Mülheim. Erst seit gut 20 Jahren gibt es in Mülheim wieder eine Freiwillige Feuerwehr. Warum die Stadt noch Nachholbedarf an diesen Ehrenamtlern hat.

Ob bei Hausbränden – wie zuletzt in Heißen und in Saarn – oder bei Einsätzen nach dem Juli-Hochwasser in Mülheim, Euskirchen und anderswo: Die Ehrenamtler der Freiwilligen Feuerwehr Mülheim haben regelmäßig Einsätze, nicht nur an der Seite der Berufsfeuerwehr, auch selbstständig. Dabei gibt es sie erst seit gut 20 Jahren. Das ist, verglichen mit anderen Städten, keine sehr lange Zeit: Mülheim hat noch Nachholbedarf.

„55 Jahre lang gab es in Mülheim keine Freiwillige Feuerwehr“, sagte Sven Werner, Leiter der Berufsfeuerwehr und damit auch Chef der Freiwilligen Feuerwehr (FF). Auf Anfrage der SPD führte Werner vor dem Sicherheitsausschuss durch die Geschichte der FF, die nach 1946 laut einer Verfügung der britischen Militärregierung aufgelöst werden musste. „Damit war Mülheim eine lange Zeit, bis 2001, die einzige Stadt in Deutschland ohne Freiwillige Feuerwehr“, sagt Sven Werner. Heute ist das kaum mehr vorstellbar: 110 aktive Ehrenamtler verteilen sich auf die beiden Löschzüge der FF, einer auf der Hauptwache in Broich und einer in Heißen. Der dritte soll später in Saarn entstehen, wenn die Rettungswache Süd dort endlich gebaut werden kann.

Im Jahr 1879 wurde die Freiwillige Feuerwehr Saarn gegründet

Seit 1865 bis zur Gründung der Berufsfeuerwehr im Jahr 1924 wurde in Mülheim nur mit Freiwilligen gelöscht: Erste Turner-Feuerwehren und Freiwillige Bürgerwehren gab es ganz zu Beginn, im Jahr 1879 wurde dann die Freiwillige Feuerwehr Saarn gegründet. Acht Jahre später wurde die gesamtstädtische Freiwillige Feuerwehr ins Leben gerufen. Bis 1946 gab es insgesamt zehn Standorte der Freiwilligen und eine der Berufsfeuerwehr im Stadtgebiet. Denn schnell vor Ort musste die Feuerwehr im Brandfall ja schon immer sein.

Freiwillige Feuerwehr Mülheim: Das Bild zeigt den Löschzug Saarn um 1900.
Freiwillige Feuerwehr Mülheim: Das Bild zeigt den Löschzug Saarn um 1900. © Feuerwehr Mülheim

Mit der geplanten Rettungswache Süd würde in Saarn nicht nur an eine alte Tradition der FF angeknüpft, die ja schon 1879 in Saarn einen Standort hatte. Laut Feuerwehrchef Sven Werner hat Mülheim auch einen großen Nachholbedarf: „Wir sind die einzige Stadt unserer Größe, die nur zwei Standorte für die Freiwillige Feuerwehr hat.“ Im Regelfall hätten Städte der Größe Mülheims zwischen fünf und acht Standorte der Freiwilligen- neben der Berufsfeuerwehr, weiß Werner.

Freiwillige Kräfte aus Mülheim waren bei der Flutkatastrophe unverzichtbar

Seit gut 20 Jahren gibt es also wieder eine Freiwillige Feuerwehr in Mülheim. „Das ist eine große Leistung der ehrenamtlichen Kräfte, in so kurzer Zeit so etwas aufzubauen“, lobt Werner. Denn die Freiwilligen Feuerwehrleute unterstützen die Berufskräfte nicht nur bei großen Einsätzen und übernehmen Brandwachen. Sie fahren auch parallel eigene Einsätze, wenn die Berufsfeuerwehr gebunden ist.

Seit 15 Jahren gibt es die Mülheimer Jugendfeuerwehr

Die Mülheimer Jugendfeuerwehr für Kinder ab zehn Jahren wurde 2007 in Heißen gegründet, 2013 kam die Jugendfeuerwehr in Broich dazu. Heute gibt es insgesamt 40 Mitglieder in der Jugendfeuerwehr.

Eine dritte Jugendfeuerwehr soll in Saarn mit der neuen Rettungswache Süd gegründet werden. Auf der Warteliste für die Jugendfeuerwehr stehen derzeit rund 80 Mädchen und Jungen.

Eine Kinderfeuerwehr für den Nachwuchs ab sechs Jahren gibt es in Mülheim nicht. Grund sei nicht nur, dass die Betreuer das kaum noch zusätzlich stemmen könnten, so die Feuerwehr. Mülheim hat auch keine Nachwuchssorgen für die Jugendfeuerwehr. Die nimmt normalerweise die älteren Kinder aus der Kinderfeuerwehr auf.

In der Brandschutzerziehung betreut die Mülheimer Berufsfeuerwehr 100 Kita-Gruppen in 89 Kindergärten.

Auch bei besonderen Lagen, Werner nennt hier das Großfeuer im ehemaligen Real-Markt im Hafen, oder wenn in der Stadt ein Blindgänger entschärft werden muss, sind die freiwilligen Kräfte unverzichtbar. Auch bei überörtlichen Einsätzen sind die Freiwilligen aus Mülheim gefragt: Bei der Flutkatastrophe im vergangenen Sommer war die FF Mülheim mit 22 Kräften in Solingen im Einsatz, hat bei der Evakuierung von Menschen geholfen, hat Tiefgaragen und Keller ausgepumpt.

Die Freiwillige Feuerwehr Styrum bei einer Übung auf dem Viktoriaplatz in der Mülheimer Innenstadt im Jahr 1936.
Die Freiwillige Feuerwehr Styrum bei einer Übung auf dem Viktoriaplatz in der Mülheimer Innenstadt im Jahr 1936. © Feuerwehr Müllheim

Rund 14.000 Stunden haben die Ehrenamtler im Jahr 2019 geleistet. Im ersten Corona-Jahr 2020 musste ihr Übungsbetrieb heruntergefahren werden, was sich eben auch an den Einsatzstunden ablesen lässt. Aber in 2021 wurden schon wieder über 12.600 Stunden geleistet.

Gerade, wenn über Einsätze in Katastrophengebieten berichtet wird, an denen die ehrenamtlichen Retter beteiligt sind, bekommt die Freiwillige Feuerwehr mehr Zulauf.

Für einen Einsatz müssen auch die Ehrenamtlichen sofort parat stehen: Von jetzt auf gleich und auch mitten in der Nacht. Fürs Geld tut das in Mülheim keiner: Die ehrenamtlichen Mitglieder der FF haben allenfalls Anspruch auf Ersatz ihrer Auslagen; dem Arbeitgeber wird der Lohnausfall ersetzt.

Führungskräfte der Freiwilligen Feuerwehr Mülheim werden kaum entschädigt

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Die jährliche Aufwandsentschädigung für die Führungskräfte der Freiwilligen Feuerwehr ist in Mülheim nicht so hoch wie anderswo im Land NRW: In Mülheim liegt die Summe mit 65 Euro im Jahr am unteren Ende der Skala, in der Spitze werden bis zu 7200 Euro gezahlt. Hier wünscht sich Feuerwehrchef Sven Werner für seine ehrenamtlichen Kräfte auch mehr finanzielle Anerkennung.