Mülheim. Mülheimer Logistikfirmen über die Schwierigkeit, Lkw-Fahrer zu finden. Gewerkschaften fordern bessere Löhne. Das Image spielt auch eine Rolle.

Medienberichte über Kraftstoffmangel an Tankstellen und leere Supermarktregale in Großbritannien häuften sich vor einigen Wochen. Ursache für die Lieferprobleme waren fehlende Fahrer in der Logistikbranche. Zur gleichen Zeit warnte der Bundesverband Güterverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), ähnliches könne sich bald auch in Deutschland ereignen. Wie stellt sich in Mülheimer Speditionsunternehmen die Situation dar? Ist zukünftig mit einem Fahrermangel zu rechnen? Was kann man dagegen tun?

„Dass wir im Transportwesen Schwierigkeiten haben, Arbeitskräfte zu finden, ist schon lange bekannt“, sagt etwa Hajo Fleig auf Anfrage. Schon 2010 hatte der BGL, in dem der ehemaliger Inhaber des Gefahrgutunternehmens Josef Fleig in führender Position tätig war, bereits auf das Fehlen an Brummi-Lenkern aufmerksam gemacht. Dafür, dass er seinen eigenen Betrieb, der mehr als 20 Lkw umfasste, vor zwei Jahren aufgeben musste, sei die mühselige Suche nach qualifiziertem Personal zwar nicht ausschlaggebend, jedoch ein mitentscheidender Faktor gewesen.

Die Bereitschaft der Lkw-Fahrer sinkt, tagelang von Zuhause weg zu sein

Gerade im Fernverkehr trete der Fahrermangel offen zu Tage: „Heute will keiner mehr lange von zu Hause weg sein“, so Fleig. Sobald man in einer festen Beziehung sei und eine Familie gründen wolle, sinke die Bereitschaft, tagelang über die Autobahnen zu fahren.

Bei einer in Broich beheimateten Spedition, die namentlich nicht genannt werden möchte, werden Fernfahrten nur noch an Subunternehmen abgegeben. „Das Geschäft lohnt sich in dem Bereich nicht mit eigenen Fahrzeugen“, berichtet der Disponent, der seit langen Jahren in der Branche tätigen Firma. Die Preise seien durch die osteuropäische Konkurrenz in die Knie gegangen: „Die bezahlen ihre Angestellten mit einem Viertel des in Deutschland üblichen Lohns.“

Einen Mangel an Lkw-Fahrern hat das Mülheimer Unternehmen Karls Transporte GmbH nach Aussage des Inhabers nicht. Einen Grund für die Probleme vieler sei in denen an die Trucker gestellten Anforderungen zu sehen, wenn der Lkw-Fahrer auch noch be- und entladen müsse.
Einen Mangel an Lkw-Fahrern hat das Mülheimer Unternehmen Karls Transporte GmbH nach Aussage des Inhabers nicht. Einen Grund für die Probleme vieler sei in denen an die Trucker gestellten Anforderungen zu sehen, wenn der Lkw-Fahrer auch noch be- und entladen müsse. © Karls Transporte

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Und der ist sowieso alles andere als üppig. In der besten Gehaltsgruppe beträgt der Stundenlohn nach Tarifvertrag knapp über 13 Euro brutto, weiß Hermann Völlings von der für die Trucker zuständigen Gewerkschaft Verdi. Die meisten Betriebe der Branche zahlen eher noch weniger, da sie keinem der Arbeitgeberverbände angehören und somit nicht an Tarife gebunden sind. Während viele der befragten Unternehmen mitteilen, ihre Flotte reduziert zu haben und manchen Lkw nicht mit Fahrern besetzen zu können, bietet sich bei der Karls Transporte GmbH ein anderes Bild.

Ratlosigkeit auch in Mülheim, wie Trucker-Nachwuchs gefunden werden kann

„Einen Mangel an Fahrern haben wir bei uns nicht“, erzählt Inhaber Christopher Hielen. Alle acht Lkw seien im Einsatz bei dem auf Sattelkipper spezialisierten Unternehmen. Einen Grund für die Probleme der anderen Betriebe sieht Hielen in den an die Trucker gestellten Anforderungen: „Viele möchten nur am Steuer sitzen und nicht noch be- und entladen. Bei unseren Fahrzeugen reicht es, ein Knöpfchen zu drücken.“

Fahrermangel zeigt sich in zwei Jahren

Laut des Spitzenverbands der Logistikbranche BGL könne in zwei Jahren ein Lieferkettenzusammenbruch bevorstehen. Dem jährlichen Abfluss von 30.000 Lkw-Fahrern in den Ruhestand stünden nur 17.000 Neueinsteiger entgegen.

Dadurch würde der derzeitig bestehende Mangel an bis zu 80.000 Berufskraftfahrern immens vergrößert werden. Der Verband fordert daher in einem fünf-Punkte-Plan die Verantwortlichen zum Handeln auf.

Entscheidend seien Verbesserungen bei der Wertschätzung und den Arbeitsbedingungen, Vereinfachung der Berufsqualifikation, Förderung der Digitalisierung und Erleichterung bei der Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland.

Darüber, wie Nachwuchs rekrutiert werden kann, herrscht Ratlosigkeit bei den Transportunternehmen. „Der Zugang zum Führen eines Lkw müsste erleichtert werden“, schlägt Thomas Schwarz vor, Geschäftsführer der im Hafen ansässigen Schwarz GmbH & Co. KG. Sein Betrieb bildet keine Berufskraftfahrer aus: „Das können wir uns nicht leisten.“ Die Kosten für die Ausbildung lägen bei rund 10.000 Euro.

Hermann Völlings glaubt, dass eine bessere Entlohnung den Beruf für junge Leute attraktiver machen könne: „Sonst werden wir den durch die Altersstruktur bedingten Verlust an Fahrern nicht kompensieren.“ Aber ebenso seien Verbesserungen am Image des Berufsbilds notwendig. „Die Fahrer werden zum Teil sowohl von den Kunden als auch von der eigenen Branche schlecht behandelt“, findet Hajo Fleig. „Viele Leute glauben immer noch, dass nur Vollidioten auf dem Bock sitzen würden.“