Mülheim. Ab 16. März gilt Impfpflicht im Gesundheitssektor. Fallen dann viele Pflegekräfte aus? Wer prüft jeden Einzelfall? Fragen und Sorgen in Mülheim.

Zwei Wochen vor Weihnachten wurde sie beschlossen: die Impfpflicht für alle Gesundheits- und Pflegebeschäftigten bundesweit. Rund ein Vierteljahr später, am 16. März 2022, wird es ernst. Die Aussicht bereitet auch in Mülheim manchen Menschen Bauchschmerzen, aus verschiedenen Gründen.

Im Bereich der Altenpflege und Betreuung verschafft sich die städtische Heimaufsicht gerade einen Überblick. Dort geht es um Mitarbeitende in Pflegeeinrichtungen und bei ambulanten Diensten. Von insgesamt 83 Einrichtungen in Mülheim hätten bislang 74 ihre Impfquoten gemeldet, heißt es bei der Heimaufsicht. „Bei den übrigen arbeiten wir gerade nach.“

Knapp fünf Prozent der Altenpflege-Beschäftigten in Mülheim noch ungeimpft

Bislang sieht es so aus: 93,2 Prozent der Beschäftigten sind vollständig immunisiert, also doppelt geimpft oder sogar geboostert, bei 2,1 Prozent fehlt noch die zweite Impfung, und immerhin 4,71 Prozent der Beschäftigten in der Pflege oder Betreuung haben noch keinen Impfschutz.

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Nachholbedarf zeigt sich auch in den Kliniken. Aus dem Evangelischen Krankenhaus Mülheim (EKM) hieß es am Donnerstag: „Stand heute können wir sagen, dass wir im EKM eine Impfquote von mehr als 90 Prozent haben.“ Genaueres soll eine Onlineabfrage zum Impfstatus ergeben, die gerade läuft.

St. Marien-Hospital meldet bereits eine Impfquote von 98 Prozent

Das Mülheimer St. Marien-Hospital meldet bereits jetzt eine Impfquote von 98 Prozent über alle Bereiche, sprich: Ärztlicher Dienst sowie Pflege- und Funktionsdienst (z.B. Labore). „Bei den restlichen zwei Prozent liegen gesundheitliche Gründe vor, weshalb der Impfschutz noch nicht vollständig ist oder keine Impfung vorgenommen werden konnte“, erläutert Krankenhaus-Sprecherin Katharina Landorff. Die Impfpflicht stelle das Haus vor keine größeren Probleme – „und bis Mitte März haben wir ja auch noch etwas Zeit“.

Ab 16. März müssen Arbeitgeber im medizinischen Bereich das Gesundheitsamt über ungeimpftes Personal informieren. Was aber, wenn die Arbeitgeber – niedergelassene Ärzte beispielsweise – selber ungeimpft sind? Solche Fälle soll es geben.

Mülheimer Hausarzt – angeblich ungeimpft – fiel wegen Corona lange aus

Ein Mülheimer Hausarzt ist kürzlich wegen einer Corona-Erkrankung länger ausgefallen, musste seine Praxis über Wochen schließen, wurde von wechselnden Kollegen vertreten. In Patientenkreisen kursiert das Gerücht, der Mediziner sei ungeimpft. Impfwünsche von Patientinnen oder Patienten habe die Praxis bereits abgelehnt, berichtet einer, mit der Begründung: „Das machen wir hier nicht.“

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Der betreffende Hausarzt wollte sich auf Anfrage nicht zum Thema äußern. Es käme immer wieder vor, dass Ärzte wegen einer Corona-Erkrankung längere Zeit vertreten werden müssen, erklärt Dr. Stephan von Lackum, leitender Impfmediziner und Geschäftsführer der KV in Mülheim. Ob der besagte Kollege tatsächlich nicht geimpft ist oder das Ganze nur Gerede, weiß von Lackum nicht. „Er muss es auch nicht sagen.“

Ab 16. März fragt das Gesundheitsamt nach

Noch nicht. Wenn ab 16. März die „einrichtungsbezogene Impfpflicht“ für alle Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegebereich greift, werde es eine Abfrage durch das Gesundheitsamt geben, erwartet von Lackum. „Und dann wird jeder Arzt, der frei wirtschaftlich tätig ist, gegenüber dem Gesundheitsamt erklären müssen, wie er in seiner Praxis der Impfpflicht nachkommt. Jeder Unternehmer ist für seine Mitarbeitenden verantwortlich.“

Der Mülheimer Sport- und Taucharzt Dr. Markus Becker ist wahrscheinlich der Mediziner, der hier in der Stadt schon die meisten Corona-Schutzimpfungen verabreicht hat – in seiner Praxis sowie in Pflegeheimen. Der Impfpflicht sieht er entspannt entgegen: „Ich kenne keine Arztpraxis, in der nicht alle geimpft sind“, sagt Becker. Auch in den Altenheimen, in denen er tätig ist, läge die Impfquote bereits bei 95, 98 Prozent. Problematischer sei es nach seiner Erfahrung für große Einrichtungen, wie etwa Unikliniken, mit sehr viel Personal.

Noch ungeklärt: Verlieren Ungeimpfte ihren Arbeitsplatz?

Was passiert mit Beschäftigten, die zum Stichtag keinen vollständigen – doppelten – Impfschutz nachweisen können? Verlieren sie automatisch ihren Arbeitsplatz? Genaueres ist noch nicht geregelt. „Der Endabschluss fehlt“, meint Dr. Stephan von Lackum. „Denn diese Leute haben sich ja nichts zu Schulden kommen lassen.“

Auch die Stadt Mülheim blickt der Impfpflicht im Gesundheitswesen mit Sorge entgegen. Dies wurde zu Wochenbeginn in der Sitzung des Krisenstabs deutlich. Dessen Leiter, Dr. Frank Steinfort, sieht kaum mehr zu bewältigende Arbeit auf die Behörden zukommen. Er rechne mit „extremen Kapazitätsproblemen“, so der Mülheimer Stadtdirektor. Denn die Verwaltung müsse jeden Einzelfall prüfen.