Mülheim. Für die Gastronomen am Mülheimer Ruhrufer war das Hochwasser wie Russisch Roulette. Viele hatten Glück, einige hat es hart getroffen.

Wälle aus Sandsäcken liegen noch, doch das Hochwasser hat sich verzogen. Die Gastronomen am Mülheimer Ruhrufer krempeln die Ärmel hoch und sind lächelnd für ihre Gäste da. Doch wenn man mit ihnen spricht, ahnt man die Anstrengungen der letzten Tage, Wochen und Monate.

Mülheimer Gastronomen krempeln nach dem Hochwasser die Ärmel hoch

Vor der Eisbar an der Ruhrpromenade stehen Tische, Schirme und Stühle, bis zum Terrassenrand dicht am Fluss. Pflanzenkübel sind wieder an ihrem Platz. Nur fahle Schlammspuren im Ufergestrüpp markieren noch, wie hoch die Flut stand. Beängstigend hoch.

Wer genau hinschaut, bemerkt Silikonreste an den Türrahmen des Eiscafés. „Das Wasser stand bis zu diesem Sonnenschirm“, berichtet Mitarbeiter Deniz Keskin, „wenige Schritte vom Eingang entfernt.“ Nachdem die Polizei am Hochwassertag um elf Uhr gewarnt hatte, seien sie sofort zum Baumarkt gefahren, um Holzbretter zu kaufen. „Sandsäcke gab es nur für die Sparkasse und das Altenheim.“ Eigenhändig wurde die Eisdiele verbarrikadiert. „Wir hatten gerade die letzte Schraube drin, da hat ein Polizist uns hinter die Absperrung geschickt.“

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Schon am nächsten Tag konnte die Eisbar ihre Türen wieder öffnen, ebenso die höher gelegene Terrasse. „Wir hatten zum Glück keine Hochwasserschäden“, sagt Keskin, „mussten nur das ganze Silikon wieder abkratzen.“ Auch in der Nachbarschaft geht der gewohnte Gastronomiebetrieb längst weiter, im Mezzomar beispielsweise und im griechischen Restaurant Thema.

Eiscafé Plati wurde wohl am härtesten getroffen

Ein Spaziergang durch die Ruhranlagen führt am Schleusenkanal entlang - er ist mit grauem Schlick verkrustet - bis zum Eiscafé Plati, das von allen wohl am härtesten getroffen wurde. Am vergangenen Mittwoch kam eine große Warenlieferung: Getränkekisten, Waffeln, Eislöffel… Am Donnerstag hat die Überschwemmung all das vernichtet, als Wasser meterhoch im Keller stand.

Im Eiscafé Plati hat das Hochwasser die Kühlanlagen schwer beschädigt. Fast eine Woche lang gab es nur Eis auf die Hand. Diesen Freitag soll die Terrasse wieder öffnen.
Im Eiscafé Plati hat das Hochwasser die Kühlanlagen schwer beschädigt. Fast eine Woche lang gab es nur Eis auf die Hand. Diesen Freitag soll die Terrasse wieder öffnen. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Schwerwiegender noch: Komplettausfall der Elektronik. „Alle Kältekompressoren für unsere Kühlanlagen befinden sich im Keller“, erläutert Eiscafé-Inhaber Christian Trübcher. Das Hochwasser hat sie zerstört. Mittlerweile ist die Stromversorgung wieder hergestellt, frische Ware geliefert, ein Leihgerät ersetzt vorübergehend die Haupttheke. Es muss ja weitergehen.

Inhaber schätzt den Sachschaden auf 50.000 bis 60.000 Euro

Trübcher beziffert den Hochwasserschaden in seinem Café auf schätzungsweise 50.000 bis 60.000 Euro. Er ist guter Hoffnung, dass seine Versicherung dafür aufkommt. Doch eine Woche lang konnte das Plati bloß auf Sparflamme arbeiten, „nur an der Ersatztheke ein bisschen Eis verkaufen“, wie der Inhaber sagt. Statt reichhaltiger Becher und kühler Getränke auf der Terrasse gab es nur Hörnchen auf die Hand. Erst an diesem Freitag kehrt das Café in den Normalbetrieb zurück. Und all das geschieht nicht in gesunden Zeiten, nicht in einer ansonsten sorglosen Saison. Trübcher formuliert es so: „Nach Corona der nächste Mist.“

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Diesen Satz würde die Chefin der „Tomate“ wahrscheinlich unterschreiben, dabei lässt sich Susanne Lontz nicht leicht unterkriegen. Ihr Lokal direkt neben der Florabrücke haben die schmutzigen Fluten zwar nicht erreicht. Es konnte am nächsten Tag unversehrt öffnen. Aber das nützt nicht viel, wenn niemand davon weiß.

Franky’s-Lokale blieben trocken

Etwas Schlepperei, aber letztlich viel Glück hatte das Franky’s-Team an seinen beiden flussnahen Standorten.

Weder im Mintarder Wasserbahnhof noch an der Ruhrpromenade wurden die Innenräume überflutet. „Wir hatten genügend Zeit, um alles Außenmobiliar wegzuräumen“, berichtet Geschäftsführer Richard Reichenbach.

An der Ruhrpromenade sei das Hochwasser bis auf wenige Zentimeter vor die Eingangstür gekommen, „hat dann aber rechtzeitig abgedreht“.

Am Donnerstagmittag steht ein Mitarbeiter leicht ratlos im hübsch bewachsenen, gläsern überdachten Biergarten. Die Bänke sind leer. Noch kein einziges Getränk habe er verkauft. Auf der Karte steht auch Flammkuchen mit Roastbeef. Doch der Koch ist nicht gefordert. „Nach dem Hochwasser kommt keiner mehr“, sagt der junge Mann, der gerne an den Tischen bedienen würde. „Erst konnten wir wegen Corona sieben Monate nicht arbeiten, und jetzt…“

„Tomate“-Inhaberin Susanne Lontz sagt: „Die Leute denken, wir wären vom Hochwasser geschädigt. Dabei sind wird es nicht.“ Im besten Fall rufen Gäste an und erkundigen sich. Im schlechteren Fall bleiben sie weg.

Deniz Keskin von der Eisbar an der Mülheimer Ruhrpromenade zeigt, wie hoch das Wasser stand: „Bis zu diesem Schirm.“ Ins Café seien nur wenige Tropfen eingedrungen.
Deniz Keskin von der Eisbar an der Mülheimer Ruhrpromenade zeigt, wie hoch das Wasser stand: „Bis zu diesem Schirm.“ Ins Café seien nur wenige Tropfen eingedrungen. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz