Mülheim. Der Ansturm auf den Mülheimer Einzelhandel nach dem Lockdown ist groß. „Click & Meet“-Konzept geht offenbar auf. Wie lange aber geht das gut?

Es ist still im Mülheimer Rhein-Ruhr-Zentrum. Wo sonst die Gäste des Eis-Cafés für eine Geräuschkulisse sorgen, steht kein Stuhl mehr. Nicht einmal die Brunnen sprudeln. Vor dem Eingang von „C&A“ im Untergeschoss steht dennoch eine Schlange mit mehr als einem Dutzend Menschen, die auf den Einlass warten. „Es kann schonmal sein, dass man fast eine halbe Stunde warten muss“, bedauert die Dame am Eingang. Denn shoppen dürfen nur diejenigen, die einen Termin gemacht haben.

Auch interessant

Das Prinzip „Click & Meet“ funktioniert in Mülheim

„Wir sind für heute komplett ausgebucht.“ Das Prinzip „Click & meet“ funktioniert. Alle Kunden seien sehr geduldig. Beim Verlassen des Ladens muss noch einmal der Name genannt werden. Ein kurzer Blick in die Liste und der entsprechende Eintrag wird durchgestrichen – der nächste bitte!

Wie kommt das Öffnen unter Auflagen an? Ein Schild weist im Saarner Modegeschäft „Harders“ auf die maximal erlaubte Anzahl an Kunden hin.
Wie kommt das Öffnen unter Auflagen an? Ein Schild weist im Saarner Modegeschäft „Harders“ auf die maximal erlaubte Anzahl an Kunden hin. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

„Wenn gerade noch Plätze frei sind, kann man auch spontan einen Termin bekommen“, erläutert Falk Blättgen, Geschäftsführer von Saturn. Dass es am Morgen im Heißener Einkaufszentrum noch eher ruhig ist, führt er auch auf „das Kuddelmuddel bei den Inzidenzzahlen“ zurück.

Wie den sozialen Netzwerken zu entnehmen war, herrschte eine große Unsicherheit, welcher Richtwert denn nun maßgeblich ist. Die Stadt teilt auf ihrer Internetseite aber klar mit, dass sich die Öffnungsschritte „grundsätzlich an der landesweiten Inzidenz orientieren.“

Buchhändlerin merkt feinsinnig an: „Wir sind plötzlich systemrelevant.“

Neben „C&A“ ist es in der Buchhandlung Thalia am Montagvormittag am vollsten. Buchhandlungen dürfen auch ohne das „Click & meet“-Konzept öffnen. „Ich freue mich, dass ich wieder hier reinkomme“, sagt eine ältere Dame an der Kasse. Diese Freude beruht auf Gegenseitigkeit. Das Team freut sich über jede Menge positiver Reaktionen. „Bisher läuft es wirklich gut, was wir ja vorher gar nicht genau abschätzen konnten“, teilt eine Mitarbeiterin mit.

„Plötzlich sind wir systemrelevant, manche politischen Entscheidungen muss man wirklich nicht mehr verstehen“, schüttelt derweil ihre Saarner Kollegin Brigitta Lange mit dem Kopf. Beschweren möchte sich die Inhaberin von „Hilberath & Lange“ freilich nicht. Einen großen Ansturm auf ihr Geschäft auf der Düsseldorfer Straße kann sie noch nicht ausmachen.

Auch interessant

Viele Kunden bestellen noch telefonisch. „Es klingelt ohne Unterlass“, sagt Lange. Um den Aufenthalt zeitlich zu begrenzen und damit möglichst vielen Menschen die Möglichkeit zum Bücherkauf zu gewähren, haben „Hilberath & Lange“ zwischen 18 und 19 Uhr extra eine „Stöberzeit“ eingerichtet. In diesem Zeitraum darf auch länger verweilt werden.

Mancher Händler verunsichert: „Wie kommt Öffnung bei den Kunden an?“

„Wir müssen ein Gefühl entwickeln, was beim Kunden ankommt“, meint Inhaberin Anke Kemp in ihrem Saarner Geschäft
„Wir müssen ein Gefühl entwickeln, was beim Kunden ankommt“, meint Inhaberin Anke Kemp in ihrem Saarner Geschäft "Dein Lieblingsladen". © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Wenige Häuser weiter sind Anke Kemp und ihre Mitarbeiterinnen in ihrem „Lieblingsladen“ gerade noch am Umräumen. „Wir hatten uns zuletzt komplett auf das Onlinegeschäft konzentriert“, sagt die Inhaberin. Nun wurde ein Teil der Ware aus dem Lager an der Saarner Straße wieder in das Geschäft im Dorf gebracht.

„Wir müssen erst einmal ein Gefühl dafür entwickeln, wie es bei den Kunden ankommt“, sagt Anke Kemp. Für sie ist die neue Situation vor allem ein zweischneidiges Schwert. „Man hat immer im Hinterkopf, dass es jederzeit wieder anders aussehen kann.“

Diese Sorge teilt auch Margit Schettler, die Geschäftsführerin der Werbegemeinschaft Saarn. „Es wäre wirklich tragisch, wenn das Rad dann wieder zurückgedreht werden müsste“, sagt sie, die ihre Mitgliedsbetriebe bei der Umsetzung aller notwendigen Maßnahmen unterstützt hat. „Man muss ja schon Experte sein, um das alles zu verstehen“, so Schettler.

Dass der Kundenstrom im Saarner Dorf am Montag noch überschaubar war, sieht die Geschäftsführerin pragmatisch: „Zu voll wollen wir es ja auch noch gar nicht haben.“ Schließlich seien alle Händler froh, dass sie wieder öffnen dürfen. „Das persönliche Einkaufen ist ja immer noch etwas anderes. Gerade im Bereich Mode gehört die Beratung dazu und das ist ja unser großer Pluspunkt“, so Schettler.

Forum: Menschenschlangen vor Tedi und H&M

Was gehört zum täglichen Bedarf

Buchhandlungen, Schreibwarengeschäfte, Blumenläden und Gartenmärkte gehören seit diesem Montag zum Einzelhandel des täglichen Bedarfs.

Bei allen anderen Einzelhändlern ist eine Terminbuchung notwendig, zudem ist die Kundenzahl auf eine Person pro 40 Quadratmeter begrenzt. Bei einer stabilen Inzidenz unter 100 ist eine weitere Öffnung des Handels frühestens ab dem 5. April möglich.

Im Forum ist es am Mittag hingegen schon etwas voller. Vor dem Eingang von „H&M“ haben sich gleich zwei Schlangen gebildet, auch vor Tedi im Obergeschoss warten die Kunden auf Einlass. Vor Woolworth kontrolliert das Ordnungsamt gerade den nötigen Abstand zwischen den Wartenden.

Gerade für die großen Geschäfte bleibt die aktuelle Situation trotz der Öffnung schwierig, weil sie nicht ihr normales Potenzial ausschöpfen können. „Die haben daran mehr zu knabbern als wir kleinen Geschäfte“, sagt auch Birgit Karenfort vom gleichnamigen Schuhhaus auf der Viktoriastraße. Für sie macht das neue Konzept gar keinen großen Unterschied. „Wir haben meistens sowieso nur ein oder zwei Kunden gleichzeitig hier“, so die Inhaberin.

Dennoch hätten vor allem die Stammkunden jede Menge Termin für die kommenden Tage gemacht. „Nach dem ersten Lockdown war das schon ähnlich“. Die vielen positiven Rückmeldungen tun den Händlern sichtlich gut. „Wollen wir hoffen, dass es jetzt auch dabei bleibt“, sagt Birgit Karenfort. „Man hatte ja zeitweise schon Angst, die Nachrichten zu gucken.“