Mülheim/Essen. Von-Drathen-Boutiquen in Mülheim und Essen sind Zielscheibe zäher Pelz-Proteste. Der Inhaber hält dagegen. Wer gibt als Erster auf?
Ein kleiner Kreis von Tierschutz-Bewegten im Ruhrgebiet hat neuerdings einen regelmäßigen Samstagstermin. Gegen 11 oder 12 Uhr treffen sie sich vor Filialen des Modehauses von Drathen, bevorzugt in Mülheim-Saarn oder Essen-Rüttenscheid, packen Plakate aus, entrollen Transparente: „Stoppt den Pelzverkauf!“
„Pelzfrei-Mahnwache“ nennen sie die Kampagne, die am 20. November begann und so schnell nicht enden soll. Die Fäden laufen beim Verein Animal Rights Watch (Ariwa) zusammen, Zielscheibe des Protestes ist ein Familienunternehmen, das hochpreisige Damenmode anbietet und weiterhin echte Pelzwaren im Sortiment hat.
Mini-Demonstration in Mülheim-Saarn unter Polizeibeobachtung
Vor der Boutique auf der Düsseldorfer Straße in Saarn standen am Wochenende vier protestierende Menschen. Hinter ihnen: der Ladeneingang, gegenüber: ein geräumiger Polizeiwagen, dessen Besatzung die Mini-Demo im Auge behält. Für die Menschen im Dorf Saarn ist das inzwischen fast ein vertrauter Anblick, die Stimmung entspannt.
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Ein Vater mit zwei kleinen Kindern auf den Armen nähert sich, fragt nach Sinn und Zweck des Protestes, wünscht „noch viel Erfolg“. Die meisten Reaktionen seien positiv, sagt auch die Mülheimerin Karin Piek, die sich als Greenpeace-Mitglied der Mahnwache angeschlossen hat. „Viele, die im Auto vorbeifahren, recken den Daumen nach oben.“
Tierschützer: „Viele erschrecken sich, dass Von Drathen noch Pelz verkauft“
Auch Organisator Lars S. von der Ariwa-Ortsgruppe Ruhrgebiet lobt die Atmosphäre in Mülheim: „Die Nachbarschaft ist sehr freundlich. Kaum jemand spricht dagegen. Viele erschrecken sich auch, wenn sie hören, dass Von Drathen noch Pelz verkauft“, so jedenfalls sein Eindruck. Seinen vollständigen Namen möchte er nicht veröffentlichen – es habe schon viele „Übergriffe“ gegeben.
Denn bei aller oberflächlichen Harmonie: Das Thema ist hart und ernst. Mit den „Pelzfrei“-Mahnwachen rückt Ariwa ein Modehaus in den Blickpunkt, das „nur stellvertretend für die Tierausbeutung in der gesamten Bekleidungsindustrie, mit Tierqual-Produkten wie Pelz, Leder, Wolle, Daunen und Seide steht“, heißt es auf der Website der Organisation. Tiere in Pelztierfarmen vegetierten „unter grausamen Bedingungen bis zu ihrem Tod eng gedrängt in ihren Käfigen dahin“.
Pelzmäntel sind nicht mehr in Mode, aber echter Pelzbesatz
Man konzentriere sich auf deshalb auf von Drathen, „weil er weiterhin große Werbung für Pelzmode macht“, ergänzt Lars S. An den Kleiderstangen in den Boutiquen hängen zwar keine schweren Pelzmäntel, wohl aber Designer-Daunenmäntel mit Echtpelzbesatz oder teure Anoraks mit Fell an Ärmeln und Kapuze. Verarbeitet werden etwa Felle von Kaninchen, Fuchs, Waschbär, Lamm.
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Peter von Drathen, Modehaus-Gründer und Geschäftsführer, tritt den Mahnwachen persönlich entgegen – direkt und selbstbewusst. Er sagt: „Ich bin selber Naturschützer. Also unterhalte ich mich mit den Leuten vor der Tür.“ Mehrfach habe er das Gespräch mit den Demonstranten gesucht, ganz sachlich.
Von Drathen: „Ich lasse mich nicht als Mörder bezeichnen“
„Ich bin zum Reden bereit“, betont der Modeunternehmer, „aber ich lasse mich nicht in Misskredit bringen und nicht als Mörder bezeichnen. Wenn auf einem Plakat steht, dass ich ein Mörder sei und mich an der Tierquälerei bereichere, dann ist das etwas, was man mit einem seriösen Unternehmer einfach nicht macht. Das ist respektlos und üble Nachrede.“
Der Geschäftsmann versichert, er kaufe grundsätzlich keine Pelze aus Asien: „Ich habe mir selber ein Bild von der Tierhaltung in China gemacht. Das ist etwas für die Massenproduktion. Dabei habe ich kein gutes Gefühl.“ Pauschalurteile ärgern ihn, „denn es gibt auch vorbildliche Betriebe“. Seine Lieferanten bezögen Pelzwaren ausschließlich aus zertifizierten skandinavischen Züchtungen, betont von Drathen.
Die Demonstranten lassen diese Argumente nicht gelten. Ob ein Pelzprodukt aus China oder Finnland stammt, macht in ihren Augen keinen großen Unterschied. Einige Erfolge konnten sie in den letzten Jahrzehnten verbuchen. „Die großen Geschäfte wie P&C, Breuninger, Bogner, Sinn Leffers, Hallhuber oder Gerry Weber sind schon pelzfrei“, sagt Ariwa-Aktivist Lars S., „jetzt konzentrieren wir uns auf die mittleren Betriebe.“
„Überzeugte Pelzträgerinnen interessieren die Proteste nicht“
Eine Mitarbeiterin der Saarner von-Drathen-Filiale, früher in verantwortungsvoller Stellung bei Peek & Cloppenburg, kann sich an vergangene Protestaktionen noch lebhaft erinnern. Demonstrierende hätten etwa Ware mit Buttersäure zerstört. „Dagegen sind die Demonstranten heute völlig friedlich.“ Die Kundschaft reagiere gespalten. „Es gibt Kundinnen, die bewusst kein Stück mit echtem Pelz kaufen. Aber überzeugte Pelzträgerinnen interessieren die Protestaktionen nicht.“
Das sind die Kontrahenten
Die „Pelzfrei“-Mahnwachen in Mülheim und Essen werden organisiert vom Verein Animal Rights Watch (Ariwa), genauer: von der Ortsgruppe Ruhrgebiet.
Zum Auftakt gab es am 20. November einen bundesweiten Aktionstag vor allen Modehäusern der Firma von Drathen.
Mit anderen aktuellen Kampagnen setzt sich Ariwa beispielsweise für die Schließung aller Schlachthäuser, für den Verzicht auf Kuhmilch und gegen die Hühnermast ein.
Das Familienunternehmen Von Drathen, gegen das sich die Anti-Pelz-Proteste richten, führt neun Modehäuser, das erste gründete Peter von Drathen 1980 in Düsseldorf.
Mittlerweile gibt es Filialen in Mülheim-Saarn, Essen-Rüttenscheid, Bochum, Dortmund, Aachen, Hagen, Mannheim und Mainz.
Geschäftsführer Peter von Drathen erklärt: „Auch meine Kundinnen halten die Art und Weise der Demonstration nicht für angebracht.“ Im Übrigen machten Waren, für die Pelz verarbeitet wurde, in seinem Modehaus nicht einmal drei Prozent des Gesamtumsatzes aus. Die Proteste hätten bislang keinerlei Verluste nach sich gezogen.
Die Aktivistinnen und Aktivisten wollen ihre „Pelzfrei“-Mahnwachen im neuen Jahr fortsetzen. „Die Demos werden so lange gehen, bis von Drathen umschwenkt“, sagt Ortsgruppen-Mitglied Lars. S., „wir rechnen mit Jahren.“