Mülheim. Seit 2018 plant die Deutsche Bahn, den Lärm entlang der Trasse in Mülheim deutlich zu reduzieren. Warum verschieben sich die Pläne Jahr für Jahr?

Wenn hier der Güterzug oder der RRX vorbeirattert, kann Herrmann Hesselmann das Telefonat gleich auf Pause stellen. In Styrum, wo an der Hauskamp- und Hohen Straße Häuser dicht an dicht entlang der Trasse stehen, sehnt man sich nach ruhigeren Zeiten. Die hatte die Deutsche Bahn auch versprochen. Schon vor inzwischen vier Jahren. Getan hat sich aber nichts.

Stattdessen verschob das Unternehmen Jahr um Jahr die versprochene Lärmsanierung mit Stellwänden und passiven Maßnahmen wie neue Fenster und Lärmschutzlüftungen überall dort, wo die Geräuschkulisse des stetig steigenden Schienenverkehrs die Nerven strapaziert. Aus 2019 wurde 2021. Inzwischen ist man für eine bauliche Umsetzung bei 2025 angekommen. Frühestens.

Anwohnern in Mülheim-Styrum ist unklar, welche Maßnahmen die Bahn umsetzt

Dabei ist den Anwohnern weiterhin völlig unklar, welche Maßnahmen sie genau zu erwarten haben: Wo werden Lärmschutzwände aufgestellt und wie sind diese beschaffen? Wo greifen passive Maßnahmen wie Schallschutzfenster oder Schalldämmlüfter?

Zur Bürgerversammlung 2018 hatte der damalige Bahnsprecher Oliver Faber vorgestellt, dass entlang des südlichen Bahndamms – parallel zur Hauskamp- sowie Hohen Straße – eine drei Meter hohe und 1,794 Kilometer lange Wand ohne Unterbrechungen verlaufen solle. So sollte die Lautstärke halbiert werden.

Begeistert war Anwohnerin Ingrid Radig davon nicht, obwohl auch sie betont: „Wenn ein Güterzug vorbeirauscht, hat man das Gefühl, der fährt durch das Schlafzimmer.“ Denn ihre Erdgeschosswohnung an der Hohen Straße ist nur einen Steinwurf von den Gleisen entfernt und wäre durch zusätzlich drei Meter hohe Wände auf dem Damm spürbar verschattet.

Öffentliche Pläne für Mülheim zeigen den Stand von 2019

Doch transparente Wände seien der Bahn zu teuer, obwohl Lärmschutzmaßnahmen vom Bund in Millionenhöhe subventioniert werden. Radig wären daher geschützte Fenster lieber, als auf Licht zu verzichten. „Hier wohnt ja ansonsten niemand außer uns.“ Seit 2018 steht sie mit der Bahn in Kontakt, zuletzt Anfang 2021. Doch die anfänglichen Zusagen sind inzwischen nur noch vage: „Es gäbe dafür kein Geld, sagt man uns. Es wird offenbar doch nicht so geplant, wie man es uns erzählt hat.“

Doch wie genau die Maßnahmen ausfallen werden? Auf den Seiten der Deutschen Bahn und des Eisenbahnbundesamts sind weiterhin die Pläne von 2019 zu sehen. Demnach seien insgesamt 5,7 Kilometer Schallschutzwände auf Mülheimer Gebiet geplant. Nur zwei Gebäude hätten Anspruch auf passiven Schallschutz.

Deutsche Bahn hüllt sich auf Anfrage der Redaktion in Schweigen

Auch auf Anfrage der Redaktion nach dem aktuellen Planungsstand hüllt sich die Pressestelle der Deutschen Bahn in Schweigen. Und im Mobilitätsausschuss vermittelte die Stadt nur einen groben Überblick zu Maßnahmen der Bahn im Rahmen des Lärmaktionsplans. Das Sanierungskonzept werde voraussichtlich bis 2025 realisiert.

Für die Strecke östlich des Hauptbahnhofes liege bereits eine detaillierte Genehmigungsplanung vor. Hier werde es mittelfristig zu deutlichen Verbesserungen kommen, deutete die Stadtverwaltung an. Dies gelte auch für Bereiche in Styrum, für die allerdings eine Genehmigungsplanung noch ausstehe. „Innovative Ansätze“ allerdings setze die Bahn derzeit nur in Ostdeutschland um, bedauerte die Verwaltung im Ausschuss.

SPD kritisiert: Weniger Schutzmaßnahmen als ursprünglich vorgesehen

Sorge um die Sicherheit von Schutzwänden

Sorge zeigte die SPD hinsichtlich der Sicherheit der zu verbauenden Schallschutzwände. Ein Bericht im Spiegel ließ Zweifel aufkommen, dass Schallschutzwände der Firma Foster Metallbau die Anforderungen an Sicherheit und Lebensdauer erfüllen.Die Deutsche Bahn teilte schriftlich mit, dass in Mülheim nur Elemente in den Lärmschutzwänden verbaut würden, die vom Eisenbahnbundesamt als zuständiger Behörde zertifiziert seien. „Dies gilt auch für die Elemente der Firma Forster, die die Anforderungen an die Zulassung von Lärmschutzwänden des EBA erfüllt haben.“ Ein kritischer Bericht der RWTH Aachen sei durch den Gutachterausschuss Lärmschutz im Eisenbahnwesen überprüft worden. Daraus habe sich für das EBA kein Handlungsbedarf ergeben. Der DB seien ebenfalls keine Mängel von Forster-Lärmschutzwänden aktueller Bauart bekannt.

Dagegen kritisierte der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Daniel Mühlenfeld, die Aussagen der Bahn zu den Maßnahmen. Diese umfassten weniger Bereiche als ursprünglich vorgesehen. Er forderte daher einen konkreten Zeitplan ein.

Für Herrmann Hesselmann hingegen sind die Lärmprobleme in Styrum „weiterhin groß. Die Belastung durch die hoch- und niederfrequenten Geräusche ist schwer zu ertragen.“ Er würde Lärmschutzwände für die Hauskampstraße deutlich befürworten. Warum die Umsetzung Jahr für Jahr verschoben wird, obwohl die Sanierung durch den Bund mitfinanziert werde, ist ihm ein Rätsel. Zuletzt hat Hesselmann im April 2020 mit einem Vertreter der Bahn gesprochen. „Damals schien man zuversichtlich zu sein, dass die Maßnahmen 2022 umgesetzt werden. Wir warten sehnsüchtig darauf, dass die Bahn endlich damit anfängt.“