Mülheim. Den Mülheimer Kinos geht es schlecht. Sogar der Aktionstag am 28. Februar läuft nur auf Sparflamme. Wer hält ohne Öffnungsperspektive noch durch?
Seit nahezu vier Monaten sind die Kinos wieder in den Lockdown gezwungen. Am 28. Februar soll zumindest in einigen Häusern wieder das Licht angehen: Die Essener Filmkunsttheater, zu denen auch das Mülheimer Rio gehört, machen mit bei der deutschlandweiten Aktion „Kino leuchtet. Für dich.“
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Mehr als 300 Kinos im ganzen Land wollen am Sonntag ab 19 Uhr mit besonderer Beleuchtung erstrahlen. Das Team der Essener Filmkunsttheater konzentriert sich bei dieser visuellen Demo allerdings auf die Lichtburg und das Rüttenscheider Filmstudio. Für die Dependance am Mülheimer Synagogenplatz reichen die Kräfte derzeit nicht, und das sagt schon einiges. „Wir sind nicht voll besetzt“, erklärt Christiane Hüls, Sprecherin der Essener Filmkunsttheater und somit auch des Rio. Die Beschäftigten sind in Kurzarbeit.
Keine Leute für Beleuchtung: Mülheimer Rio-Kino bleibt beim Aktionstag außen vor
Auf ihrer Facebook-Seite soll am Sonntagabend aber ein Film zur Aktion laufen, der auch in das Mülheimer Programmkino führt. Die Kampagne unter dem gemeinsamen Hashtag #kinoliebe findet bewusst am Vorabend der virtuellen Berlinale statt und im Vorfeld der nächsten Bund-Länder-Konferenz am Mittwoch. Tief enttäuscht hatte die Branche Mitte Februar auf die Verlängerung des Lockdowns reagiert und die katastrophale Lage vieler Häuser geschildert. Die Kinos kämpfen für eine Perspektive zur Wiedereröffnung. Sie wiederholen, was sie seit Monaten predigen und Studien auch belegen: Filmtheater mit erprobten Hygienekonzepten sind auch in der Pandemie sichere Orte.
Gerade in einer Krise wie jetzt können die Kinos risikoarme Orte der Begegnung und der Alltagskultur sein“, sagt Christiane Hüls. Dabei gehe es um mehr als den Filmkonsum: „Es ist ein Stück Teilhabe, Unterhaltung, Inspiration.“ Stärkende Faktoren seien das, gerade in Krisenzeiten.
Chef der Filmpassage: „Wir können machen, was wir wollen - es bringt nichts“
Die Filmpassage im Forum wird sich an der Aktion „Kino leuchtet“ generell nicht beteiligen. Die Geschäftsführer Meinolf und Anja Thies glauben nicht mehr an den Sinn, klingen bitter: Die Wertschätzung der Kinos, auch was Gewährung und Auszahlung von Hilfsgeldern angeht, sei „in den vergangenen Monaten trotz innigster Bemühungen aller Branchenvertreter derart mit Füßen getreten worden, dass auch ,Leuchten’ nicht mehr hilft“, teilen die beiden mit.
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Meinolf Thies meint: „Wir können machen, was wir wollen. Es bringt eh nichts.“ Nebenbei: Wenn er im Forum-Kino am Sonntagabend das Licht einschalte, „sieht es sowieso keiner. Das Geld kann ich mir sparen.“ Wo Sparen ohnehin dringend geboten ist. Staatliche Hilfen, um die Thies und andere mittelständische Kinounternehmen in einem Brandbrief dringendst gebeten hatten, sind zwar inzwischen zugesagt und offenbar auch schon geflossen. Thies schimpft aber über „Fallstricke“ in den Hilfsprogrammen, die sich teilweise gegenseitig aufheben und letztlich doch weit geringer ausfallen würden als erhofft.
Im Pandemie-Jahr 70 Prozent weniger Zuschauer
„Das Geld ist jetzt auf dem Konto, und wir werden es auch benutzen, wenn es gar nicht anders geht. Aber wir müssen es zurückzuzahlen.“ Gegenüber dem Kinojahr 2019, das allerdings branchenweit als außerordentlich besucherstark gefeiert wurde, sind die Zuschauerzahlen 2020 massiv eingebrochen: In der Filmpassage wurden nach Auskunft der Betreiber 70 Prozent weniger Karten verkauft. Und eine Wiedereröffnungsstrategie gibt es derzeit nicht.
Kurzarbeit im Cinemaxx: Corona als „historische Herausforderung“
Still ruht auch das Cinemaxx im Rhein-Ruhr-Zentrum. Die Beschäftigten sind in Kurzarbeit, das Unternehmen kann aber vom finanziellen Polster aus besseren Zeiten zehren. Die Cinemaxx-Gruppe sei „glücklich, nach einem Rekordjahr 2019 und einem Rekordquartal Q1 2020 mit einem starken Fundament in die aktuelle Situation gegangen zu sein“, teilt eine Sprecherin mit.
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Doch die Pandemie stelle die gesamte Branche „vor eine historische Herausforderung“. Die von der Bundesregierung angekündigten Hilfen für die aktuellen Schließungsmonate „sind überfällig und müssen in der versprochenen Form dringend erfolgen“, heißt es aus der Cinemaxx-Zentrale. Man glaube aber fest an das Kino und die Treue der Filmfans. Sie habe sich schon zwischen der ersten Wiedereröffnung Ende Mai 2020, unter strengen Hygieneauflagen, und dem erneuten Lockdown im November bewiesen: „Wir haben gesehen, dass die Menschen in die Kinos zurückkehren und das Kinoerlebnis sehr vermisst haben.“
Kinounternehmer fürchtet: „Das eigene Lebenswerk geht den Bach runter“
Voller Vorfreude sehe man im Cinemaxx der Wiedereröffnung entgegen, zumal 2021 eine „prallvolle Filmstartliste mit einem fantastischen Line-Up“ bereit halte. Wann die Fans tatsächlich in den Genuss dieser Premieren kommen, bleibt die große und vielerorts existenzielle Frage. Welche Filmtheater haben die Notreserven und den langen Atem?
Dem Chef der Filmpassage ist tiefe Sorge anzuhören: „Wir können nicht sagen, welches Szenario uns trifft. Man steht daneben, während das eigene Lebenswerk den Bach runter geht.“