Mülheim. Der neue Entwurf des Nahverkehrs für Mülheim macht alles wie geplant. Warum er für den Stadtteil Selbeck dennoch erheblich schlechter wäre.

Kann der geplante Nahverkehrsplan den Spagat schaffen zwischen den geforderten Einsparungen und einem dennoch attraktiven Nahverkehr? In den kommenden Wochen wird darüber in Politik und Bürgerschaft reichlich zu diskutieren sein. Zumindest im entlegenen Stadtteil Selbeck hat man sich den Entwurf bereits genauer angesehen und kommt zu dem Schluss: Bei einer Umsetzung läge Selbeck noch deutlicher im Abseits als bisher.

„Unsozial“: Selbecker Bürgerverein sieht sich von Hauptbahnhof und Innenstadt abgehängt

„Die ohnehin unbefriedigende Situation würde sich noch einmal drastisch verschlechtern“ – das harte Urteil fällt der Selbecker Bürgerverein. Denn bisher ist der Ortsteil zwar einigermaßen umfänglich angebunden: Sogar drei Buslinien führen im halbstündigen und Stundentakt direkt zum Mülheimer Hauptbahnhof – die 131, 752 und 753. Innerhalb von spätestens 30 Minuten schafft man so die Strecke zum wichtigen Nahverkehrsknoten – zumindest in der Theorie.

Der Entwurf des neuen Nahverkehrsplans will Parallelverkehre vermeiden. Selbeck müsste damit auf zwei Buslinien und die Direktverbindung zum Hauptbahnhof verzichten.
Der Entwurf des neuen Nahverkehrsplans will Parallelverkehre vermeiden. Selbeck müsste damit auf zwei Buslinien und die Direktverbindung zum Hauptbahnhof verzichten. © MB, DO, AS | FUNKEGRAFIK NRW Denise Ohms

Doch mit dem neuen System, das bewusst Parallelverkehre vermeiden will, gäbe es zunächst nur noch die eine Verbindungslinie V2. Diese ist im halbstündigem Takt unterwegs und folgt weitestgehend der heutigen Linie 131, schlängelt sich über den Oemberg und Lindenhof bis sie in der Broicher Mitte endet. Wer weiter zum Bahnhof will, muss dann in die Straßenbahn 102 umsatteln. Damit gäbe es statt drei Bussen gar keine direkte Verbindung mehr in die Innenstadt.

Keine Parallelverkehre, Anschluss an die Bahn – trotz mustergültiger Planung unattraktiv?

Das ist ganz im Sinne der neuen (Spar-)Grundsätze: Busse sollen künftig die Anbindung an die Straßenbahnen schaffen. Denn diese bilden das schnelle Rückgrat des Nahverkehrs. Die Planung für Selbeck wäre demnach ein Musterbeispiel dafür, mit welchen Mitteln die Stadt ihre Nahverkehrskosten senken will. Doch ist der ÖPNV in diesem Fall noch attraktiv?

„Bereits heute fällt das Zeugnis der Selbecker für den Nahverkehr auf Grund der geringen Taktung und der langen Fahrtzeiten negativ aus“, kritisiert der Bürgerverein mit Hinweis auf schlechte Noten (4,16 Punkte) im Stadtteilcheck der WAZ. Die neue Planung verschlechtere die Lage etwa auch für Schüler. Sie seien durch Linienführung und Umstiege voraussichtlich 15 Minuten länger unterwegs, um die weiterführenden Schulen in der Stadtmitte zu erreichen.

Einen Ausweg für Selbeck gibt es derzeit wohl nur bei einer Einigung mit Ratingen

Die aktuelle Planung des ÖPNV würde ebenso die Pendler treffen, befürchtet der Bürgerverein „mehr Individualverkehr und eine steigende Umwelt- und Verkehrsbelastung“ auf der bereits heute stark beanspruchten Kölner Straße. Das Konzept halte man daher „für unausgewogen und unsozial“.

Gibt es einen Ausweg? Durchaus: Mülheim ist derzeit im Gespräch mit Ratingen über einen neuen Schnellbus. Die Verbindungslinie V3 würde als gemeinsame Linie die Städte verknüpfen und entlang der Strecke des heutigen 752 auch einen Direktanschluss zum Hauptbahnhof schaffen. Selbeck müsste dann nur noch den direkten Anschluss an den Oppspring und den Mülheimer Osten verschmerzen.