Mülheim. Am Ende war es nicht nur die schwarz-grüne Koalition, die dem Mülheimer Doppel-Haushalt für 2022 und 2023 zustimmte. Zwei Fraktionen gingen mit.

Mit der großen Mehrheit von 42 der 50 möglichen Stimmen des Stadtrates hat die Mülheimer Koalition aus CDU und Grünen am Donnerstag ihren Doppel-Haushalt für die Jahre 2022 und 2023 durchgebracht.

Möglich war dieses eindeutige Votum, weil SPD und FDP auch ihre Zustimmung gaben für den Doppel-Etat, der das überschuldete Mülheim durch den Stärkungspakt bringen soll. Erneut sind – dank Millionen-Hilfen vom Land, die zumindest noch für 2022 fließen, keine neuen Schulden im Kernhaushalt vorgesehen. Der Haushalt wird in den kommenden Jahren jeweils gut 880 Millionen Euro schwer sein; dabei sollen kleine Überschüsse herausspringen.

Grünen-Fraktionssprecher: „Ein denkwürdiges, ein fast schon historisches Ereignis“

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Ausgespart sind dabei aber die erheblichen Millionensummen, mit der die Stadt durch die Corona-Pandemie belastet wird. Sie dürfen laut Landesregelung „isoliert“ werden, andernfalls wäre ein Haushaltsausgleich schwer möglich gewesen. Zukünftige Generationen werden aber mit den Schulden konfrontiert werden.

Im Hier und Jetzt zeigten sich CDU und Grüne sehr zufrieden damit, endlich einmal nicht mehr schmerzliche Einsparungen oder Steuererhöhungen beschließen zu müssen. „Das ist ein denkwürdiges, ein fast schon historisches Ereignis“, sagte Grünen-Fraktionssprecher Tim Giesbert.

Küsters (CDU) sieht im Etat „eine erste politische Ausrichtung“ von Schwarz-Grün

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Insbesondere Giesbert betonte, dass „der quälende Stillstand der vergangenen Jahre“ aus seiner Sicht überwunden sei. Der Unterschied zwischen OB Marc Buchholz (CDU) zu seinem Amtsvorgänger Ulrich Scholten (SPD) sei „deutlich spürbar und wohltuend“.

Giesbert wie CDU-Fraktionsvorsitzende Christina Küsters betonten, dass die Gestaltungsspielräume der überschuldeten Stadt zwar weiter beschränkt seien, Schwarz-Grün aber im Kleinen, etwa durch Mittel für eine Solar- und Grünbedachung auf städtischen Gebäuden, für eine personelle Aufstockung des Kommunalen Ordnungsdienstes oder kleine Zuschüsse etwa für Kultur oder Soziales „eine erste politische Ausrichtung“ (Küsters) zeige.

Trotz Zustimmung: Auch kritische Töne von SPD und FDP

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SPD-Fraktionschefin Margarete Wietelmann kritisierte trotz Zustimmung insbesondere die Schaffung einer fünften Dezernentenstelle als „Luxus, den sich unsere Stadt nicht leisten kann“. Das Geld wäre besser in der Bildung angelegt gewesen. Außerdem mahnte sie erneut an, zusätzliche Einnahmen durch Gewerbeansiedlungen zu generieren.

Peter Beitz als Fraktionschef der FDP betonte, dass seine Fraktion dem Etat vor allem zustimmen könne, weil er keine weiteren Steuererhöhungen vorsehe. Er mahnte bei der Koalition aber an, beim Klimaschutz pragmatisch zu handeln, den ÖPNV „ohne Aufblähen der Kosten“ zum Mittel der Klimawende umzubauen sowie Mehreinnahmen nicht dazu zu nutzen, Einzelinteressen zu bedienen, sondern dazu, die hohen Steuersätze Mülheims wieder zu senken.

Fundamentalkritik von den MBI und aus dem linken Spektrum

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Fundamentalkritik gab es von den MBI, den Linken und WIR AUS Mülheim, AfD (nur einer von vier Ratsmitgliedern anwesend) und BAMH (Ratsmitglied Wagner erkrankt) blieben ohne Redeauftritt. Der vorgelegte Etat sei perspektivlos, sagte etwa MBI-Sprecher Lothar Reinhard, der weiter Initiativen vermisst etwa zur groß angelegten interkommunalen Zusammenarbeit in der Metropole Ruhr, zur Auflösung oder Rückführung städtischer Gesellschaften unter das Dach der Verwaltung.

Für Linken-Sprecherin Andrea Mobini bringt der Doppel-Etat „keine Verbesserung für Bürger“. Sie kritisierte die fünfte Dezernentenstelle ebenso wie die ausbleibenden Lösungen zur VHS-Sanierung und zum klimagerechten ÖPNV-Ausbau. Cevat Bicici (WIR AUS Mülheim) beklagte insgesamt das Ausbluten kommunaler Daseinsvorsorge.

Die Satirepartei „Die Partei“ markierte – passend zum 11.11. – den Schlusspunkt der Etatreden. Dominik Messink verlas exakt die in bissige Satire gepackte Rede, die seine Ratskollegin Sonja Strahl schon zum Etat 2021 und zum kritischen Zustand der Stadt vorgetragen hatte. Sie habe ja „nichts an Aktualität verloren“. . .