Mülheim. Mit dem Bundesverdienstkreuz wird eine der letzten Auschwitz-Überlebenden geehrt: Zilli Schmidt. Über die Pandemie sagt sie: „Keine schöne Zeit.“
Bei einer hochbetagten Dame in Mannheim ist ein besonderer Brief angekommen: zweieinhalb handgeschriebene Seiten, hochwertiges Papier. Absender: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Adressatin: Zilli Schmidt, eine der letzten Auschwitz-Überlebenden, 96 Jahre alt. Eine Persönlichkeit, die auch lange Zeit in Mülheim gewohnt hat, bekommt den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland.
Handgeschriebener Brief des Bundespräsidenten an die 96-Jährige
Eigentlich sollte die Ehrung am 7. April 2021 persönlich erfolgen, wie Steinmeier schreibt. „Doch die noch andauernde Pandemie macht das leider unmöglich.“ Er hoffe sehr, die Ehrung später nachholen zu können. Zilli Schmidt sagt am Telefon: „Ich hoffe, dass ich es noch erlebe.“
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Sie ist eine deutsche Sinteza (Sinti-Frau) und hat einen furchtbaren Leidensweg durch Gefängnisse und Konzentrationslager hinter sich. Im KZ Auschwitz-Birkenau wurden ihre Eltern vergast, ihre Schwester mit sechs Kindern und ihre eigene Tochter Gretel, vier Jahre und zwei Monate alt.
„Unerschütterliche Kämpferin gegen Hass“
Zilli Schmidt war schon Mitte 90, als ihre Lebenserinnerungen veröffentlicht wurden: „Gott hat mit mir etwas vorgehabt!“ Das Buch hat offenbar auch den Bundespräsidenten sehr bewegt, ebenso die wenigen öffentlichen Auftritte der Zeitzeugin. „Durch Ihre Vermittlung wissen wir heute mehr über das Leiden der Sinti und Roma“, schreibt er, „aber auch so viel mehr über ihr Leben, ihre Musik und ihre Kultur.“ Bis heute sei sie eine „unerschütterliche Kämpferin gegen Hass, Ausgrenzung und Rechtsextremismus“.
Am 27. Januar 2020 besuchte Frank-Walter Steinmeier das ehemalige Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau – genau 75 Jahre nach dessen Befreiung. Einige Überlebende begleiteten den Bundespräsidenten, und auch Zilli Schmidt war eingeladen, an dieser Reise teilzunehmen. Sie weigerte sich. „Dort gehe ich nie wieder hin“, sagt sie jetzt noch einmal. Zum Bundesverdienstkreuz: „Ich freue mich über diese Anerkennung.“ Und über die Anerkennung des Leidens der Sinti und Roma, das – so empfand es Zilli Schmidt – jahrzehntelang im Hintergrund blieb.
Bis heute hält sie Kontakt zu einer Nichte in Mülheim
An ihre Mülheimer Zeit denkt sie gerne zurück. Ende der Achtzigerjahre, nach dem Tod ihres Ehemannes, zog sie nach Broich, wo ihr älterer Bruder mehrere Häuser besaß. „Ich habe 15, 16 Jahre in Mülheim gewohnt und hatte da viele Freunde“, sagt Zilli Schmidt. Zu einer ihrer Nichten hier in der Stadt hält sie bis heute Kontakt.
Inzwischen lebt sie wieder in Mannheim, zurückgezogen, auch wegen der Pandemie. „Wir leben in einer Zeit, die ist gar nicht schön“, sagt die 96-Jährige, „aber da müssen wir durch“. Bemerkenswerte Worte aus dem Mund einer Auschwitz-Überlebenden.