Mülheim. 800 Fälle „wilder Müllkippen“ konnten die Mülheimer Mülldetektive aufklären. 800 Mal aber blieben sie erfolglos. Wie effizient ist das Konzept?

Es geht um Sauberkeit in der sympathischen Stadt an der Ruhr, aber auch um viel Geld: 1600 wilden Müllkippen sind die neuen „Mülldetektive“ in nur einem Jahr nachgegangen, darunter gut 800 Fälle, in denen „Müllsünder“ beraten und zur Beseitigung aufgefordert worden sind. Mindestens genauso viele Fälle jedoch liefen ins Leere, weil die Täter nicht aufgespürt werden konnten. Wie schlagkräftig sind die Schnüffler gegen wilden Unrat in der Stadt tatsächlich?

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Mülldetektive kosten die Stadt Mülheim rund 650.000 Euro

Der genaue Blick lohnt sich, schließlich geht es um viel Geld: Rund 650.000 Euro zahlen Bürger über die Müllgebühren, um damit die sechsköpfige „mobile Stadtsauberkeits- und Beratungsgruppe“ (MSB) beim Entsorgungsunternehmen MEG zu finanzieren – das sind etwa 110.000 Euro pro Spürnase, aber ebenso Kosten für Einsatzfahrzeuge, Wochenendzuschläge, weitere Sachkosten und ein „Risikozuschlag“ wegen der zeitlichen Befristung des Modells sind darin enthalten. Das machte Umweltdezernent Peter Vermeulen im Dezember 2020 im Rat der Stadt deutlich.

Für die beauftragte MEG ist das Fazit bereits eindeutig: Der Entsorger attestiert seinen Detektiven eine „positive Bilanz“, auch dank eines weiteren „Mitglieds“ – dem Bürger, der viele Hinweise gegeben habe, denen sie nachgehen konnten. An einigen der 240 Depotstandplätze habe sich der Einsatz der Gruppe „herumgesprochen“, sodass die Gruppe an diesen Stellen seltener ausrücken müsse, heißt es in einer Presseerklärung.

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MEG bescheinigt ihren Mülldetektiven: Sie sind eine „unverzichtbare Einheit“

Kein Müllsünder kann sich in der Stadt unbeobachtet fühlen – weder am Tag noch in der Nacht“, wirbt Einsatzleiter und Projektleiter Florian Schmiedt. Die Gruppe sei sogar eine „unverzichtbare Einheit“, behauptet die MEG wohl mit Blick auf die kommende Etat-Sitzung, in der auch die Müllgebühren festgesetzt werden. Denn bisher sind die Mülldetektive im Probelauf für nur ein Jahr. Bis Jahresende muss der Rat entscheiden, ob man weiterhin das Geld für sie ausgeben will. Ein gutes Abschneiden des Pilotprojekts ist also entscheidend.

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Doch richtig ist auch: Es könnte noch ein langer Weg bis zum Ziel – wilde Müllkippen zu verhindern – werden. Von den 1600 Fällen in den vergangenen sieben Monaten haben die Detektive bisher nur rund 35 Fälle an die Verwaltung übergeben. Das sind zwar 35 mehr als in den Vorjahren, doch auf die Zahl der Fälle insgesamt betrachtet nur etwas mehr als zwei Prozent. So bleibt der Rest also zu einem großen Teil Dunkelziffer. Und geht damit weiterhin zu Lasten der Allgemeinheit.

Mülldetektive haben rund 35 Fälle an das Ordnungsamt vermittelt und Strafen verhängt

Nicht beziffert ist ebenso, welche Summe diese aufgedeckten Fälle ins Stadtsäckel gespült haben. In einem Fall verhängte das Ordnungsamt eine satte Strafe von 650 Euro. Doch dies sind vergleichsweise Einzelfälle. Die Mülldetektive kosten deutlich mehr, als sie durch aufgespürte Müllsünder einnehmen. Und dabei muss die Allgemeinheit wohl weiterhin zusätzlich für jene Fälle aufkommen, in denen sich Täter nicht ermitteln lassen.

Wie teuer aber wäre es dagegen gewesen, wenn man diese Fälle – oder gar alle 1600 Fälle – durch die MEG beseitigt hätte?

SPD sieht ihren Ansatz durch Bilanz bestätigt

Und auch die SPD sieht ihren Ansatz in der MEG-Bilanz durchaus bestätigt: „Die Politik hat lange gebraucht, bis sie sich unserem Vorschlag angeschlossen hat. Die Detektive sind aber das richtige Instrument“, sagt der umweltpolitische Sprecher, Daniel Mühlenfeld.

Eine Aufklärungsquote von 50 Prozent – 800 von 1600 Fällen – seien „ein beachtliches Ergebnis“, bilanziert auch Mühlenfeld und setzt auf einen „pädagogischen Effekt: Ohne Beratung und Sanktionsdrohung würden sich vermutlich noch mehr Menschen ermutigt fühlen, Müll wild zu entsorgen. Unser Ziel ist damit erreicht worden.“

Die Debatte im Vorfeld um Konzepte gegen wilde Müllkippen zumindest hatte auch das kritisiert. Vor allem Kritik an der MEG wurde laut, die von Bürgern gemeldeten Müll häufig nicht kurzfristig abgeholt habe, Hinweisen auf Täter nicht nachgegangen sein soll oder vor Ort nicht die Befugnisse habe, die Müllsünder zu belangen.

Politik stützt mehrheitlich das Mülheimer Konzept der Mülldetektive

Roland Chrobok, umweltpolitischer Sprecher der CDU, sieht die Kritik zumindest widerlegt, die Detektive seien ein ,zahnloser Tiger’. „Die Bilanz zeigt, dass ertappte Müllsünder durchaus peinlich berührt sind. Und Mülldetektive auch Fälle ohne Kräfte des Ordnungsamtes verfolgen können“, zieht er für den Umweltausschuss ein erstes Fazit. Eine Entscheidung der Gesamtfraktion gibt es nicht, tendenziell aber wäre die CDU für eine Verlängerung der Probephase.

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Ähnlich argumentieren die Grünen: „Wenn Mülldetektive erreichen, dass möglichst viele Menschen ihr Bewusstsein und ihr Verhalten ändern und künftig keinen Müll wild entsorgen, dann haben sie ihr Ziel erreicht“, sagt ihre Sprecherin Britta Stalleicken. Am Ende des Prozesses müsse stehen, dass die Detektive unnötig werden.

Allerdings: Erheblich günstiger wäre es für die Stadt, den wilden Müll einfach entsorgen zu lassen. Etwa 50.000 Euro müsste die Stadt dafür wohl berappen – kennt CDU-Umweltsprecher Chrobok Zahlen aus der Vergangenheit: Das wären rund ein Zehntel der Investitionen für die Mülldetektive. Kann sich die klamme Stadt dies leisten? „Es wäre günstiger“, räumt Chrobok ein, „aber es würde auch das falsche Signal senden und kein Unrechtsbewusstsein schaffen. Wir sollten Müllsündern die Grenzen aufzeigen.“