Mülheim. Einer Mülheimerin wurde zu wenig Pflegewohngeld berechnet - ein EDV-Fehler im Sozialamt. Gab es massenhaft falsche Bescheide? Die Stadt entwarnt.
Seit Jahren erledigt Rüdiger Siepmann als Bevollmächtigter alle Formalitäten für seine schwer pflegebedürftige Mutter, die im Haus Mülheim an der Hingbergstraße wohnt, dem früheren Bonifatius-Heim. Die 86-Jährige bezieht - wie viele alte Menschen - Pflegewohngeld vom Sozialamt, weil ihre Rente nicht ausreicht, um den Heimplatz zu bezahlen. Der jüngste Bescheid hat Rüdiger Siepmann alarmiert.
Pflegebedürftiger Mülheimerin sollten nur rund 20 Euro Taschengeld bleiben
Danach sollten seiner Mutter nur noch etwa 20 Euro Taschengeld verbleiben. Er legte Widerspruch ein. Die Antwort des Sozialamtes kam rund fünf Wochen später: Man habe den Fall geprüft und festgestellt, „dass die Berechnung tatsächlich fehlerhaft ist“. Grund seien Probleme mit einer EDV-Anwendung. Man habe „der entsprechenden Softwarefirma den Auftrag erteilt, den Fehler zu beseitigen“, heißt es im Schreiben des Sozialamtes. Der Bescheid werde korrigiert.
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Rüdiger Siepmann ist beruflich im mathematisch-technischen Bereich tätig. Er hat den Verdacht, es könnten noch wesentlich mehr Leute in Mülheim von dieser Panne betroffen sein. „Da muss also erst ein mathematisch affiner Bürger einen Bescheid überprüfen und anzweifeln, damit ein erheblicher Softwarefehler auffällt.“ Er glaube „im Leben nicht, dass das Sozialamt Mülheim jetzt alle Pflegewohngeldbescheide noch einmal durch den Rechner laufen lässt“. Man müsse die Betroffenen informieren.
Stadt: Von rund 1100 Fällen nur noch drei weitere betroffen
Die Stadt Mülheim hat den EDV-Fehler auf Anfrage noch einmal eingeräumt. „Von rund 1100 Fällen, in denen Pflegewohngeld gezahlt wird, waren aber insgesamt nur noch drei weitere betroffen“, erklärt Sprecher Thomas Nienhaus. Die Familien würden angeschrieben, die fehlerhaften Bescheide mit Wirkung zum 1. Juli korrigiert, möglicherweise auch Geld erstattet.
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Siepmann dagegen bezweifelt, dass nur wenige Bürger betroffen sind. Er sieht hier ein grundsätzliches Problem: Es bestehe darin, dass viele Senioren und Angehörigen die Antragstellung für das Pflegewohngeld den Heimen übertragen, die Zahlen also gar nicht zu Gesicht bekommen. Er selber habe sich in die Materie eingearbeitet und auch eine Anfrage bei der Bezirksregierung laufen. Dabei geht es um die Bekleidungspauschale für Bezieher von Pflegewohngeld, die die Stadt Mülheim gewährt. Oder nicht?
Schon 76 Heimrechnungen in anderthalb Jahren
Als seine Mutter 2017 ins Pflegeheim kam, lief dieses noch als Bonifatius-Haus, inzwischen gehört es zur Charleston Holding. Schon vor dem Betreiberwechsel zum 1. Januar 2020 waren die Investitionskosten stark erhöht und den Bewohnern Nachzahlungen in Rechnung gestellt worden. „Seit 1. Januar 2020 bis heute habe ich 76 Rechnungen bekommen“, berichtet Rüdiger Siepmann. Das ganze Zahlenwerk… kaum noch zu durchblicken.