Mülheim. . Jahrzehnte ist es her, dass in der Ibing-Brauerei das letzte Mal gebraut wurde. Innen ist es sehr marode, trotzdem erinnert viel an damals.

Durch ein kleines, zerstörtes Fenster bahnt sich Jack Silver den Weg in die alte Brauerei. Er blickt auf verrostete Rohre und geht auf einen großen Flur zu. Von dort gelangt er in den Keller. Es ist stockfinster. Durch die Taschenlampe in seiner Hand kann er ein Gewölbe erkennen. Die Decken schätzt er auf über zehn Meter hoch. „Das ist der Wahnsinn und Adrenalin pur“, denkt er. Wie eine Reise in die Vergangenheit. Auf einmal kann sich Jack Silver genau vorstellen, wie Menschen damals, vor vielen Jahren, hier standen und Bier brauten.

Durch ein Gewölbe, das er über zehn Meter hoch einschätzt, hat sich Urbexer Jack Silver den Weg durch die alte Brauerei gebahnt.  
Durch ein Gewölbe, das er über zehn Meter hoch einschätzt, hat sich Urbexer Jack Silver den Weg durch die alte Brauerei gebahnt.   © Jack Silver

Diese Reise in die Vergangenheit ist der Grund, warum sich Menschen wie Jack Silver verlassene Orte anschauen. Sie nennen sich Urbexer – eine Zusammensetzung aus den englischen Wörtern „urban“ (städtisch) und „explore“ (erkunden). Es sind Leute, die schöne und außergewöhnliche Architektur mögen. Und sogenannte „Lost Places“, zu deutsch verlassene Orte entdecken. Seinen richtigen Namen möchte Jack Silver, der aus Essen kommt, nicht veröffentlichen. Denn obwohl Urbexer die „Lost Places“ stets besichtigen und nicht zerstören – sie begehen dabei Hausfriedensbuch.

Trotzdem ist es sein liebstes Hobby. Er hat schon einen alten Schlachthof, einen Bergwerkstollen, eine alte Kohlenmine oder ein Haus mit über 150 Puppen besichtigt. Dafür nimmt er Touren von über mehreren hundert Kilometern auf sich, war bereits in Tschechien, Rumänien, Frankreich, Holland oder Belgien. Auch im Ruhrgebiet gebe es einige „Lost Places“, in Mülheim aber nur recht wenige.

Der bekannteste sei die seit Jahrzehnten leer stehende Ibing-Brauerei am

Die Brauerei erweckt den Eindruck, als wäre in ihr die Zeit stehen geblieben. Viel ist kaputt, alte Maschinen und Kessel stehen aber immer noch an ihrem Platz.
Die Brauerei erweckt den Eindruck, als wäre in ihr die Zeit stehen geblieben. Viel ist kaputt, alte Maschinen und Kessel stehen aber immer noch an ihrem Platz. © Jack Silver

Heuweg in Saarn. Die ist umgeben von einem Zaun, an den Seiten gibt es hohe Berghügel. Ganz so einfach ist es also nicht, hineinzukommen. Insgesamt wirkt die Ruine von außen sehr marode, sie ist mit vielen grünen Blättern überwuchert. Jack Silver steht vor dem Berghügel. „Geht man da hoch, findet man das Loch im Zaun“, beschreibt der Urbexer und zeigt auf eine Stelle, an der das Gras herunter getrampelt ist.

Kaputt und einsturzgefährdet

Einige Tage später betritt er die Ruine gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin. Und der Eindruck, den sie von außen gemacht hat, ist innen ähnlich. „Alles war wirklich kaputt und einsturzgefährdet“, beschreibt er im Nachhinein. Trotzdem sei die alte Brauerei schöner gewesen, als man es sich vorstellen könne: „Auch wenn es Graffiti gab, war der natürliche Verfall beeindruckend. Das ist genau das, was man bei ,Lost Places sucht’. Im Innenraum standen alte Maschinen, Kessel und ein Abfüllgerät“, erzählt er. Doch auch wenn die Erfahrung für ihn super war, warnt Jack Silver: „Das ist wahnsinnig gefährlich und sollte wenn überhaupt nur mit Erfahrung gemacht werden. Die Ruine ist kein Spielplatz.“

Abfüllgeräte für Bier – so vermutet Jack Silver – konnte er in der alten Brauerei ebenfalls entdecken.  
Abfüllgeräte für Bier – so vermutet Jack Silver – konnte er in der alten Brauerei ebenfalls entdecken.   © Jack Silver

Ganz in der Nähe der alten Brauerei befindet sich ein weiterer „Lost Place“. Eine verlassene Häuserreihe an der Alten Straße. Auch die wollte Jack Silver erkunden: „Die Häuser waren aber verriegelt, deshalb bin ich nicht reingegangen.“ Am Flughafen Essen/Mülheim, zwischen Zeppelinstraße und Parsevalstraße, hat Jack Silver ebenfalls einen „Lost Place“ entdeckt. Dort befand sich ein großes Gebäude, das es mittlerweile nicht mehr gibt. „Ich habe es aus dem Auto gesehen und dann erstmal die Lage gecheckt. Durch das Fenster habe ich erkannt, dass es leer steht. „Also bin ich hineingegangen, in der Empfangshalle stand nichts mehr“, erinnert er sich. Fotos und Videos hat er nicht gemacht, wie es in dem großen Gebäude aussah, weiß er aber noch genau: „Als ich reinkam, standen da Massen von Telefonen, Büroartikel, Schreibtische, Sofas und Tastaturen“ Das ist zwei Jahre her, vor sechs Monaten wurde das Haus abgerissen.

Nicht zerstören, nur anschauen

Entdeckt Jack Silver Lost Places hat er meistens seine Kamera dabei. Er macht Videos, die er im Internet veröffentlicht. Um andere an seinem Hobby teilnehmen zu lassen. Und um zu zeigen, dass Urbexer wie er nicht zerstören oder klauen. Sie wollen die Orte anschauen und in der Vergangenheit schwelgen, so wie in der alten Ibing-Brauerei.

>>> AUCH BESICHTIGEN IST HAUSFRIEDENSBRUCH

Das Betreten von „Lost Places“ gilt als Hausfriedensbruch und somit als Straftat. Deshalb und aus Sicherheitsgründen rät Jack Silver von dem Betreten ab. Er selbst besichtigt die verlassenen Orte immer nur in Begleitung, so dass im Notfall jemand Hilfe holen kann.

Videos von „Lost Places“ im Ruhrgebiet, Deutschland und Europa veröffentlicht er auf der Plattform Youtubesowie auf seiner Homepage lost-place.info