Mülheim. Mit sieben Sinfonie-Abenden und vier Specials melden sich die Mülheimer Sinfonie-Konzerte zurück. Wie der Weg in die Normalität gelingen soll.

Für nicht Wenige waren die Sinfoniekonzerte in der Mülheimer Stadthalle so etwas wie das vertraute Wohnzimmer: ungezwungene Atmosphäre, familiäre Gespräche mit den Künstlern – man kannte sich oder lernte sich kennen. Daran wollen das Konzertbüro und Konzert-Dramaturgin Eva-Susanne Rohlfing wieder anschließen. Ein Glanzpunkt der neuen Saison mit elf Aufführungen: das Wunschkonzert zum Abschluss.

Beliebtes oder seltene Kleinode? Das Wunschkonzert lässt seine Zuhörer darüber abstimmen

Und das passt geradewegs in diese Zeit, die auch für Klassikinteressierte eine echte Durststrecke bereit hielt. Denn jetzt sollen sich Kunstfreunde und Kultur wieder laben können. Ganz demokratisch per Wahlzettel wählen die Besucher aus zwischen jeweils zehn Werken aus den Bereichen Ouvertüre, Violinkonzerte und Sinfonien.

Mikhail Glinka oder Wagner? Beliebtes oder lieber selten Gehörtes? Die Neue Philharmonie Westfalen und Solistin Latica Honda-Rosenberg haben sich Gedanken gemacht, wonach es der ausgezehrten Klassik-Gemeinde hungern könnte. Bis zum 15. Februar können sie per Wahlkarte im Programmheft oder per E-Mail (siehe Info-Kasten) darüber abstimmen.

Star-Klarinettist Daniel Ottensamer spielt zum Auftakt der Sinfonie-Konzerte. 
Star-Klarinettist Daniel Ottensamer spielt zum Auftakt der Sinfonie-Konzerte.  © Julia Stix

Auftakt mit Soloklarinettist Daniel Ottensamer und dem Mendelssohn Kammerorchester Leipzig

Weitere sieben Sinfonie-Abende in den kommenden sieben Monaten sind geplant. Den Start macht das Mendelssohn Kammerorchester Leipzig am 8. Oktober mit dem Soloklarinettisten Daniel Ottensamer – für die Dramaturgin und Cellistin Eva-Susanne Rohlfing wohl einer der „Klarinettenmeister der Welt“.

Im Gepäck hat der Klarinettist Werke der Komponisten Rossini und Donizetti, zudem sind die Sinfonie Nr. 83 von Haydn und die Streichersinfonie von Mendelssohn Bartholdy zu hören. Am 12. November bringt das Prague Royal Chamber Orchestra Dvoraks Serenade für Streicher, Werke von Saint-Saens und Grieg zu Gehör. Der 3. Dezember bringt Brahms und Tschaikowsky in die Stadthalle. Zu Gast ist das National Symphony Orchestra of Ukraine.

Der Dezember und Januar stehen aber auch im Zeichen zweier besonderer Auftritte: Das Weihnachtskonzert (12.12.) gestalten die Niederrheinischen Sinfoniker mit der Star-Sopranistin Sophie Witte. Das Wiener Neujahrskonzert gibt das Europäische Festival Orchester mit Sopranistin Nina Koufochristou und Tenor Raphael Pauß.

Was die dicke Tuba mit den Wikingern zu tun hat

Als drittes Spezial begeben sich die Mülheimer Sinfonie Konzerte auf eine „Expedition Tuba“. Was hat das gewaltige Blechblasinstrument wohl mit den Wikingern zu tun? Zum Familienkonzert am 6. Februar wird das Rätsel von Péter Lajos Kánya (Tuba) und Till Hoffmann (Klavier) gelöst.

Vorgriffsrecht haben die Abonnenten, ab dem 27. September aber gehen – peu à peu – die Konzerte in den öffentlichen Verkauf. Das heißt aber auch: Sie sind nicht alle sofort buchbar, sondern nur Monat für Monat. Eine Vorsichtsmaßnahme, mit der man auf die noch immer unsicheren Corona-Entwicklungen eingehen will, erklärt Stefanie Steinberg vom Konzertbüro.

Behutsam zurück in die Konzert-Normalität: Künstler geben zwei Auftritte pro Abend

Mitmachen beim Wunschkonzert

Das volle Programm sowie die Kartenbestellung findet man unter theaterkonzertbuero.de oder per E-Mail unter: sinfoniekonzerte@muelheim-ruhr.de.

Die Wahlkarten für das Wunschkonzert am 24. April 2022 liegen den öffentlich ausliegenden Flyern bei. Oder man sendet seine Wahl aus den Kategorien Ouvertüre, Violinkonzert und Sinfonien bis zum 15. Februar an die oben angegebene E-Mail-Adresse.

Dabei gibt es auch etwas zu gewinnen: Unter allen Einsendern wird ein Konzert-Abonnement für die Saison 2022/23 verlost.

Behutsam will man auch zu den Veranstaltungen vorgehen: Statt eines Konzertes pro Abend legen sich die Musiker ins Zeug und geben zwei, damit im großen Saal der Stadthalle großzügiger Abstand sogar nach vorne und hinten eingehalten werden kann. Jede zweite Reihe bleibt also frei. Es gilt die 3G-Regel. Zusammensitzen kann man als Paar, Familie oder Freunde dennoch: „Wir verteilen die Sitzplätze per Hand, damit wir optimal alle Wünsche berücksichtigen können“, erläutert Steinberg.

Ein großer Aufwand? Ja, räumt auch Dramaturgin Rohlfing ein. Aber eben das gehört mit zu der familiären Atmosphäre, mit der sich die Mülheimer Sinfonie-Konzerte über die Jahre einen ausgezeichneten Ruf erspielt hat. Von einst 250 Abonnenten hat sich die Reihe – nunmehr im 65. Jahr – vor Corona auf rund 450 nahezu verdoppeln können.

Übrigens: Nicht nur ausgewählte Klassik-Freunde sind darunter, sondern inzwischen auch viele junge Leute, die man durch gute Kontakte zu Mülheimer Schulen interessierten konnte. Und darüber hinaus: Im Radius von gut 50 Kilometern finden die Sinfonie-Konzerte ihre Zuhörer – Ratingen, Essen, Düsseldorf, Dortmund. Zu diesen erfolgreichen Zahlen will man also wieder zurück.

Künstler wertschätzen die gute Akustik der Stadthalle und die persönliche Nähe zum Publikum

Guten Ruf genießt die Reihe ebenso bei den Künstlern: „Sie schätzen genauso die gute Akustik in der Stadthalle“, sagt Rohlfing, und die sehr persönliche Nähe zum interessierten Publikum. So gibt es stets 20 Minuten vor Konzertbeginn eine kleine Einführung, man stellt Solistinnen, Dirigenten oder ein Instrument vor. Darin sieht Rohlfing nicht zuletzt die wichtige Zutat für die Beliebtheit der Sinfonie-Reihe.

„Unser Team hat Power“, freut sich die Dramaturgin auf magische Konzert-Momente. Die Rückkehr zur Normalität werde vielleicht noch ein paar Schritte benötigen – „aber das Bewusstsein für den Schatz ,Live-Musik’ ist schon da.“