Mülheim. Nach dem Urteil zur Schweigen-ist-Zustimmung-Regel zahlt die Sparkasse Oberhausen eine Million Euro aus. Mülheimer Sparkasse prüft Einzelfälle.

Verunsicherung und Unmut sind groß unter Sparkassen- und Bankkunden wegen der teils unterschiedlichen Reaktionen der Kreditinstitute auf das Urteil des BGH zur Gebührenerhöhungen ohne aktive Zustimmung. Verbraucherzentrale NRW und Finanzaufsicht betonen, dass es sich keineswegs um Einzelfälle handelt, sondern so gut wie jeden Kontoinhaber betrifft. Die Mülheimer Sparkasse will im „rechtlich begründeten Einzelfall“ auch erstatten. Pauschal zahlen, so wie die Sparkasse in Oberhausen es angekündigt hat, will man in Mülheim aber nicht.

Laut dem BGH-Urteil vom April dieses Jahres reicht es nicht, wenn Kontoinhaber nicht wider­sprechen, wenn es zu Preis­erhöhungen oder für die Kunden ansonsten ungüns­tige Veränderungen der Bedingungen von Banken und Sparkassen kommt.

Sparkasse Oberhausen zahlt eine Million Euro an ihre Privatkunden aus

Die Sparkasse in Oberhausen hat nun angekündigt, die seit ihrer letzten Erhöhung der Kontoführungsgebühren im April dieses Jahres entstandenen Mehreinnahmen an ihre 100.000 privaten Kontoinhaber zurückzuzahlen – in Summe rund eine Million Euro.

„Die Sparkasse Oberhausen erstattet freiwillig die Gebühren für einen sehr kurzen Zeitraum, ohne dass sich dies aus der Ableitung des Urteils zwingend begründen lässt“, beurteilt Frank Hötzel, Pressesprecher Sparkasse Mülheim, den Vorgang in der Nachbarstadt und hält die zeitliche Nähe des höchstrichterlichen Urteils und der Gebühren­erhöhungen bei der Oberhausener Sparkasse – beides datiert auf April 2021 – für einen Auslöser. „Unsere Entscheidung für eine Gebührenerhöhung im Jahr 2018 ist in Unkenntnis irgendwelcher BGH-Urteile, die drei Jahre später gesprochen werden, gefallen“, so Hötzel und betont: „Wir haben die Preise zum 30. September, wie vom BGH verlangt, zurückgesetzt.“

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Wenn sich Ansprüche von Kunden im Einzelfall rechtlich begründen ließen, dann wolle auch die Mülheimer Sparkasse erstatten, räumt deren Sprecher ein. „Hierzu muss ein Anspruch mit konkreten Beträgen schriftlich an uns formuliert werden. Wir haben eine Stelle im Haus eingerichtet, die die Anfragen bündelt und den möglichen Erstattungsanspruch berechnet“, so Hötzel.

Bisher haben nach Aussage des Pressesprechers rund 800 der insgesamt rund 80.000 Mülheimer Sparkassen-Kunden einen Erstattungsantrag gestellt. „Das sind nur gut ein Prozent unserer Kunden, was wir als Bestätigung sehen, dass unsere Leistungen zu jedem Zeitpunkt den Preis wert waren, den unsere Kunden dafür bezahlt haben. Daher sehen wir auch weiter keinen Raum für pauschale Rückforderungsansprüche“, so Hötzel.

Erstattungsanträge bei der Mülheimer Sparkasse liegen zwischen 10 und 80 Euro

Die Höhe der Erstattungsanträge liege bei der hiesigen Sparkasse zwischen 10 und 80 Euro. Aber: „Bisher sind noch keine Beträge erstattet worden. Da das eigentliche Urteil ja die Zustimmungsregel gekippt hat, aber nicht die Gebühren im Fokus hat, mussten wir hier erst die Empfehlungen, die aus der Urteilsbegründungen ableitbar sind, abwarten“, erklärt Hötzel und stellt in Aussicht: „Kunden, die konkrete Anfragen gestellt haben, können nun im Laufe des Novembers mit Rückerstattungen rechnen.“

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Jetzt hat sich auch die Finanzaufsicht Bafin eingeschaltet und fordert die Geldinstitute dazu auf, das Urteil des Bundesgerichtshofs unbürokratisch umzusetzen und zu Unrecht erhobene Entgelte zurückzuerstatten. „Das Urteil des BGH hat Auswirkungen auf fast jede Bankkundenbeziehung“, erklärte Bafin-Präsident Mark Branson. Die Bafin verlangt nun von Banken und Sparkassen, ihre Kunden „umfassend, klar und verständlich“ über die Konsequenzen des BGH-Urteils zu informieren.

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Sparkasse Mülheim verschickt aktuell ihre neuen AGB

Die Sparkasse Mülheim sieht sich da mit ihren neuen AGB, die aktuell verschickt werden, auf einem guten Weg. „Wir gehen offensiv mit dem Thema um und machen die Preise unserer Konten transparent“, betont Hötzel. Mancher Kunde allerdings fühlt sich durch das Anschreiben an einen fadenscheinigen Vertrag von windigen Verkäufern erinnert, der keinen vertrauenswürdigen Eindruck hinterlasse.

Dass sich nun auch die Finanzaufsicht eingeschaltet und den Druck auf die Geldinstitute erhöht hat, registriert auch die Verbraucherzentrale. „Nach unserer Rechtsauffassung ist es richtig, zu hohe Gebühren zu erstatten“, sagt David Riechmann, Finanzexperte der Verbraucherzentrale NRW, der die Praktiken einiger Banken und Sparkassen kritisiert: „Manche Geldinstitute tun so, als ob sie das Urteil nicht betrifft, was Quatsch ist, aber die Kunden irritiert das.“ Um den Kontoinhabern zu mehr Rückendeckung zu verhelfen, strebt der Dachverband der Verbraucherzentrale zwei Musterfeststellungsklagen an.

Generell könnte das BGH-Urteil zur Schweigen-ist-Zustimmung-Regel auch Belang in anderen Bereichen haben, so Bankenjurist Riechmann: „Immer wenn Preise angepasst werden und der Kunde schweigt, kann das zu so ein Fall werden.“