Mülheim. Jahrzehntelang lag die ehemalige Mülheimer Ibing-Brauerei am Heuweg brach. Nun wollte der Eigentümer 31 Bäume fällen. Warum es nicht weitergeht.
Zu rechnen war damit – irgendwann. Und doch haben die massiven Baumfällungen auf dem Grundstück der ehemaligen Ibing-Brauerei manchen Anwohner völlig überrascht. In der vergangenen Woche – kurz vor der offiziellen Schonzeit, die am 1. März beginnt – ließ der Eigentümer, die Duisburger Conle-Gruppe, die Säge an 31 Bäumen anlegen. Und musste kurz darauf die Abrissarbeit einstellen.
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Mülheimer Ibing-Brauerei: Die Fällung war legal, sagt die Stadt
Die Fällung auf dem Grundstück an Heuweg und Alte Straße aber war legal, heißt es auf Anfrage aus dem Mülheimer Umweltamt und der Unteren Naturschutzbehörde. Eine Genehmigung lag vor, jedoch eben nur dafür. Denn beim Fällen stellte sich heraus, dass in der seit 1968 verlassenen Anlage neue „Bewohner“ eine Bleibe gefunden haben.
Die Wasserfledermaus und das braune Langohr, ebenfalls eine Fledermausart, leben mittlerweile dort. Beide Arten sind streng geschützt und dürfen nicht ohne Weiteres ausgesiedelt werden. Für die Ausgliederung der Fledermäuse hatte Conle jedoch keine Genehmigung, denn bislang fehlt dazu ein notwendiges Gutachten. Nach einem Gespräch habe sich Conle entsprechend einsichtig gezeigt und die Arbeiten beendet, heißt es aus dem Umweltamt.
Und mancher Baum musste ebenso stehen bleiben, weil seine Fällung die Behausung der tierischen Besetzer möglicherweise beschädigt hätte.
Anwohner kritisieren Fällung als Versuch „Fakten zu schaffen“
Hätte man sich diese Aktion kurz vor der Brutzeit dann nicht zugunsten der Tierwelt sparen können? Mancher Anwohner, der statt auf die Natur nun auf die offene Brache schauen muss, ärgert sich über einen augenscheinlichen Aktionismus. „Man wollte wohl einfach Fakten schaffen“, schildert ein Anwohner seinen Eindruck und vermutet: Ohne Erscheinen des Amtes hätte der Investor vielleicht weitergemacht.
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Die Mülheimer Behörden wollen das jedoch nicht weiter kommentieren, es sei eine Entscheidung des Investors gewesen. Eine artenschutzrechtliche Prüfung sei dagegen ein laufender Prozess, der durchaus Teilschritte wie die Baumfällung zulasse, ohne dass alle Aspekte geprüft sein müssten.
Eigentümer Conle muss artenschutzrechtliches Gutachten vorlegen
Doch aller Voraussicht nach werden sich nun die Arbeiten auf dem Gelände um Monate oder länger verzögern. Denn Conle muss für die mögliche Verlegung der Glattnasen erst jenes artenschutzrechtliche Gutachten liefern. Das wird am Ende von der Umweltbehörde geprüft werden müssen. Hinzu komme, dass die Umsiedlung der Fledermäuse nur zu bestimmten Zeiten im Jahr erfolgen könne.
„Das ist ein normales Prozedere“, ergänzt das Amt, man wolle dem Investor helfen, nicht etwa das Projekt verhindern. Dass sich solche Öko-Räume auf einsamen Brachflächen entwickeln, sei ebenfalls nicht ungewöhnlich.
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Gelände liegt seit rund 50 Jahren brach
Auch politisch blieb es ruhig um Ibing
Seitdem ist es auch politisch ruhig geblieben um das nicht weiter entwickelte Grundstück gegenüber der Lederfabrik. 2008 hatte die SPD bei der Verwaltung angefragt, wann mit einer sinnvollen Bebauung des Grundstückes zu rechnen sei.
Das Bauordnungsamt gab damals an, dass die Bebauung des Grundstücks an einem „fehlenden Gutachten zur Immissionsbelastung durch die Firma Lindgens scheitere“.
2017 wollte der BAMH im Zusammenhang mit dem Baugenehmigungsverfahren für das Lindgens-Gelände nachhaken: Man müsse „das Filet Grundstück im Gesamtzusammenhang mit der möglichen Entwicklung der ehemaligen Brauerei Ibing und des Steinbruchs Rauen sehen“, begründete der damalige Fraktionschef Jochen Hartmann seinen Antrag. Das Thema wurde von der Tagesordnung genommen.
Dann schon eher die botanischen Besonderheiten, die im vergangenen Jahr von sich reden machten: Die Polizei entdeckte im September eine bis dato ungestörte Plantage mit elf Cannabis-Pflanzen in Töpfen zwischen den Ruinen.
1863 wurde die Brauerei von der Familie Ibing am Kassenberg gegründet. Erst später erweiterte sie ihre Produktion am Heuweg. 1968 übernahm ein Konzern die Brauerei und stellte die Bier-Herstellung ein. 2010 gab es zuletzt Konflikte, weil Anwohner Sorge um umstürzende Bäume hatten. Fällen wollte der Eigentümer Conle die beanstandeten Bäume damals aber nicht, und hielt dies rechtlich nicht für notwendig: Das Gelände werde regelmäßig überwacht und sei „ausreichend abgesichert“.
Ibing-Areal ist Bestandteil der Vision für eine neue „Grüne Mitte“ in Mülheim
Das Ibing-Areal ist Teil jener Vision für Mülheims Stadtentwicklung, mit einer Bebauung des Lindgens-Areals, Ibing und des Steinbruchs Rauen eine „Grüne Mitte“ für Mülheim zu schaffen. Eine Grobskizze dafür findet sich in Mülheims Konzept zur Beteiligung an der Internationalen Gartenbauausstellung (IGA) im Jahr 2027 wieder.
Durch die Umwidmung des Lingens-Areals, weg von einer industriellen hin zu einer Nutzung für Gewerbe und Wohnen, hat sich auch eine Perspektive für das Ibing-Gelände eröffnet. Was genau die Conle-Gruppe durch ihre aktuellen Aktivitäten vor Ort plant, bleibt zunächst unklar. Das Unternehmen reagierte bislang nicht auf eine Anfrage der Redaktion. (mit sto)