Mülheim. Beim 5. Sinfoniekonzert in Mülheims Stadthalle begeisterte die Deutsche Kammerakademie Neuss. Eine Balance zwischen Spiel und tiefer Bedeutung.
Als ein „Konzert von ganz besonderer Art“ bezeichnete Mozart gegenüber seinem Vater sein Klavierkonzert KV 449. Damit meinte er wohl das, was spätere Kommentatoren als „Übergang in eine neue Schaffensphase“ bezeichneten, eine gewisse Loslösung von vorgegebenen Mustern hin zu größerer Dichte und individuellem Ausdruck. Die souveräne Art, mit der der Pianist Alexander Krichel im 5. Sinfoniekonzert in der Stadthalle zusammen mit der Deutschen Kammerakademie Neuss unter Christoph Koncz diesen Balanceakt zwischen elegantem Spiel und tieferer Bedeutung realisierte, forderte stürmischen Beifall heraus. Danach eine Zugabe von Liszt, die den Künstler auch als Meister romantischer Klangmalerei zeigte.
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Eingerahmt wurde das Klavierkonzert von zwei Haydn-Sinfonien, denen durch nachträglich verliehene Beinamen eine gewisse Programmatik unterlegt wurde. Die Bezeichnung „Der Philosoph“ bezieht sich auf den unkonventionell langsamen ersten Satz, der von einem mahnenden Dreiklangsmotiv der Bläser über ständig bewegten Streichern beherrscht wird. Haydn sprach später von einer „Unterredung zwischen Gott und einem leichtfertigen Sünder“, ohne allerdings ausdrücklich auf diesen Satz Bezug zu nehmen.
Endzeitmusik beim 5. Sinfoniekonzert in Mülheim
Weit über den Rahmen eines geistreichen Spiels hinaus ging die Interpretation der berühmten „Abschiedssinfonie“, deren spannungsgeladene Dramatik mancher beim gemütlichen „Papa Haydn“ wohl weniger erwartet hätte.
Im ersten Satz ein beherrschendes, oft gewaltsam herabstürzendes Dreiklangsmotiv wie eine Vorahnung auf Beethovens „Neunte“, im zweiten eine mit äußerster Sensibilität redende Resignation, im Menuett sperrige Akzente und ein Rückgriff auf eine gregorianische „Lamentatio“, der Wirbel des letzten Satzes eher grimmig als fröhlich: Wenn danach zu einer mit Grazie klagenden Melodie der „Abschied“ beginnt, kann man das Gefühl haben, einer „Endzeitmusik“ beizuwohnen, in der sich ein unausweichliches Fatum vollzieht.
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Fragen nach den Problemen eines Künstlerlebens
Robert Schumann berichtete über eine Aufführung „...auch lachte niemand dabei, da es gar nicht zum Lachen war.“ In Mülheim wurde verhalten gelacht, nicht ganz zu Unrecht: Durch die Abgangs-„Show“ wird das Drama auf die Ebene des Biografisch-Zufälligen herabgeholt, wird ironisiert und verliert seine bedrängende Allgemeingültigkeit. Humor ist eben auch ein Weg, seine Haut zu retten...
Danach war eine konventionelle Zugabe nicht so recht möglich. Die fand gewissermaßen im Kammermusiksaal statt, wo eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern der Luisen-Schule im Rahmen des Projektes „Rhapsody in School“ den Pianisten und den Dirigenten nach den mehr oder weniger alltäglichen Problemen eines Künstlerlebens fragen konnte. Zum Schluss gab es Süßigkeiten mit Autogrammen – der jungen Musikfreunde an die Künstler, nicht etwa umgekehrt.