Mülheim. Mittelständische Kinos bitten den Bund dringend um Hilfe. Auch die Betreiber der Filmpassage Mülheim fürchten: „Irgendwann ist das Geld alle.“
Große Leinwand und großes Drama gehören seit jeher zusammen. In einem Brandbrief deutscher Kinounternehmen, zu denen auch die Betreiber der Filmpassage im Forum gehören, steht: Ohne Unterstützung des Bundes werde es bald keine Filme, keine Besucher und keine Kinos mehr geben. Ist es wirklich so schlimm?
Auch interessant
Seit 30. Mai dürfen die Kinos wieder öffnen, davor lief zwei Monate lang gar nichts. Die Einbußen sind weiterhin erheblich. Meinolf Thies, der mit seiner Frau Anja die Filmpassage Mülheim und acht weitere Kinos führt, sagt: „Von Ende Mai bis einschließlich August hatten wir nur zehn bis 15 Prozent der normalen Auslastung.“
Chef der Filmpassage Mülheim: „Kino ist kein gefährlicher Ort“
Mit dem Start von „Tenet“, erster großer Hollywood-Streifen seit langem, habe man die nächsten 15 Prozent geschafft. „Aber die Verleiher halten die richtigen Knaller so lange zurück, bis man die Säle wieder füllen kann“, so Thies. Dabei seien die Abstandsregeln in NRW noch großzügig, verglichen mit anderen Bundesländern, wo streng 1,5 Meter gelten: „Wir sitzen hier in einer Sänfte der Glückseligkeit, denn wir müssen im Saal nur jeweils einen Platz frei lassen.“ Pärchen, Gruppen oder Familien dürfen im Kino nebeneinander sitzen. Wenn es gut laufe, so Thies, könne man zwei Drittel der Kapazität nutzen. Aber die Leute kommen längst nicht so zahlreich wie früher. Dabei sei doch erwiesen: „Kino ist mit Blick auf Corona kein gefährlicher Ort.“
Von massiven Zukunftssorgen ist der offene Brief getragen, den der „Deutsche Kinomittelstand“ im August an Kulturstaatsministerin Monika Grütters geschrieben hat. Insgesamt 68 mittelgroße Firmen haben unterzeichnet, die einen Marktanteil von 40 Prozent repräsentieren, auch Meinolf und Anja Thies. Gefordert werden: sofortige staatliche Finanzhilfen, Lockerung der Hygienerichtlinien in den Sälen, strengere Regeln für das Streaming und ein „Kinogipfel“ mit der Politik. Eine erste Antwort von Frau Grütters sei schon wenige Stunden später gekommen, berichtet Thies erfreut. Ein erstes Treffen in der Staatskanzlei mit vier Branchenvertretern gab es auch bereits.
Cinemaxx: „Gut gewappnet“ für aktuelle Situation
Die großen Kinoketten wie Cinemaxx sitzen dort nicht mit am Tisch. Hier gibt man sich betont zuversichtlich und gelassen – auch mit Blick auf das Kino im Rhein-Ruhr-Zentrum, das aus Fusionsgründen verkauft werden muss. Zuschauerzahlen nennt Cinemaxx nicht. „Corona hat uns quasi über Nacht getroffen“, sagt eine Sprecherin auf Anfrage. Man sei aber glücklich, „nach einem Rekordjahr 2019 und einem ersten Rekordquartal 2020 gut gewappnet in die aktuelle Situation gegangen zu sein“.
Entlassungen hat es bei den Mülheimer Kinos nach Auskunft der Betreiber noch nicht gegeben, aber ein Teil der Mitarbeiter ist seit Monaten in Kurzarbeit. Dies gilt beispielsweise für die Theaterleitung des Cinemaxx im Rhein-Ruhr-Zentrum, während im Service schon wieder voll gearbeitet wird.
Rio-Kino im Medienhaus profitiert von Spenden
Als Arthouse-Kino spielt das Rio im Medienhaus in einer anderen Liga. Gerade erst hat die Bundesregierung ihr „Zukunftsprogramm Kino“, das kurz vor dem Corona-Lockdown gestartet wurde, von insgesamt 17 auf 22 Millionen Euro aufgestockt. Kleinere Lichtspielhäuser mit besonderem Programm können dieses Geld etwa für technische Investitionen nutzen. Auch die Essener Filmkunsttheater, zu denen das Rio gehört, wollen darauf zurückgreifen, erklärt Sprecherin Christiane Hüls. Nach einem Spendenaufruf von Chefin Marianne Menze waren allein bis Anfang Mai mehr als 100.000 Euro zusammengekommen.
Cinemaxx: Besucher halten sich an die Regeln
Die Kinokette Cinemaxx hat ihre Besucher in Corona-Zeiten befragt: Mehr als 85 Prozent hätten laut dieser Marktforschung „ein gutes Gefühl“ im Kino und kommen gerne wieder.
Nach Auskunft des Unternehmens halten sich die weitaus meisten Besucher an die Corona-Regeln, auch an die Maskenpflicht im gesamten Haus. Nur auf dem Sitzplatz darf die Mund-Nasen-Bedeckung abgenommen werden.
Die Zuschauer kämen auch „sehr gut informiert ins Kino“, die meisten lesen sich vorher die Hygiene- und Sicherheitsvorschriften auf der Website genau durch.
Da offiziell in den Kinos keine Abstandsregelungen mehr gelten, sofern den Besuchern feste Plätze zugewiesen und die Kontakte nachverfolgt werden können, „könnten wir das Rio mit seinen 80 Plätzen theoretisch vollmachen“, so die Sprecherin. „Das tun wir aber nicht.“ So gut sei der Besuch auch noch nicht. „Wir müssen abwarten, was passiert“, sagt Christiane Hüls. „Bislang haben wir immer auf weitere Lockerungen gehofft. Aber danach sieht es bei den aktuellen Infektionszahlen nicht aus.“
Entscheidend wird wohl, wie die Lichtspielhäuser durch den Herbst und Winter kommen. „Der große Strich wird Ende 2020, Anfang 2021 gezogen“, meint auch Meinolf Thies. „Irgendwann ist bei jedem von uns das Geld alle.“ Er rechnet mit zahlreichen Insolvenzen, nicht nur in der Kinobranche, „überall da, wo man mit Menschen zu tun hat“.