Mülheim. Ein Regentag soll die Idee des Mülheimer Verschönerungsklubs gezündet haben. 2021 startete Initiator Andreas Preker-Frank damit kräftig durch.
Ob es schon die Liebe war, die Andreas Preker-Frank nach Mülheim „gebracht“ hat? Zumindest aber ist es die Liebe zur Stadt, die den Erfinder des neuen Verschönerungsklubs seit 1959 hier gehalten hat. „Im Vergleich zu Köln und Berlin hat Mülheim mehr Lebensqualität, eine reizvolle Natur und viel Kultur zu bieten“, schwärmt der gebürtige Dümptener. Dass der Klub-Gedanke, dem sich inzwischen 374 Menschen angeschlossen haben, dennoch aus Langeweile an einem Regentag entstanden sein soll, hält sich übrigens als hartnäckiges, vom Initiator selbst genährtes Gerücht.
Kurzer Blick zurück: „Oh Baby - schön-schön“, hatte der Mülheimer Rockstar Andy Brings über sein „Rock’n’Roll-Rathaus“ gesungen gegen „heiße Luft und Bla-bla-Overkill“. Das war zur OB-Wahl 2020 als mit Brings auch Preker-Frank in der Lokalpolitik für „Die Partei“ antrat. Für den Häuptlings-Stuhl im Rathaus hat’s nicht gereicht, aber die augenzwinkernde Punk-Hymne könnte den Soundtrack für den „Klub“ bilden – und ganz ohne satirische Untertöne. Weil der DJ, Musiker und Mediengestalter mit seinen Entwürfen gern mal ,anarchistisch’, aber sehr konkret in den Lauf der Dinge grätscht.
Auch interessant
Mit 120 Mitgliedern ging der Klub-Start zur Gründung direkt in den Allradantrieb. Woher der Drive stammte? „Vielleicht war es zur richtigen Zeit“, überlegt der Initiator.
Nicht alle Themen sind im Klub unumstritten, zum Beispiel die autofreie Innenstadt
Am meisten umkämpft im Klub sind aktuell wohl die Ideen für eine Fahrradstadt, die „Alfa“ (Spitzname) im Kern am liebsten autofrei sähe. „Kommunen sollen nach Landesvorschrift einen Radanteil von 25 Prozent erreichen. Mülheim liegt bei etwas über vier. Dafür müsste der Autoverkehr etwa die Hälfte des Straßenraums abgeben.“ Längst nicht alle Verschönerer im Klub teilen gerade diese Position, „das ist aber okay“, meint Preker-Frank ganz ohne Alfa-Tier-Allüren.
Dass der Ansatz den neuen Lokalpolitiker zur Kommunalwahl 2025 Stimmen kosten könnte? „Ist mir egal – ich bin aber kein Auto-Hasser. Ich will nur deutlich machen, dass, wenn wir die Verkehrswende jetzt nicht verträglich organisieren, wir später Straßen werden dicht machen müssen“, spielt der Mülheimer auf die Klimavorgaben für Kommunen an – und Klagen, die vor Corona einige Ruhrgebietsstädte in Bedrängnis gebracht haben.
Gar nicht ,schön-geistig’: Der Klub ist eine bürgerliche Ideenschmiede
So wird im Klub die bislang unhinterfragte Vormacht des Autos nicht nur kräftig ausgehöhlt, sondern mit auch pragmatischen Ideen zum Lastenrad, ÖPNV, neuen Radwegen (Dickswall) und Klimaschutz unterfüttert. Apropos: Dass die Stadt nun einen Arbeitskreis „Fahrrad“ hat, ist Preker-Frank zuzuschreiben. Dass man inzwischen im Rathaus vom „Wall-Viertel“ spricht? Auch da ,rockte’ die „Partei“.
Die Gefahr, dass der Verschönerungsklub eine einseitige Filter-Blase für schräge Ideen wird, sieht Alfa hingegen nicht: „Das liegt daran, dass alle ihre Ideen einbringen können und ich die meisten nicht mal kenne.“ In der offenen Facebook-Debatte „www.facebook.com/groups/mvklub“ ist die Gefahr, nur im eigenen Saft zu schmoren, zumindest geringer.
Und es bleibt auch nicht beim „Schön-Geistigen“: Die erste Mini-Konferenz startete Preker-Frank im vergangenen November coronabedingt mit einigen Mitgliedern, reichlich Zaungästen aus dem Rathaus sowie etlichen Ideen zur Innenstadt und insbesondere dem tot-politisierten Rathausmarkt. Im Ergebnis: Die Stadtverwaltung zeigte sich überraschend aufgeschlossen und willig, die Ideen des Klubs aufzugreifen. Und das ist schon mehr als Bürger in den vergangenen zehn Jahren – seit dem Charrette-Verfahren zum Markt – erreichen konnten.
Parteitaktik trieb Alfa zur „Partei“
Warum? „Ich glaube, weil es im Klub nicht die üblichen Schreihälse gibt, sondern wir konstruktiv sind. Das hat wohl auch eine Verwaltung überrascht.“
Auch interessant
Dass hingegen die bestehenden Parteien von Alfas offenkundig mitreißenden Punk-Groove kaum profitieren können, haben sie sich wohl selbst zuzuschreiben: Als die damalige Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld vor vielen Jahren Künstler zur Mitgestaltung eingeladen hatte, folgte auch er dem Ruf. Nur die Ideen der Beteiligten wurden kaum umgesetzt – „oft aus parteitaktischen Überlegungen“, verrät Preker-Frank. „Das war aber nicht meine Vorstellung von Demokratie.“
Weitere Schwerpunkte geplant: Kultur und Tourismus
Inhaltlich geht bei der Satire-Partei also, was anderswo nicht möglich gewesen wäre. OB Marc Buchholz hingegen hat den neuen Faktor „Verschönerungsklub“ in der Stadtgesellschaft klug erkannt und fördert das bürgerschaftliche Engagement wie die kommende Konferenz im Sommer 2022. Die Bereitschaft zur Umsetzung freilich muss die Verwaltung noch unter Beweis stellen.
Nach Verkehr und Innenstadt sollen Kultur und Tourismus die nächsten Klub-Schwerpunkte bilden. Als Mülheimer, der in jungen Jahren als Musiker und Sänger mal die Ruhrstadt verlassen wollte, weil die „Karriere hier aussichtslos schien“, sieht sich Preker-Frank dafür im Thema: „Ich will mit den Klubmitgliedern versuchen, Geschäftsmodelle für Kultur und Tourismus zu entwickeln.“ Auch da soll der Faktor „Fahrrad“ ein Teil des Getriebes sein: „Durch den RS1 fahren etwa eine Millionen Radler durch unsere Innenstadt - das muss genutzt werden.“
Wenn’s mal nicht um die Politik geht
Auch interessant
Musik übrigens macht „Alfa“ weiterhin und hauptsächlich als Produzent und Komponist mit rund 30 verschiedenen internationalen Sängerinnen. Eine von ihnen ist die US-Amerikanerin Beth Hirsch, die mit der Band „Air“ ins Schlaglicht der Öffentlichkeit geriet.
Elektropop hat Preker-Frank komponiert, der neben dem Komponieren am Computer übrigens auch Gitarre spielt, Soundtracks zu Naturdokus erstellt. „Beruflich lässt sich damit kaum Geld verdienen“, meint er. Erst recht nicht im Augenblick, wo durch Corona-Maßnahmen die finanziell wichtigen Live-Auftritte für Musiker fehlen.
Also ,malocht’ Alfa schon seit den 1990ern hauptberuflich als Mediengestalter in seiner Internet-Agentur an Internetauftritten verschiedener Firmen. Privat lebt der Ex-Dümptener heute in der Innenstadt mit seiner Frau - die aus Thüringen an die Ruhr zog. Der Liebe wegen, ganz ähnlich, wie damals Preker-Franks Mutter, die damals Oberschlesien verließ.
Wichtig für 2022: „Ideen müssen umgesetzt werden“
Den Blick auf die eigene Stadt hat Preker-Frank so verändert, kreative Köpfe und bürgerliches Engagement gebündelt, wie es in den vergangenen Jahren kaum einer Partei gelungen ist. „Es ist für die Mitglieder aber wichtig, dass die angestoßenen Dinge auch umgesetzt werden.“ Die große Konferenz ist für die letzte Woche vor den Sommerferien geplant. Das „gesellschaftliche Miteinander“ will Preker-Frank außerdem weiter vorantreiben, aber „gerade in der Innenstadt fehlen die Räume, wo Menschen zusammenkommen können“. Zu wenig Grün und Kultur – zu viele verbaute Räume, sieht der Mülheimer: „Wir müssen hier die Reset-Taste drücken.“