Mülheim. Ist Joseph Beuys heute Pflicht – oder sogar Kür? Die Mülheimer Ruhrgallery zeigt Auseinandersetzungen mit Figuren und Materialien des Künstlers.
Der Hase hockt ihm auf dem Kopf, oder besser: auf dem berühmten Filzhut. Nicht nur Kunstbeflissenen dürfte anhand der beiden Begriffe schon klar sein, das hinter „ihm“ nur Joseph Beuys stecken kann. Was ist von dem politischen Künstler, Friedensbewegten und Unruhestifter bis heute im kollektiven Gedächtnis verankert? Die Ruhrgallery liefert eine Antwort in ihrer neuen Ausstellung „Beuys100 - Pflicht oder Kür“.
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Hasen, Honig, Eichenblätter – was Künstler an Beuys Schaffen fasziniert
Rund 40 Kunstschaffende haben sich mit ihm und seiner erweiterten Kunst auseinandergesetzt. Und das nicht nur „pflichtbewusst“, wie es der Ausstellungstitel andeutet, sondern ausgesprochen vielfältig. Der rote Faden? Beuys immer wiederkehrende Figuren und Materialien – heute würde man neudeutsch wohl von „Memes“ sprechen.
Die Skulptur mit Hase, Hut und Künstlerkopf stammt etwa aus der Feder beziehungsweise Motorsäge des Essener Künstlers Roger Löcherbach. Vor allem ein toter „Meister Lampe“, dem Beuys – mit goldener Maske – auf dem Arm tragend 1965 ,die Bilder erklärte’, übt offenbar auf viele der aktuellen Künstler noch heute eine magische Faszination aus.
Brigitte Zipp dreht die einstige, für manchen verstörende Performance, die mitunter als Höhepunkt seines Schaffens gilt, gewissermaßen um und lässt in ihrer Skulptur einen goldenen Hasen auf die Asche und den Hut von Beuys blicken. Verstreute Eichenblätter aus Papier greifen Schlüsselsätze des Künstlers auf und spielen auf das Kunstprojekt „1000 Eichen“ an.
Jaja nene – wie Beuys noch heute für Irritationen sorgt
Die Mülheimer Malerin Ursula Vehar konserviert den blutig erlegten Hasen in einer eisigen Landschaft, die Duisburgerin Luise Hoyer hingegen spießt ihn in unzähligen Motiven auf wie exotische Schmetterlinge. Und Rainer Heicappell hängt den Hasenkopf – anstelle des Künstlers – wie eine erlegte Tiertrophäe an eine filzbekleidete Wand. Aber los wird man Beuys Erbe auf diese Weise nicht. Schließlich war der Hase für Beuys auch ein Sinnbild für Reinkarnation.
Beuys Verständnis von Materialien in künstlerischen wie politischen Zusammenhängen haben dagegen Sabine Geiger-Bree beschäftigt. In „Be(e) queen oder Wann gerät Demokratie aus dem Gleichgewicht“, hat sie eine Art Filzrampe gebaut, auf der sich Bienen hoch zu einem Rahmen bewegen. „Wann ist etwas Kunst – was einen Rahmen bekommt oder aus dem Rahmen fällt?“, fragt Geiger-Bree hintergründig.
Ob man seine Kunst nun als Fluch oder Segen sieht – Beuys zumindest wusste zu irritieren. Auch darin ist er Vorbild. Klaus Wiesel hat dessen scheinbar groteske Hör-Performance „jaja nene“ in ein großformatiges Bild gesetzt wie eine endlose Matrix aus Einsen und Nullen. Ob Ja oder nein – wie schon in Beuys Performance scheint sich alles zu wiederholen, seine Bedeutung zu verlieren. Nicht weiter schlimm. Denn Verstehen – im Sinne von Beuys – beginnt ohnehin erst dann, wenn der Betrachter die Satzlogik verlässt und mit seinen Sinnen in das Kunstwerk eintaucht.
Los geht die Ausstellung schon am Montag, 31. Mai. Auf die übliche Vernissage wird die Ruhrgallery coronabedingt verzichten. Anmelden kann man sich unter info@galerie-an-der-ruhr.de und 0157 3629 5489 an der Ruhrstraße 3. Der Eintritt ist frei.