Mülheim. Während des Lockdowns mussten sich viele Mitarbeiter der Gastronomie neue Jobs suchen. Das hat nun Folgen für die Branche. Ein Blick auf Mülheim.

Groß war die Freude bei Gastronomen und Kneipenbesitzern über den Neustart nach der ellenlangen Corona-Zwangspause. Doch nach wie vor besteht ein Problem: Es fehlt an Mitarbeitern, die sich im Lockdown andere Jobs suchen mussten. Das hat Folgen.

„Das Problem besteht leider immer noch. Wir sind immer noch auf der Suche nach Mitarbeitern – nicht nur ich, sondern der ganze Kollegenkreis“, sagt Fatmir Ramosaj, der in Saarn zwei Restaurants betreibt. Gerade im Aushilfsbereich sind viele Mitarbeiter verschwunden, weil sie sich während der Schließungen andere berufliche Tätigkeiten suchen mussten. „Viele von ihnen sind jetzt in Lebensmittelläden zu finden“, weiß Richard Reichenbach, Chef des Franky’s. Auch die Logistikbranche meldet einen deutlichen Zuwachs an Arbeitskräften.

Dehoga-Vorsitzender: „Branche war vorher krisenfest“

Richard Reichenbach führt die Franky’s-Betriebe in Mülheim.
Richard Reichenbach führt die Franky’s-Betriebe in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Jörg Thon, den Mülheimer Vorsitzenden des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga), ärgert das massiv. „Unsere Branche war vorher krisenfest und von Arbeitslosigkeit kaum betroffen“, betont der Inhaber des Bürgergartens und des Ratskellers. Die Corona-Pandemie habe diese Sicherheit zunichte gemacht. „In den neuen Berufen sind die Zeiten natürlich planbarer, gerade am Wochenende. Wer da einmal Fuß gefasst hat, der will da natürlich auch nicht so schnell wieder weg, das muss man ja auch verstehen“, findet Richard Reichenbach.

Dazu kommt die Angst vor einer weiteren Corona-Welle. „Ich kann die Menschen gut verstehen, wenn sie aktuell nicht in der Gastronomie arbeiten möchten, weil die wieder als erste leiden muss, falls die Zahlen wieder hochgehen sollten“, sagt Fatmir Ramosaj.

Geänderte Öffnungszeiten und mehr Ruhetage in Mülheims Betrieben

Auch Jörg Thon, Inhaber der Restaurants Bürgergarten und Ratskeller, hat mit den Auswirkungen des Mitarbeiterschwunds zu kämpfen.
Auch Jörg Thon, Inhaber der Restaurants Bürgergarten und Ratskeller, hat mit den Auswirkungen des Mitarbeiterschwunds zu kämpfen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Er selbst richtete im November einen Lieferdienst ein, um zumindest seine Vollzeitangestellten weiter beschäftigen zu können. „Jeder Gastronom versucht auf unterschiedliche Art und Weise, seine Mitarbeiter zu schützen“, betont der Saarner.

Aber welche konkreten Folgen hat der Mitarbeiterschwund in den Mülheimer Betrieben? „Es gibt welche, die noch nicht öffnen konnten oder nur auf halber Kraft fahren“, weiß Jörg Thon. Andere Kolleginnen und Kollegen hätten ihre Öffnungszeiten anpassen müssen. In seinen beiden Betrieben gibt es mittlerweile zwei Ruhetage pro Woche statt nur einem. Auch der Sassenhof in Speldorf öffnet fortan erst nachmittags. „Vorher haben wir hier in zwei Schichten gearbeitet“, sagt Thon über den Bürgergarten, das gehe nun nicht mehr.

Schwierige Suche nach Auszubildenden

Höchster Einbruch seit dem Zweiten Weltkrieg

Laut einer Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) sehen 72 Prozent der Gastronomen ihren Betrieb durch die Corona-Krise in seiner Existenz bedroht, ein Viertel habe sogar ernsthaft über eine Geschäftsaufgabe nachgedacht.

Die Umsatzeinbußen waren laut Dehoga so hoch wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Zehn Jahre lang hatte die Branche jeweils ein Umsatzplus erwirtschaftet.

Auch die Suche nach Auszubildenden läuft schleppend. „Wir haben einen ganzen Azubi-Jahrgang verloren“, hadert Thon. Immerhin konnte er jüngst zwei Lehrverträge abschließen. Die Hoffnung liegt nun auf Studenten oder jungen Leuten, die gerade mit dem Abitur fertig sind und nun arbeiten wollen. „Wir können unseren Mitarbeiterpool mittlerweile wieder ganz gut abdecken“, zeigt sich Franky’s-Chef Reichenbach vorsichtig optimistisch.

Nachdem die Pandemie eine Branche nachhaltig beschädigt hat, hoffen alle Beteiligten auf weitere Normalität. Eine erneute Schließung wäre der Super-GAU.