Mülheim. Die Mülheimerin Kerstin Altenrath begleitet Trauernden ein Stück des Wegs zurück ins eigene Leben. Sie sagt: „Trauer ist bunt und nicht schwarz.“
„ÖkumTrauBe“ nennt sich die Ökumenische Trauerbegleitung der Katholischen Kirchengemeinde St. Mariä Himmelfahrt und der Evangelischen Kirchengemeinde Broich-Saarn. In der bei Ärzten, in Bestattungsunternehmen und Gesundheitsämtern ausliegenden Broschüre steht noch der Zusatz „links der Ruhr“. Mit dem unlängst in der Auferstehungskirche Heilig Kreuz in Dümpten eröffneten „Familien-Trauercafé mit Kind“ unternahm die Initiative einen bewussten Schritt zur rechten Ruhrseite und damit für ganz Mülheim.
Trauerbewältigung ist angesichts einer Gesellschaft, in der Tod und Trauer eher totgeschwiegen werden, wichtiger denn je, wissen der Pfarrer Christoph Pfeiffer und die Familien-Trauerbegleiterin Kerstin Altenrath. Viele veraltete Trauervorstellungen prägen nach wie vor das gesellschaftliche Bild. Das Trauerjahr kleidungsmäßig in Schwarz zu verbringen, zum Beispiel. Doch dann muss Schluss sein mit der Trauer, wird immer noch häufig gefordert. Altenrath und Pfeiffer aber sind überzeugt: Niemandem darf vorgeschrieben werden, wann wie zu trauern ist.
In Mülheim gibt es ein neues Angebot: Ein spezielles Familien-Trauercafé mit Kind
„Viele trauen sich nicht, gemeinsam zu trauern, sie denken, sie müssten es alleine schaffen“, erzählt Altenrath. Im Trauer-Café gibt es die wunderbare Chance, sich zwanglos mit Menschen, die Ähnliches erlebt haben, auszutauschen. Im Café wird nicht gebetet. Darauf legt Altenrath großen Wert. „Da wird gequasselt“, wirft Pfeiffer ein. Ob katholisch oder evangelisch, ob freikirchlich oder Atheist, jeder ist willkommen.
Bei der Trauerbewältigung reagiert jeder anders, oft kehren längst überwunden gemeinte Gefühle plötzlich wieder zurück. Vor allem die Wut, allein gelassen worden zu sein. Bei Geburtstagen und Jubiläen etwa, die nicht mehr gemeinsam gefeiert werden können. Altenrath hilft, diese Gefühle wahrzunehmen und zu akzeptieren, mit der eigenen Trauer umzugehen und zu leben. „Ziel ist es, Verstorbene neu zu verorten, nämlich im Herzen, dann hat man sie immer bei sich.“
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Trauern im Familienkreis ist oft schwierig, wissen Altenrath und Pfeiffer. Meist kümmern sich die Familienmitglieder um die anderen, vergessen aber sich selbst, wollen niemanden belasten. Deshalb gibt es im „Familien-Trauercafé mit Kind“ mit Bettina Griebenow eine eigene Kinder- und Jugend-Trauerbegleiterin, so dass sich Erwachsene und Kinder unabhängig voneinander mit ihrer persönlichen Trauer auseinandersetzen können. Offen mit dem Tod umzugehen, ist sehr wichtig, sagt Altenrath. Sie rät, Kinder lieber zur Beerdigung mitzunehmen, sie nicht auszuschließen, denn dadurch wird der Tod angstbehaftet. „Alles, was Angst macht, ist nicht gut.“
Trauer verschwindet nicht, sagt die Mülheimer Trauerbegleiterin
„Trauer verschwindet aber nicht“, betont Altenrath. Es wirkt wie ein häufig benutztes Mantra, bezieht sich aber auf das veraltete Modell der Trauerbewältigung mit Trauerphasen. „Das hatte was mit Leistung zu tun. Eine Phase nach der anderen abzuhaken.“ So verläuft Trauer allerdings nicht, darin sind sich alle Untersuchungen einig, das belegen auch persönliche Erfahrungen. „Jeder Mensch trauert auf eigene Weise, und dabei unterstütze ich ihn.“ Kerstin Altenrath möchte den Menschen Mut machen, ins Trauer-Café zu kommen. „Nicht bearbeitete Trauer kann krank machen.“
Trauercafés in Mülheim
Trauercafé für alle: Evangelisches Gemeindehaus, Holunderstraße 5 in Saarn, ohne Anmeldung. Jeden 2. Montag im Monat und am letzten Montag im Monat, jeweils von 17 bis 18.30 Uhr.Familien-Trauercafé mit Kind: Auferstehungskirche Heilig Kreuz in Dümpten, letzter Freitag im Monat von 16 bis 18 Uhr. Anmeldung erforderlich.Ansprechpartnerinnen und Trauerbegleiterinnen: Kerstin Altenrath, 0176-56615166 und Bettina Griebenow 0208-71653. Es gilt die 3G-Regel sowie die aktuelle Corona-Schutzverordnung.
„Trauer verändert sich, und Trauer verändert auch den Menschen, der weiterlebt. Es wird nicht alles wieder gut“, betont Altenrath. „Aber es wird anders gut.“ Zum Beispiel durch ganz persönliche Rituale, etwa eine Kerze vor dem Foto einer Verstorbenen anzuzünden und damit Erinnerungen wiederzubeleben. „Eigene Rituale zu schaffen, das gibt Halt.“
„Es geht darum, gemeinsam auf dem Weg der Trauer voranzukommen.“
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Viele Trauernde haben Angst, glücklich zu sein. Doch Altenrath weiß, wie wichtig es ist, als Trauernder etwas Schönes für sich zu tun, zum Beispiel den Frühstückstisch nur für sich selbst hübsch einzudecken. „Es ist eine Waagschale. Der Tod ist auf der einen Seite, und dann ist es eben wichtig, die andere zu füllen, um in ein Gleichgewicht zu kommen. Positive Elemente aus dem eigenen aktiven Leben hineinzutun, das ist der Weg. Trauer ist bunt und nicht schwarz.“