Mülheim. Kangals sind groß, schwer, selbstständig. Auch in Mülheim landen sie im Tierheim. So wie Aslan: Seine stattliche Größe macht ihn schwer händelbar.
Durch die Gitterstäbe des Zwingers blicken große, braune Augen entgegen. Wie ein sanftmütiger Riese wirkt Aslan in diesem Moment. Langsam schubbelt er seinen Körper an den Stäben entlang. Würde auf den Schildern nicht die Warnung stehen: „Bitte nicht durch das Gitter greifen“, die Versuchung wäre gegeben. Trotz aller Ruhe, die Bewegungen seiner Augen verraten, diesem Tier entgeht nichts. Und genau diese Aufmerksamkeitsgabe machen Kangals aus, erklärt Marion Niederdorf, Leiterin des städtischen Tierheims in Mülheim.
Die türkischen Hirtenhunde sollen Herden beschützen. „Die müssen allerdings vom Welpenalter an in der Herde leben und mit den Tieren aufwachsen“, erklärt Niederdorf. Dann vertreiben sie Wölfe, Schakale und mitunter sogar Bären. Gleichzeitig gilt die Rasse als loyal und sanft gegenüber ihren Besitzern.
Essener Kangal hat einen Jungen gebissen
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Ungefährlich sind die Tiere allerdings nicht: Erst Anfang Februar biss ein Kangal-Schäferhund-Mischling in Essen einen Zwölfjährigen und verletzte ihn. Das freilaufende Tier war zuerst auf den Jungen und danach auf einen Polizeibeamten losgegangen. Dieser hat den aggressiven Hund schließlich mit einer Kugel aus seiner Dienstwaffe getötet. Der Junge konnte das Krankenhaus nach ambulanter Behandlung wieder verlassen. Dasselbe Tier war schon im Januar bei einem Angriff auf einen anderen Hund aufgefallen. Er biss und verletzte das Tier schwer.
Auch wenn Aslan aktuell der einzige türkische Hirtenhund ist. Immer wieder landen Kangals im Tierheim. Doch wie kommen Menschen überhaupt auf die Idee, einen Hirtenhund in der Enge der Stadt halten zu wollen? „Als Welpen sehen sie unglaublich süß und knuffig aus“, weißt die Expertin. Außerdem gelten sie als stolze Hunde — archaisch und stark. „Aber hier gibt es eben kaum Vieh zu hüten. Die Hunde sind oft unterfordert.“ Und Halterinnen und Halter mit der Energie der Hunde überfordert. „In der Enge werden die Hunde untereinander aggressiv und teilweise auch gegen den Menschen.“
Eine Wucht: Kangal Aslan ist 82 Zentimeter groß und wiegt 60 Kilo
Auch Aslan ist kein Fan von anderen Hunden, erklärt Leiterin Niederdorf. Von seinem Nachbarn Mika, einem einjährigen ungarischen Hirtenhund, lasse er sich immer provozieren. Dann bellt er durch die Wand und die Tiere befeuern sich gegenseitig. Mit aufgestellten Hinterläufen kommt der Kangal bis in die Nähe der Zwingerdecke. Eine Rückhöhe von 82 Zentimetern. „Er ist unser bisher größtes Tier.“
Genau diese Kombination, Probleme mit Artgenossen, gepaart mit seiner Größe und einem Gewicht von 60 Kilogramm, halten den sechsjährigen Aslan zurück. „Wir haben niemanden, der stark genug ist, diesen Hund außerhalb des Geländes an der Leine zu halten, sollte er auf einen anderen Hund losgehen“, so Niederdorf.
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Dabei ist der Kangal im Herbst letzten Jahres nicht alleine im Mülheimer Tierheim angekommen. „Aslan wurde gemeinsam mit einem anderen Kangal im Uhlenhorst gefunden.“ Vermutlich seien die Tiere gemeinsam aus Duisburg durch den Wald nach Mülheim gelangt. Von einer Privatperson wurden die Tiere dann abgefangen und letztendlich von der Feuerwehr ins Tierheim gebracht.
Kangals sind auffällig — trotzdem hat die Hunde niemand erkannt
Gassigeher für § 3 Hunde gesucht
Das Mülheimer Tierheim sucht nach Ehrenamtlichen, die einen Sachkundenachweis haben und während der Öffnungszeiten mit § 3 Hunden spazieren gehen möchten.
§ 3 Hunde gelten als gefährliche Hunde. Das sind Hunde der Rassen Pittbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Bullterrier und deren Kreuzungen untereinander sowie deren Kreuzungen mit anderen Hunden.
Die aktuellen Öffnungszeiten: Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag von 13 bis 16.30 Uhr. Samstag von 11 bis 13 Uhr. Mittwochs sowie an Sonn- und Feiertagen bleibt das Tierheim geschlossen.
Was Niederdorf wundert: „Keiner scheint die Hunde zu vermissen oder nur zu kennen.“ Posts auf der Website oder bei Facebook blieben erfolglos. „Dabei ist die Hunderasse ja schon auffällig.“ Aslans deutlich kleinerer Begleiter durfte den Zwinger schon nach vier Wochen wieder verlassen. „Eine Firma hat einen Wachhund mit freundlichem Wesen gesucht. Das hat perfekt gepasst“, so die Leiterin.
Was für ein Zuhause würde sie sich für ihren aktuellen Kangal-Schützling wünschen? „Am liebsten auch eine Firma, die er bewachen kann“, mit einem hoch umzäunten Gelände und abgeschrägtem Gitter. „Der Hund kann hoch springen und ist schlau. Wir mussten schon die Fenstergriffe abmontieren, weil er das Fenster im Zwinger öffnen konnte“, erzählt Niederdorf lachend. Aber was besonders wichtig ist, sind Menschen mit Hundeerfahrung und der Bereitschaft mit Aslan zu arbeiten. „Eine erfahrene Hundeschule kann bei dem Umgang mit anderen Tieren sehr helfen“, ist sie sich sicher.