Corona-bedingt verteilt sich das Klavierfestival Ruhr übers Jahr. Die zweite Staffel eröffneten die Jussen-Brüder: charmant und ohne Eitelkeiten.
Sie gehören gewiss zu den interessantesten und charmantesten Entdeckungen des Klavier-Festivals Ruhr. Lucas & Arthur Jussen, das niederländische Klavier-Duo, gab jetzt in der Mülheimer Stadthalle den Startschuss zu einem herbstlichen Nachschlag des Festivals, für den Intendant Franz-Xaver Ohnesorg 30 Konzerte angesetzt hat. Das junge Brüder-Paar, das das Publikum seit seinem ersten Auftritt vor drei Jahren in sein Herz geschlossen hat, riss die Hörer auch diesmal zu Begeisterungsstürmen hin.
Auch wenn ein Programm geboten wurde, das nicht auf Anhieb von Herz zu Herzen ging. Das betrifft vor allem die Fassung für zwei Klaviere von Igor Strawinskys einstigem Skandalstück „Le Sacre du Printemps“. Diese vom Komponisten selbst erstellte Version hat mittlerweile Eingang in das Standardrepertoire ambitionierter Klavier-Duos gefunden und die Frage, wieviel an klanglichem Kolorit und dynamischem Druck durch die Reduktion des extrem raffiniert instrumentierten Orchesterstücks verlorengeht, stellt sich längst nicht mehr. Auch nicht für die Brüder Jussen, die die rhythmische Prägnanz und die melodische Substanz der Ballettmusik ins Zentrum ihrer Interpretation stellen.
Artur und Lucas Jussen sind erklärte Publikumslieblinge beim Klavierfestival
Auf dynamische Eruptionen und eitle Extravaganzen legen sie keinen Wert. Dafür aber auf eine ausgefeilte, lupenrein exakte Ausarbeitung der diffizilen rhythmischen Strukturen. Dass sich die Brüder offenbar mit telepathischem Einvernehmen verständigen können, erleichtert die Genauigkeit ihrer Darstellung, die die immer noch prickelnde Modernität des Werks durch seine Substanz und nicht durch effektvolle Kraftmeierei spüren lässt.
Etwas verbindlicher ging es im ersten Teil des Programms mit Werken von Sergej Rachmaninow zu. Mit der Auswahl dreier Stücke aus den Six Morceaux (Stücke) op. 11 und der Suite Nr. 2 op. 17 gingen die Blondschöpfe jedem Klischee aus dem Wege, das in Rachmaninow einen virtuosen Tastentiger oder einen plüschigen Salonlöwen sehen will, der er nie gewesen ist. Besonders in den relativ schlichten, möglicherweise deshalb wenig beachteten „Morceaux“ ließ das Duo den feinsinnigen, introvertierten Rachmaninow erklingen.
Ein schillernder, aber uneitler Bogen von Bach bis Rachmaninow
Und diese noblen Tugenden vergaßen die Interpreten auch nicht in den temperamentvolleren, virtuoseren Sätzen der bekannteren Suite. Begeisterter Beifall, auch nach Strawinskys „Sacre“, für den sich Lucas & Arthur Jussen mit einem relativ einfachen, aber umso ausdrucksstärkeren Choral von Johann Sebastian Bach bedankten.