Mülheim. Der Schock nach dem dramatischen Parkplatz-Unfall ist groß. Die Opfer waren in Speldorf bekannt – „die ältere Dame war jeden Tag hier“.

  • Nach dem tragischen Unfall in Mülheim sind viele Menschen geschockt
  • Die Opfer waren in Speldorf bekannt – die tote Frau kam immer zur Bäckerei Hosselmann
  • Nun gibt es eine Diskussion über Rentner am Steuer
  • Ein 86-Jähriger hatte am Dienstag die Kontrolle über sein Auto verloren

Der folgenschwere Unfall, der sich am Dienstag auf dem Rewe-Parkplatz am Depot in Speldorf ereignet hat, beschäftigt am Tag danach viele Anwohner, Mitarbeiter und Kunden: Nach und nach verbreitet sich im Stadtteil die Nachricht, dass die Frau, die der 86-jährige Autofahrer erfasst hat, tatsächlich gestorben ist.

Es herrscht Fassungslosigkeit, die Anteilnahme ist groß. Derweil diskutieren Nutzer in sozialen Medien über das fortgeschrittene Alter des Unfallfahrers, der – genau wie seine Frau auf dem Beifahrersitz – mit leichten Blessuren davonkam.

Etliche Menschen, die sich am Mittwochmittag an der Unfallstelle aufhalten, kannten das Opfer gut, darunter eine Verkäuferin (59) der Bäckerei Hosselmann. „Die ältere Dame war jeden Tag hier, hat auch sonntags bei uns Kaffee getrunken.“ Sie habe allein gelebt, sei freundlich und hilfsbereit gewesen. „Im Juni wollte sie ihren 70. Geburtstag feiern.“

Die Frau habe ihr Leben lang in Speldorf gewohnt, „und wenn sie mal einen Tag nicht kam, haben wir uns schon Gedanken gemacht“, so die Mitarbeiterin. „Es tut mir so leid, was hier passiert ist.“ Von der Polizei hieß es unterdessen, die Frau sei erst 68 Jahre alt gewesen.

Mülheim: Blumen und Kerzen erinnern an die Opfer

Einige Trauernde haben Blumen an der Unfallstelle in Mülheim-Speldorf drapiert. Der zerstörte Zaun zeugt von dem schrecklichen Geschehen, was sich am Dienstag vor dem Depot abgespielt hat.
Einige Trauernde haben Blumen an der Unfallstelle in Mülheim-Speldorf drapiert. Der zerstörte Zaun zeugt von dem schrecklichen Geschehen, was sich am Dienstag vor dem Depot abgespielt hat. © Foto: Deike Frey

Schockiert sind auch andere Mülheimer. Trauernde haben einen Strauß Rosen und einen Bund Tulpen zwischen die Steine des zerstörten, kniehohen Zaunes gesteckt, über den der Unfallfahrer mit seinem Mercedes geschossen ist. Auch eine künstliche Kerze erinnert an die Opfer. Und neongelbe Streifen auf dem Boden, die wohl von der Unfallaufnahme stammen.

Vom Auto mitgerissen wurde auch ein Mann, der nun schwer verletzt im Krankenhaus liegt. Auch er war den Mitarbeitern und vielen Kunden bekannt, zumindest vom Sehen. „Er hat oft auf dem Mäuerchen gesessen und Akkordeon gespielt“, erzählt die Bäckerei-Verkäuferin, „mit einem dreibeinigen Hocker vor sich und einem Schälchen, in dem er Geld gesammelt hat.“

Unfall in Mülheim: Es hätte noch mehr Opfer geben können

Eigentlich könne man froh sein, dass es nicht noch mehr Opfer gegeben hat, bemerkt eine 61-jährige Speldorferin. Dort nämlich, wo der Mercedes-Fahrer letztlich von der hohen Backstein-Außenmauer ausgebremst wurde, stünden in Nicht-Corona-Zeiten Tische und Stühle für Gäste der Bäckerei. „Am Dienstag war so ein schöner Tag, da wäre das Café bestimmt gut besucht gewesen.“

Verkehrswacht: Führerschein gegen Busticket tauschen

Ein Programm, das den Ehrenamtlichen der Mülheimer Verkehrswacht schon lange vorschwebt: „Rentner, die von sich aus den Führerschein abgeben, sollten diesen kostenlos gegen ein ÖPNV-Ticket tauschen können oder auch Vergünstigungen bei Taxiunternehmen bekommen“, erklärt Gunter Zimmermeyer. Bislang sei ein solches Projekt immer an den Kosten gescheitert. „Daher würden wir uns über Unterstützung freuen.“

Bei Fragen rund ums Thema Fahrsicherheit können sich Interessierte an die Mülheimer Verkehrswacht wenden: 444 915 60/61 oder verkehrswacht-muelheim.de.

Ein älterer Mann kann den Vorfall derweil kaum glauben, schüttelt entsetzt den Kopf. „Hier auf dem Parkplatz soll das passiert sein? Hier fährt man doch eigentlich Schritttempo...“

Doch: „Die meisten Unfälle von Senioren passieren auf Supermarkt-Parkplätzen“, weiß Gunter Zimmermeyer (76), Vorsitzender der Mülheimer Verkehrswacht. „Da werden etwa Piepser von Assistenzsystemen falsch interpretiert und das Auto des Nachbarn angefahren, in einer solchen Stresssituation geben viele dann Gas.“

Diskussion über Rentner am Steuer

„Schrecklich … abermals jemand über 80. Abermals die Kontrolle verloren. Wann kommt endlich ein regelmäßiger verpflichtender Tauglichkeitstest ab 70?“, schreibt ein Nutzer auf Facebook. Gunter Zimmermeyer begleiten das Thema und die Forderung nach stärkeren Kontrollen nun seit fast 50 Jahren. Damals wie heute seien solche tragischen Unfälle wie dieser aber die Ausnahme.

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Denn statistisch gesehen lasse sich nicht belegen, dass Senioren über 65 Jahre mehr Unfälle im Straßenverkehr verursachen als jüngere Fahrer. Dennoch steige das Risiko mit abnehmender Reaktionsfähigkeit im Alter, weiß Zimmermeyer. Und: „Die meisten erkennen nicht, dass sie Defizite haben.“ Daher spreche die Verkehrswacht regelmäßig Senioren an, die eigene Fahrtüchtigkeit kritisch zu hinterfragen.

Lesen Sie hier:Unfallschwerpunkte in Mülheim: Hier kracht es am häufigsten

Die Verkehrswacht weist immer wieder darauf hin, dass man den Führerschein abgeben sollte, wenn man körperliche oder psychische Einschränkungen feststellt. „Zudem gibt es verschiedene Programme, in denen sich Senioren fit für den Straßenverkehr halten können“, so Zimmermeyer. Er weiß aber auch: „Die Abgabe des Führerscheins ist ein schwieriges Thema, weil es für viele ältere Menschen mit dem Verlust von Mobilität und Freiheit verbunden ist.“

Im Zweifel vertrauensvoll an eine Fahrschule wenden

Ein Rentner hatte auf einem Parkplatz in Mülheim-Speldorf die Kontrolle über sein Auto verloren.     
Ein Rentner hatte auf einem Parkplatz in Mülheim-Speldorf die Kontrolle über sein Auto verloren.      © Feuerwehr Mülheim

Birgit Eder ist Teamleiterin in der Führerscheinstelle der Stadt. Sie und ihre Kollegen prüfen regelmäßig Führerscheininhaber auf ihre Kraftfahreignung– etwa nach einem Unfall oder einer Kontrolle durch die Polizei. Wie viele ältere Bürger darunter sind, wird nicht statistisch erfasst.

Fest steht aber: „Ältere Menschen leiden häufiger an Erkrankungen und nehmen vermehrt Medikamente ein, die die Kraftfahreignung einschränken können“, erklärt die Fachfrau. Um die Fahreignung zu überprüfen, wird der Bürger angeschrieben und um Vorlage ärztlicher und augenärztlicher Bescheinigungen gebeten.

„Wir haben auch schon einem 90-Jährigen die Fahrerlaubnis zurückausgestellt, der nach einer erfolgreichen Augen-OP wieder hervorragend sehen konnte und auch sonst topfit war“, sagt Birgit Eder. Aus ihrer Erfahrung sei es so, dass „der überwiegende Teil der Senioren sehr verantwortungsbewusst“ sei und sich bei Unsicherheiten freiwillig nicht mehr hinters Steuer setze.

Ihr Ratschlag: „Wenn Zweifel bestehen, sollte man sich vertrauensvoll an den Hausarzt oder eine Fahrschule wenden und eine Stunde mit Fahrlehrer fahren.“ Dieser sei unabhängig und könne ein ehrliches Feedback geben. Auch wichtig: „Mindestens einmal im Jahr den Augenarzt aufzusuchen.“ Denn die schwindende Sehfähigkeit sei häufig Ursache bei Unfällen.