Mülheim. Der zentrale Kindernotdienst in Oberhausen wurde verbessert. Doch Mülheimer Praxen sind montags voller als früher: „Da verschleppt sich einiges.“
Als der Kindernotdienst im Juli 2019 aus der Stadt abgezogen und an das Evangelische Krankenhaus Oberhausen (EKO) verlegt wurde, waren Ärger und Sorgen in Mülheim groß. Die hiesigen Kinderärzte wehrten sich mit vereinten Kräften dagegen und klagten sogar vor dem Sozialgericht.
Inzwischen ist klar: Sie werden das Rad nicht zurückdrehen. Niemand bestreitet aber, dass die Bedingungen verbesserungswürdig sind – erst recht, seit die Kindernotdienstpraxis der KV vom Erdgeschoss in den dritten Stock gezogen ist, in die Räumlichkeiten des Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ). Dort wird sie vorerst auch bleiben.
Moderne Portalpraxis soll auch Mülheimer Kinder versorgen – Umbau dauert
Grund sind umfassende Umbauarbeiten am EKO, die auch die Kinderklinik betreffen. Eine moderne Portalpraxis soll entstehen, mit einem gemeinsamen Tresen von niedergelassenen Kinderärzten und Klinikteam. Diese Perspektive für die Akutversorgung von Kindern und Jugendlichen war der eigentliche Grund für den Umzug des Mülheimer Kindernotdienstes, da die beiden Mülheimer Krankenhäuser über keine Kinderklinik verfügen. Wann die Portalpraxis zur Verfügung steht, weiß auch die KV Nordrhein noch nicht. Es hänge vom weiteren Fortgang der Bauarbeiten ab, teilte ein KV-Sprecher jetzt auf Anfrage mit. „Ein konkretes Datum kann noch nicht genannt werden.“
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Unter anderem diesen Zustand kritisieren die Mülheimer Kinderärzte. Deren Notdienst-Beauftragter, Dr. Martin Knorr, sagt: „Die Notdienstpraxis liegt nicht nahe der Kinderklinik, sondern am anderen Ende des Krankenhausgeländes in der dritten Etage. Das ist relativ unglücklich. Mal eben einen Arzt aus der Kinderklinik hinzuziehen, das funktioniert nicht. Mit einer Portalpraxis hat das nichts zu tun.“ Er und seine Kollegen schätzen, dass es noch einige Jahre so bleibt.
Klage der zehn Mülheimer Kinderärzte vor dem Sozialgericht scheitert
Vor dem Sozialgericht konnten sich die zehn Mülheimer Kinderärztinnen und -ärzte nicht durchsetzen. Das bestätigen sie selber und auch die KV. Am Modell, landesweit Notdienste zu bündeln und Portalpraxen zu schaffen, können sie nicht rütteln. „Wir haben ganz klar gesagt bekommen, dass dies eine politische Entscheidung ist“, erläutert Knorr. Dagegen könne das Gericht nichts machen. „Wir hätten höhere Instanzen anrufen müssen“, doch darauf haben die Mülheimer Pädiater verzichtet.
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Zumal, wie sie einräumen, die Arbeitsbedingungen am EKO schon verbessert wurden. Anfangs klagten die Kinderärzte massiv darüber: Die Computer funktionierten nicht, die Reinigung sei mangelhaft, der Wartebereich zu eng. „Inzwischen wurde uns zumindest eine Grundausstattung dorthin gesetzt“, schildert Dr. Martin Knorr. „Die Räumlichkeiten sind nicht schön, es ist noch keine Notfallpraxis, wie man sie sich vorstellt, aber die Bedingungen sind besser als vor einem Jahr.“
„Eltern finden Bedingungen nicht gut, aber keine größeren Beschwerden“
Ähnliches hörten er und die Kollegen auch von Eltern: „Sie finden die Bedingungen nicht besonders gut, aber größere Beschwerden sind noch nicht gekommen. Dass man mal eine oder zwei Stunden warten muss, war früher in der Praxis auch nicht anders.“ Bei der KV heißt es hierzu: Aus jüngerer Vergangenheit seien keine Beschwerden aus Mülheim über den Kindernotdienst bekannt.
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Aus Sicht der KV hat sich die Neuorganisation des kinderärztlichen Notdienstes für Mülheim und Oberhausen „grundsätzlich bewährt“. Die gesetzlich geforderte Verzahnung der ambulanten und stationären Notfallversorgung „wird vor Ort erfolgreich umgesetzt“, heißt es auf Anfrage. „In Mülheim bestanden diese Strukturvoraussetzungen bekanntlich nicht.“
Anfahrtswege für Mülheimer Familien „zum Teil im Krankheitsfall unzumutbar“
Mit dem kinderärztlichen Notdienst befasste sich kürzlich auch der Sozialausschuss in Mülheim, auf Anregung von CDU und Grünen. Er war nicht zum ersten Mal Gegenstand politischer Diskussionen. Für einen aktuellen Sachstandsbericht von Gesundheitsdezernentin Dr. Daniela Grobe wurden erneut alle Beteiligten befragt und betonten, laut Bericht, „dass unverändert an einer Verbesserung der Gegebenheiten gearbeitet wird“. Angebliche Elternbeschwerden seien nirgendwo angekommen.
24 Kinderärzte teilen sich den Notdienst
Den kinderärztlichen Notdienst am EKO leisten 24 Ärztinnen und Ärzte im Wechsel: zehn aus Mülheim und 14 aus Oberhausen. Die kollegiale Zusammenarbeit sei gut, sagt der Mülheimer Kindernotdienst-Beauftragte Dr. Martin Knorr.
Öffnungszeiten der KV-Notdienstpraxis für Kinder und Jugendliche (Haus C, 3. Etage) sind weiterhin: montags, dienstags, donnerstags 19-21 Uhr, mittwochs und freitags 16-20 Uhr, samstags, sonntags, feiertags 10-14 und 16-20 Uhr. Um telefonische Anmeldung unter 0208-881-1308 wird gebeten.
Daneben gibt es am EKO, rund um die Uhr, eine Kinder-Notaufnahme für akute, schwere Fälle: Krankheiten oder Verletzungen.
Einen Aspekt hebt die Stellungnahme aber hervor: Anfahrtswege für Mülheimer Eltern seien „deutlich länger geworden und zum Teil im Krankheitsfall aus ärztlicher Sicht unzumutbar (...), zum Beispiel aus manchen Stadtteilen mit dem ÖPNV“. Genau das war die größte Befürchtung vieler Mülheimer Familien. Eine Online-Petition gegen die geplanten Verlegung erhielt mehr als 5000 Unterschriften.
Mülheimer Kinderärzte haben montags mehr zu tun als früher
Es gibt Hinweise, dass der weitere Weg zum Kindernotdienst manche Familien abschreckt. So stellen Dr. Knorr und seine Mülheimer Kollegen fest, dass es nach dem Wochenende in ihren Praxen voller ist als vor der Verlegung. „Wir können mit Sicherheit sagen, dass wir montags deutlich mehr zu tun haben als früher.“
Deutlich mehr Fälle müssten behandelt werden, die besser zum Notdienst gegangen wären, beispielsweise Kinder mit Mittelohrentzündung. „Da verschleppt sich einiges“, beobachtet Dr. Knorr. „Ob aber schon Schlimmeres passiert ist, werden wir nie sauber herausfinden können.“