forschung hier am MPI kann das Leben der Menschen nachhaltig verbessern“, sagte Wüst. Sie habe zum Beispiel schon viel Gutes bei Krankheiten wie Grippe, HIV oder auch Covid-19 bewirkt. Zudem habe der Nobelpreis als solcher eine besondere Wirkung: „Jedes Kind weiß, dass das etwas ganz Wichtiges ist. Der Preis motiviert zum Forschen und Entwickeln, macht Lust auf Zukunft.“ Man könne in die Knie gehen unter der Last der Probleme – oder sie anpacken. „Wir haben die Möglichkeit einen Beitrag zu leisten, etwa bei der Bekämpfung von Krebs und Demenz.“ Es sei eine Pflicht, diese Chance zu ergreifen; dazu dienten auch die rund 75 Millionen Euro, die das Land 2022 für die Forschung bereitstellt.
Wüst: „List ist alles andere als ein verkopfter, unnahbarer Wissenschaftler“
Wüst fand viele freundliche Worte: Dass List die höchste wissenschaftliche Auszeichnung erhalten habe, mache „18 Millionen NRW-Bürger unglaublich stolz – auch wenn wir nicht so wirklich verstehen, was genau Sie da machen. . .“ Er halte List für alles andere als einen verkopften, unnahbaren Wissenschaftler: „Im Gegenteil: Er ist ein richtig netter Typ“, sagte der Ministerpräsident – und verabschiedete sich nach rund einer Stunde vom Kahlenberg. Die Ministerin hingegen ließ sich noch weitere Arbeitsplätze zeigen. Für sie ist das Mülheimer MPI auch deshalb ein toller Ort, „weil rund die Hälfte der Mitarbeiter junge Menschen sind und es hier so international zugeht“.