Mülheim. Die Äußerungen des Mülheimer Krisenstabsleiters zu Corona und Migranten haben eine breite Diskussion entfacht. Ein Gastbeitrag von Gülsüm Erden.
Seit der Veröffentlichung von Stadtteil-Inzidenzen und der Aussage des Krisenstabsleiters Frank Steinfort, dass Parallelgesellschaften zum Infektionsgeschehen beitragen, ist in Mülheim eine Diskussion zum Thema Migration und Corona entbrannt. Ein Gastbeitrag der Sozialwissenschaftlerin Gülsüm Erden.
„Ich empfinde eine tiefe Trauer darüber, dass versucht wird, mir mein eigentlich als selbstverständlich geltendes Dasein als Mülheimerin, zu entreißen. Ich möchte Ihnen nun über einen Vorfall berichten, in den ich gestern verwickelt wurde. An der Kasse eines Discounters sagte ein Ehepaar hinter mir: „Komm ihr nicht zur nah, sie kann uns anstecken! Schau Sie dir an, sie kann doch in Styrum einkaufen, jetzt kommen sie auch hierher.“
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Zuerst habe ich nicht direkt wahrnehmen wollen, dass ich mit solch harschen Worten gemeint war. Daher drehte ich mich um und sah außer mir nur Menschen, welche, wie Herr Steinfort sie beschrieben hat, „Meier, Müller oder Schulz“ heißen könnten. So kam ich also zu dem Schluss, dass ich ohne Zweifel das Ziel einer solchen Unterhaltung war. Ich fragte das Ehepaar, wie sie darauf kämen, dass ich ein Virus an sie übertragen könne, wenn ich meine FFP2-Maske trage, während der Mann vor mir seine unter seiner Nase trug, und warum ich als Broicherin in Styrum einkaufen solle.
„Sie sehen wie eine Araberin aus“, wurde mir erwidert. Ich antwortete, dass ich eine Deutsche sei und Mülheim meine Heimat ist. „Das hätten sie wohl gerne“, antwortete das Ehepaar. Dies kann doch unmöglich Ihr Ziel gewesen sein, sehr geehrter Herr Buchholz. Dass ich die Stadt Mülheim, welche ich als wunderschön empfinde, nicht als meine Heimat benennen darf! Eine derartige Diskreditierung und Spaltung der Bürgerinnen und Bürger Mülheims, die Sie durch Ihre blinde Identifikation mit dem Stadtdirektor Herrn Steinfort direkt unterstützen, kann doch nicht Ihre Absicht sein.
Mülheimer mit Migrationshintergrund fühlen sich schlecht, Buchholz gewählt zu haben
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Vor den Oberbürgermeisterwahlen hatte ich das Glück, mit sehr vielen jungen Menschen zahlreiche Gespräche zu führen. Sie durften zum ersten Mal an der Wahl teilnehmen und reflektierten und diskutierten sehr intensiv darüber, wen sie wählen wollten. Diese jungen Menschen waren ausschließlich Deutsche, deren Eltern einen Migrationshintergrund haben.
Die meisten, sehr geehrter Herr Buchholz, schlossen sich Ihren politischen und bürgernahen Ideen an und erzählten mir: „Herr Buchholz kann unsere Interessen gut vertreten und unser Oberbürgermeister werden!“ Nach Ihrem ersten Statement, in dem Sie den Stadtdirektor Herrn Steinfort verteidigten, hat mich einer dieser jungen Mülheimer, der Sie gewählt hat, angerufen und teilte mir mit, dass er sich sehr schlecht fühle, Sie gewählt zu haben. Er habe sich seinen Eltern gegenüber, welche er ebenfalls überzeugt hatte, Sie zu wählen, als Verräter gefühlt.
„Geben Sie allen Menschen wieder das Gefühl von Sicherheit“
Nun lese ich tagtäglich von Mülheimer Bürgerinnen und Bürgern Meinungen in der WAZ mit rechtem Gedankengut und bin mittlerweile zutiefst empört und zugleich traurig. Dies war doch sicherlich ebenfalls nicht Ihre Absicht. Oder? Ich fühle mich sehr verantwortlich dafür, der Jugend, welche nun völlig gelähmt ist, eine Stimme zu geben.
Geben Sie allen Menschen, die sich Mülheim als ihre Heimat ausgewählt und nicht zufällig, sondern bewusst in Mülheim leben, und ihre Zukunft in Mülheim sehen, wieder das Gefühl von Sicherheit! Menschen können Fehler machen. Menschen können allerdings auch ihre Fehler wieder gut machen. Nehmen Sie Ihre Würde in die Hand und zeigen Sie allen Menschen, die in Mülheim leben und weiterhin hier leben möchten, als Vorbild der Stadt, dass sie Mülheimer sind!