Mülheim. Anlässlich des Gedenktags für Opfer des Nationalsozialismus haben die Rotarier die Gedenksteine gereinigt. Stadt lobt Pflege der Stolpersteine.
Die zehnjährige Julia hockt auf dem Boden des Bürgersteigs vor dem Haus Auerstraße 59. Aus einer Plastikflasche lässt sie ein wenig Wasser auf den Pflasterstein vor sich laufen. Ihr Vater Andreas Swoboda fügt etwas Metallreiniger hinzu. Die grobe Handarbeit im Team obliegt nun Robert Gerlach: Mit einem Topfschwamm schrubbt der Vorsitzende des Rotary-Club (RC) Mülheim-Uhlenhorst die Messingplatte auf dem Stein sauber und poliert sie anschließend mit einem Tuch blank.
Zum Schluss wird noch eine weiße Rose neben dem Mahnmal platziert, das an das Schicksal von Benjamin Traub erinnert. Bis 1938 lebte er im Haus an der Auerstraße 59, bevor er im Alter von 26 Jahren 1941 von den Nazis im hessischen Hadamar umgebracht wurde. In den Augen der Nationalsozialisten galt das Leben des an Schizophrenie leidenden jungen Manns als „unwert“.
Anlässlich des Gedenktags wurden Freiwillige mobilisiert
Der Gedenkstein von Benjamin Traub ist der letzte der 168 Stolpersteine auf Mülheimer Boden, den die rund 50 Mitglieder des RC Mülheim-Uhlenhorst innerhalb weniger Tage von Patina und Schmutz befreit und wieder zu strahlendem Glanz verholfen haben.
Hintergrund der Aktion ist der am 27. Januar bundesweit begangene Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. „Wir wollen aufmerksam machen auf die durch das NS-Regime in unserer Stadt umgekommenen Bürger“, erläutert Andreas Swoboda, Sprecher der Rotarier. Außerdem wird in diesem Jahr der 1700-jährigen Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland gedacht.
Initiatorin ist Nachkomme eines Opfers der Nationalsozialisten
Die Anregung für die Initiative kam von Melanie Bolks. „Beim Spazierengehen mit meinem Mann sind mir die Stolpersteine aufgefallen und auch, in welchem Zustand sie sich befinden“, berichtet die Rotarierin. Sie selbst ist Enkelin eines Opfers, an den ein Stolperstein in ihrer Geburtsstadt Nordhorn erinnert. „Dort kümmert sich der Bürgermeister um die Pflege.“ In Mülheim haben sich bislang Schüler mit der Reinigung beschäftigt. „Doch in Zeiten des Lockdowns ist es schwierig, das mit den Kindern zu organisieren“, erklärt sie. Im Rotary-Club konnte sie dann Mitstreiter für ihre Idee begeistern.
„Im Internet habe ich mich informiert, wie die Messingplatten der Gedenksteine am besten schonend gereinigt werden können“, erzählt Melanie Bolks. Auf einer DIN A 4-Seite stellte sie eine Putzanleitung mit zwei Varianten zusammen: Eine für die normale Reinigung, eine andere für sehr angelaufene Steine,. „In unserer WhatsApp-Gruppe haben unsere Mitglieder anhand von Fotos dokumentiert, was für tolle Ergebnisse sie damit erzielt haben“, freut sich Pressereferent Andreas Swoboda.
Begrüßt wird die Aktion der Mülheimer Rotarier auch seitens der Stadtverwaltung: „Ohne bürgerschaftliches Engagement und die Hilfe von dritter Seite können wir als Kommune die Pflege der Stolpersteine nicht sicherstellen. Deswegen freue ich mich sehr über die Unterstützung des Rotary-Clubs“, lobt Umweltdezernent Peter Vermeulen.