Mülheim. Bei Mülheimern mit Migrationshintergrund gibt es besonders viele Corona-Fälle. Es gilt nun aber nicht, einen Sündenbock zu suchen.
Sucht man nach den Gründen für das hohe Infektionsniveau in Mülheim, vor allem in den Stadtteilen Styrum und Eppinghofen, gilt es nicht, eine Sündenbock-Diskussion zu führen. Es geht nicht um Schuld. Es geht vor allem um die Frage, wie sich die Pandemie in dieser Stadt besser bekämpfen lässt – um sie zu beantworten, muss man klarmachen, warum sich das Virus in einigen Bezirken besonders ausbreitet.
Bochum, Gladbeck und Gelsenkirchen: Mehr Corona-Infizierte unter Migranten
Mit ungewöhnlich deutlichen Worten hat Krisenstabsleiter und Stadtdirektor Frank Steinfort nun auf den Punkt gebracht, was angesichts der kürzlich veröffentlichten Stadtteil-Daten zu vermuten war: Es gibt Teile der Bevölkerung, die sich nicht an die Regeln halten, manche aus Desinteresse und Ignoranz, manche, weil viele Informationen der Stadt bei ihnen nicht ankommen.
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Dass sich der Krisenstabsleiter auf dieses mit Tretminen belegte Feld begibt, offen Milieus benennt, in denen das Virus besonders leichtes Spiel hat, zeugt von einem gewissen Mut. Gestützt werden seine Aussage von denen aus anderen Städten: Ärzte in Bochum sprechen von einem „deutlich höheren Anteil der Migranten an Corona-Erkrankten“, Mediziner aus Gelsenkirchen erleben Vorbehalte von Migranten gegenüber dem Impfen, die Stadt Gladbeck wertet ihre Daten gar anhand von Nachnamen aus und kommt zu dem – doch angesichts der Methode fraglichen – Schluss, dass 54 Prozent der Corona-Erkrankten einen Migrationshintergrund haben.
Schuldfrage unabhängig von Nationalität und Herkunft
All diese Argumente und Zahlen dürfen allerdings nicht dazu führen, eine Bevölkerungsgruppe an den Pranger zu stellen. Ein Großteil der Mülheimer – auch mit Migrationshintergrund – hält sich an die Regeln. Doch es muss der Stadt gelingen, auch diejenigen zu erreichen, die den Ernst der Lage immer noch nicht erkannt haben – bislang wurde diese Bevölkerungsgruppe weitestgehend ignoriert. Und es ist gleichzeitig richtig zu benennen, wer diejenigen sind, die aus Ignoranz die Ausbreitung des Virus in Kauf nehmen – und sie bestmöglich zu kontrollieren und maßzuregeln.
Stellt man überhaupt eine Schuldfrage am Fortbestand der kritischen Corona-Situation, so trifft sie all jene, die sich Anordnungen widersetzen, die sich weiter in großen Gruppen treffen, Familienfeiern ausleben, die einfache Abstands- und Hygieneregeln ignorieren. Völlig unabhängig von ihrer Nationalität und Herkunft.