Mülheim. Die meisten Menschen nutzen Krebsfrüherkennungsprogramme nicht, so der Onkologie-Report der AOK. Mülheimer Frauen sind aber ein gutes Beispiel.

Im Schnitt erkranken hierzulande 560 Frauen und 637 Männer jährlich an Krebs, gerechnet auf je 100.000 Bürgerinnen und Bürger. Der aktuelle Onkologie-Report der AOK (für Städte im Rheinland und Hamburg) hat auch für Mülheim interessante Fakten in Bezug auf Erkrankungen, die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen und die Palliativ-Versorgung zutage gebracht. Die AOK hat in Mülheim rund 42.000 Versicherte.

Was nach den Zahlen der AOK-Versicherten für den Bereich Essen-Duisburg auffällt, ist die Häufigkeit an Lungenkrebs: In einer zehn-Jahres-Untersuchung ist sie hier bundesweit am zweithöchsten. „Wir haben hier einen hohen Anteil an Lungen- und Asthmaerkrankungen bei den Senioren“, sagt Oliver Hartmann, der Regionaldirektor. Zur AOK-Regionaldirektion Ruhrgebiet mit Sitz in Essen gehören Mülheim, Oberhausen, Duisburg und Essen.

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Früher seien Erkrankte oft Beschäftigte im Bergbau gewesen, aber auch „das Rauchen ist ein Thema für uns“, so Hartmann. Das sei nicht ungewöhnlich: „Viele Krebsarten sind Lebensstil-assoziiert.“ Der AOK-Onkologie-Report, dessen Zahlen aus dem Jahr 2019 stammen, macht damit einen wichtigen Faktor für ein Tumorleiden aus: Personen mit niedrigem sozialen Status, mit kleinem Einkommen oder schmaler Rente, erkranken deutlich früher, nämlich sieben Jahre eher, an Krebs. Am häufigsten sind bei Krebs Brustkrebserkrankungen bei den Frauen und Prostatatumore bei den Männern. Dazu gibt es allerdings für Mülheim keine Extradaten.

Jede zweite Mülheimerin geht zur Mammografie, viele Frauen zur Krebsvorsorge

Der Großteil der AOK-Versicherten nutzt die gesetzlichen Krebsfrüherkennungsprogramme nicht oder zumindest nicht im empfohlenen Zeitraum, so das Fazit der Studie. Allerdings sieht es in Mülheim gar nicht so schlecht aus im Vergleich mit anderen Städten: Bei den Frauen nutzen 41,2 Prozent die Krebsfrüherkennung. Zum Vergleich: Um oder unter 40 Prozent liegen weitaus größere Städte wie Duisburg (38,9), Düsseldorf (40) und Hamburg (35,7). Wesentlich höher ist der Wert nur in Solingen mit 46,2 %. Mehr als die Hälfte der berechtigten Mülheimerinnen – nämlich 55,2 % – gehen zur Mammografie. Das Mammografie-Screening zur Früherkennung von Brustkrebs ist Kassenleistung für Frauen von 50 bis 69 Jahre. Höher ist der Wert nur in Leverkusen (56,3), Remscheid (58) und Solingen (59,1).

Mülheimer Männer nutzten die Krebsvorsorgeangebote zu selten

Bei den Männern ist der Anteil jener, die die Krebs-Vorsorge nutzen, erfahrungsgemäß geringer, so Hartmann, der sich das auch anders wünscht. Aber mit 22,8 % liegt Mülheim immer noch bei den Städten mit der höchsten Quote im oberen Feld. Bei der Koloskopie, der Darmspiegelung, gibt es allerdings noch reichlich „Luft nach oben“ so Regionaldirektor Hartmann. Mit 8,4 Prozent ist die Quote in Mülheim sehr niedrig. Nur in Duisburg ist sie mit 4,4 % noch geringer.

Krebspatienten steht eine Rehamaßnahme zu

Krebspatienten aus Mülheim nehmen nur zu einem vergleichbar geringen Anteil an Rehamaßnahmen teil, das ergab die AOK-Studie. Eine Reha (Kur) steht jedem Krebspatienten zu. In Mülheim machen demnach 28 Prozent der Brustkrebspatientinnen, 19,2 Prozent der Darmkrebspatienten und nur rund 15 Prozent der Lungenkrebspatienten eine Reha.

Dies könne damit zusammenhängen, dass Mülheim eine ältere Bevölkerung hat, viele Patienten also körperlich gar keine Rehamaßnahme mehr bewältigen könnten, so AOK-Regionaldirektor Oliver Hartmann. Er hält es aber auch für möglich, dass die „gute, professionelle Struktur der Selbsthilfe im Ruhrgebiet“ hier einiges auffange.

Männern wird ab 50, Frauen ab 55 Jahren empfohlen, eine Darmspiegelung zur Früherkennung zu machen. Auch Hartmann wirbt dafür: „Bei Darmkrebs haben wir im Frühstadium eine hohe Heilungschance.“ Der immunologischer Stuhltest für zu Hause ist längst Kassenleistung, aber auch hier sind die die Nutzerquoten sehr niedrig, Mülheim liegt bei 8,2 %. „Der Test ist genau und einfach“, so Hartmann. Schlimmeres könne der genutzte Test vielleicht verhüten.

Die Krankenhäuser vor Ort halten zertifizierte Krebszentren vor

Grundsätzlich ließen sich zu wenige Krebspatientinnen und Krebspatienten in zertifizierten Krebszentren behandeln, so die AOK. Bei den meisten Krebsarten liege die Behandlungsquote in zertifizierten Zentren unter 50 Prozent. In Mülheim ist das zumindest bei Brustkrebs und bei Darmkrebs nicht so: Brustkrebspatientinnen werden zu 97,8 % und Darmkrebspatienten zu fast 70 % in einem zertifizierten Zentrum behandelt. Nicht nur die Krankenhäuser vor Ort halten diese vor. „Das ist der Vorteil in einem Ballungsraum“, betont Hartmann. Dort seien solche Einrichtungen mit medizinischer Expertise gut zu erreichen.

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Beim Vergleich der Anteile der Krebskranken mit Palliativ-Versorgung schneidet Mülheim nicht gut ab: Mit knapp 59,6 % palliativ versorgten Krebspatienten lag Mülheim auf dem vorletzten Platz, knapp vor Düsseldorf (59,3). AOK-Regionaldirektor Oliver Hartmann verweist darauf, dass die Zahlen des Onkologie-Reports aus dem Sterbejahr 2019 stammen, und dass sich die Spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) in Mülheim erst im Jahr 2019 gegründet hat. SAPV-Teams versorgen Schwerstkranke zu Hause. „Das könnte eine Erklärung für die niedrige Quote sein“, so Hartmann. „Das wird sich inzwischen wesentlich gebessert haben.“

Coronabedingt seltener zum Arzt? Dies lässt sich in Mülheim nicht dokumentieren, wenn man die Entwicklung der neuerkannten Krebserkrankungen im Jahr 2020 mit den Jahren 2017 bis 2019 vergleicht. In Mülheim wurde in 2020 nur 0,2 Prozent weniger Krebsneuerkrankungen bei der AOK-Studie gelistet. Mülheim, bilanziert die AOK, ist hier absolut unauffällig. Im Remscheid, zum Vergleich, ging die Zahl der entdeckten Krebsleiden im ersten Coronajahr um 17,8 Prozent zurück.