Mülheim. Die Debatte der Klimaschutzinitiative stellte Mülheimer Bundestagskandidaten auf den Prüfstand. Das sind ihre Ziele für Deutschland und Mülheim.
Die jüngsten Hochwasser- und Waldbrandkatastrophen haben gezeigt: Der Klimawandel kommt nicht. Er ist schon da. In einer zweistündigen Debatte der Klimaschutzinitiative am Sonntag in der Stadthalle mussten Mülheimer Bundestagskandidaten daher Farbe bekennen, wie sie es mit dem Klimaschutz halten, und was sie als Bundestagsabgeordnete dafür tun würden. Die Moderatoren Bernhard Leidinger und Jürgen Zentgraf ließen nicht locker und forderten den Kandidaten ab, konkret zu werden.
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So kam es auch zu überraschend ehrlichen Antworten: „Auch wenn ich grün sozialisiert und in Stoffwindeln gewickelt worden bin, bin ich keine Vertreterin der reinen Lehre und kaufe auch schon mal in Folie eingepackte Champignons beim Discounter“, räumte die Kandidatin der Grünen, Franziska Krumwiede-Steiner ein.
Aber sie ließ keinen Zweifel daran, dass Kurzstreckenflüge und Kreuzfahrten für sie klimapolitische No-Gos seien. Im Sinne der Müllvermeidung kaufe sie gerne im Unverpacktladen am Löhberg ein. Sie sei bevorzugt mit Bussen und Bahnen oder mit dem E-Bike unterwegs.
Wie ihr SPD-Mitbewerber Sebastian Fiedler sprach sich Krumwiede-Steiner dafür aus, im Laufe der kommenden Wahlperiode aus dem einen Mülheimer Windrad im Styrumer Ruhrbogen stadtweit 20 Windkraftanlagen werden zu lassen, um den „Lippenbekenntnissen zum Klimaschutz, konkrete Maßnahmen folgen zu lassen“, wenn es darum gehe, die Versorgung mit erneuerbarer Energie auch in unserer Stadt sicherzustellen.
Christdemokratin Astrid Timmermann-Fechter hält fest an Klimaneutralität bis 2045
„Ich verzichte auf Plastiktüten und kaufe stattdessen mit Stoffbeuteln ein. Ich praktiziere eine konsequente Mülltrennung und habe mich von meinem Ehemann von einer gemüsereichen und fleischarmen Ernährung überzeugen lassen“, gab CDU-Kandidatin Astrid Timmermann-Fechter zum persönlichen Klimaprotokoll. Die als Referentin bei der ihrer Landespartei arbeitende Christdemokratin bekannte sich zu den CO2-Reduktionszielen der Bundesregierung, die Deutschland bis 2045 klimaneutral machen sollen.
Darüber hinaus machte sie klar, „dass wir einen breiten Energiemix brauchen, unter Einbeziehung des modernen Kohlekraftwerks Datteln IV, um die Versorgungssicherheit und die Netzstabilität des Wirtschaftsstandortes Deutschland langfristig zu sichern.“
Linker Kandidat Eliseo Maugeri ernährt sich vegan und will den Nahverkehr ausbauen
Der noch zur Schule gehende und aus der Fridays-for-Future-Bewegung kommende Bewerber der Linken Eliseo Maugeri bekannte sich zur „klimafreundlichen veganen Ernährung und zur Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs, der ausgebaut werden muss.“ Wie seine Mitbewerber, aber deutlich akzentuierter, sprach sich Maugeri dafür aus, „dass der Klimaschutz mit seinen steigenden Energiekosten sozial abgefedert werden muss und keine Verlierer produzieren darf.“
Der Kandidat der Linken machte deutlich, „dass reiche Menschen den Klimawandel durch ihre Lebensweise erheblich mehr beschleunigen, als arme Menschen, die viel härter von den ökologischen und ökonomischen Folgen des Klimawandels getroffen werden.“
FDP-Kandidat Joachim vom Berg outete sich als Freizeit-Landwirt und will klimafreundliche Treibstoffe fördern
FDP-Kandidat Joachim vom Berg outete sich als Freizeit-Landwirt, der in seinem Garten Kartoffel und Gemüse anbaut, „um meiner kleinen Tochter von Anfang an zu zeigen, dass wir von der Natur leben und deshalb sparsam und verantwortungsvoll umgehen müssen.“ Außerdem wies er darauf hin, dass er im Wahlkampf keine Kunststoffplakate, sondern nur recycelbare Altpapierplakate aufhängen lasse.
Grundsätzlich bekannte sich der FDP-Stadtrat, der als einziger Kandidat ohne umweltpolitischen Copiloten auf dem Podium saß, zur gezielten Förderung klimafreundlicher Energietechnik und klimafreundlicher Treibstoffe.
Sebastian Fiedler (SPD) hält zuhause Hühner und fordert, Umweltkriminalität zu bekämpfen
Klimaschutzinitiative hatte AfD nicht eingeladen
Die Mülheimer Klimaschutzinitiative hatte den Bundestagskandidaten der AFD, Alexander von Wrese, nicht eingeladen, da seine Partei nach ihrer Einschätzung die Notwendigkeit von aktivem Klimaschutz und des menschengemachten Klimawandels bestreite.
Nach Angaben der Mülheimer Klimaschutzinitiative ist der CO2-Ausstoß zu etwa 90 Prozent für das Entstehen klimaschädlicher Treibhausgase verantwortlich. Einer der Haupttreiber des CO2-Ausstoßes ist der motorisierte Individualverkehr. Die jährlich in Deutschland gefahrenen Kilometer gibt die Klimaschutzinitiative mit 635,13 Millionen an. Dabei würden pro Jahr 47.000 Millionen Liter Benzin und Diesel verbrannt.
Das nächste Klimaforum ist am 21. Oktober um 16 Uhr in der Katholischen Akademie Die Wolfsburg am Falkenweg 6. Anmeldung und Info:info@klimaschutz-mh.de
SPD-Kandidat Sebastian Fiedler, seines Zeichens Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, bekannte sich persönlich zu einer fleischarmen Ernährung. Auch er outete sich als Freizeitlandwirt mit Gemüseanbau und eigenen Hühnern. Außerdem verwies Fiedler auf sein Engagement für den Tierschutz.
Als „grotesk“ bezeichnete er es, „dass in der Heimaterde Bürger gegen Denkmalschutzauflagen der Stadt klagen müssen, um auf eigene Kosten Photovoltaikanlagen auf ihren Hausdächern montieren zu können und damit aktiven Klimaschutz zu betreiben. „Hier brauchen wir gesetzliche Veränderungen“, betonte Fiedler. Er wies außerdem auf die Wechselwirkungen zwischen Arten- und Klimaschutz hin und forderte vor diesem Hintergrund „eine verstärkte und international abgestimmte Bekämpfung der Umweltkriminalität, die sich unter anderem in der illegalen Abholzung von Wäldern“ zeige.
Angesichts von 40 Zuhörern im Saal und 60 Livestream-Zuschauern zeigte sich Bernhard Leidinger als Vorsitzender der örtlichen Klimaschutzinitiative mit dem Publikumszuspruch zufrieden. „Wir hatten Corona-bedingt mit weniger Interessenten gerechnet“, sagte Leidinger nach der zweistündigen Veranstaltung. Er lobte, „dass alle Kandidaten, vor allem bei der Frage, was sie ganz persönlich für den Klimaschutz tun, auf den Punkt geantwortet haben und nicht ausgewichen sind oder versucht haben mit anderen Themen zu punkten.“