mülheim. . Die Menschen an der Hohe Straße sprechen inzwischen von Körperverletzung. Lärmschutz kommt, aber eine hohe Wand vor der Nase will nicht jeder.

Auch wenn Ingrid Radig seit Kinderzeiten ein Fan von Zügen und Zugfahren ist – den Lärm von der Bahnstrecke an der Hohe Straße empfindet die Pensionärin als extrem belastend. Nur wenige Meter trennen manche Wohnhäuser dort von den acht Gleisen der Zugstrecke. S-Bahnen, Regionalzüge, der TGV, Güterzüge, der ICE – alle rauschen dort vorbei, tags und nachts. Wilhelm Steinen hat mal durchgerechnet: „Etwa 400 Züge in 24 Stunden.“ Der eine leiser, der andere lauter. Einig ist man sich an der Hohe Straße in einem: Es muss zügig Lärmschutz her. „Was wir hier täglich erleben, ist Körperverletzung“, meint Anwohner Hermann Hesselmann.

Dabei denkt er vor allem an die Züge, die die großen Rohre von Europipe transportieren und eines Tages die Ostsee-Pipeline bilden werden. Endlos scheinen die Waggons zu sein. Sie fahren sehr langsam, quietschen aber extrem laut – auch nachts. „Ich gehe nur noch mit Ohrenstöpsel schlafen“, sagt Ingrid Radig. Hesselmann berichtet, dass er den Quietschton mal gemessen habe und auf 80 Dezibel gekommen sei. „Das tut schon weh.“

Erschütterungen durch die Züge

Es ist nicht nur der Lärm, der die Bewohner in Styrum belastet. Margret Krebber, an der Hohe Straße aufgewachsen, besucht dort noch regelmäßig ihre über 90-jährige Mutter. „Wir erleben in dem Haus Erschütterungen durch die Züge“, sagt sie und erzählt, dass sie Servierten zwischen das Geschirr gelegt haben. Das dämpfe etwas ab. Geschrieben haben einige Anwohner an die Bahn, an Mannesmann, sogar Tonbandaufnahmen hätten sie mitgeschickt. Verständnis gab’s schon, aber es seien die extremen Gewichte der Rohre, die wohl zum Quietschen führten.

Die Bahn wird auch an der Styrumer Strecke auf knapp 1,8 Kilometern Lärmschutz errichten. Das steht fest. 3,2 Millionen Euro will der Bund dort zum Schutz der Anwohner investieren. Im nächsten Jahr soll mit dem Bau einer drei Meter hohen Schallschutzwand ab der oberhalb der Straße liegenden Gleiskante begonnen werden. Der Nachbar Lärm könnte dann weitgehend verschwinden.

Nicht vorzustellen, hinter einer Mauer zu wohnen

Doch nicht jeder der Anwohner ist begeistert: „Die Erneuerung der Fenster wäre für mich in Ordnung. Ich kann mir aber nicht vorstellen, hinter einer drei Meter hohen Wand zu leben“, sagt Ingrid Radig und fürchtet, dass die Wohnungen dann noch dunkler würden.

Und wie, fragen sich Anwohner, soll auf der schmalen Straße überhaupt eine Lärmschutzwand aufgebaut werden. „Schon jetzt haben Lastwagen Probleme durchzukommen.“

Bahnstrecke befindet sich höher als Straße

Blick aus dem Wohnzimmerfenster der Anwohnerin Ingrid Radig.
Blick aus dem Wohnzimmerfenster der Anwohnerin Ingrid Radig. © Kerstin Bögeholz

Die Hohe Straße liegt im Tal. Die Bahnstrecke befindet sich ein paar Meter höher, weshalb die Anwohner auch davon reden, dass die Züge über ihren Köpfen vorbei rauschen. Steinen hielte eine Wand für gut. „Ich möchte mir draußen nicht länger die Ohren zuhalten müssen. Außerdem könnte so eine Wand auch ein Schutz von herumfliegenden Steinen aus dem Schienenbett sein.“

Hesselmann wünschte sich beides: „Wenn die Wand zehn Dezibel schluckt, haben wir eine Halbierung des Lärms“, sagt er und fände einen zusätzlichen passiven Schutz durch Lärmschutzfenster ab der ersten Etage hilfreich. Könnte es eine transparente Schallschutzwand geben, um nicht das Gefühl zu haben, hinter einer Mauer leben zu müssen? Eine der offenen Fragen. Wünsche und Vorstellungen der Anwohner gehen auseinander. Eine Sorge eint sie dabei, dass die Schallschutzwand besprüht wird und das Viertel dann auch darunter leidet.

>> Transparente Wände schirmen nicht gut ab

- Transparente Wände schirmen nach Auskunft von Fachleuten das Licht weniger ab, sind aber auch gut vier Mal so teuer und haben nicht dieselben schallabsorbierenden Eigenschaften. Sie reflektieren den Schall.

- Parallel zur Hauskamp- sowie Hohe und Hof Straße soll die Schallschutzwand verlaufen.